Als Bar würde es als goldene Mitte einer Neuköllner Szenekneipe durchgehen. Der kleinste gemeinsame Nenner aus allen Kneipen der Weserstraße filtriert, und heraus käme wahrscheinlich dieses Vorzimmer: alte Flohmarktmöbel, unverputzte Wände und dekorativ aufgereihte Flaschen Hochprozentiges der besseren Sorte. Ganz nett, aber spannend ist anders.
Das hier ist aber keine Bar. Für die Dependance eines Spirituosenimporteurs, dafür, dass die beiden Inhaber Schiffsladungen voll Schnaps aus Amerika nach Deutschland importieren, versprüht der Laden fast einen Hauch von Anarchie. Man fühlt sich fast ein wenig ins vergangene Jahrhundert zurückversetzt: „Boardwalk Empire“ in der Weserstraße – nur ohne Prohibition. Tische mit Verpackungsmaterialien, kleinere Schnapsflaschen mit Etikettiergerätschaften daneben, ein paar alte Glasvitrinen, eine Sofaecke und überall am Boden verteilt stapeln sich Kisten voll Alkoholimporte. Im hintersten Raum stehen schließlich doch noch ganz regulär zwei Arbeitsplätze mit Computern. Die Moderne wurde ins Hinterzimmer verbannt.
„Wir zahlen richtig gute Preise.“
Seit gut zwei Jahren betreiben Florian Stärk und Lars Stottmeister, beide Mitte 30, das Alkoholimportunternehmen Liquor Company mit Sitz in der Weserstraße in Neukölln. “Wir wollen zeigen, dass es auch anders geht“, erklärt Florian ihre Firmenphilosophie überzeugt: fair gehandelten und hochwertigen Alkohol zu guten Preisen in Deutschland anbieten zu können. Ein Großteil der Spirituosenmarken, die hierzulande in den Supermarktregalen zu finden sind, wird von drei Großkonzernen importiert, die sich nahezu den gesamten Markt aufteilen: Pernod Ricard (Ramazzotti, Havana Club, Absolut Vodka, Malibu, Ballantines, Jameson, Beefeater, Becherovka), Diageo (Johnnie Walker, Smirnoff, Captain Morgan, Baileys) und Borko (Sierra Tequila, Finsbury Gin, Fernet Branca). Doch mit der Qualität von Liquor Company würden die Großkonzerne nicht mithalten können. Nicht zu diesen Preisen mit dieser Qualität – davon sind die Inhaber überzeugt.
Das Geheimnis hinter diesen vergleichsweise günstigen Preisen zeigt, wie Globalisierung auch aussehen kann, wenn man sie nicht der Großindustrie überlässt: Man schmeißt die vielen Zwischenstationen und -Händler aus der Handelskette und importiert direkt von den Destillerien vor Ort – Tequila aus Mexiko, Gin aus Frankreich und Rum von Barbados. Würde man die Ware über den regulären Weg beziehen, läge der Einkaufpreis des Rums beispielsweise um 30 Prozent höher bei vergleichbarer Qualität. Und die Hersteller vor Ort würden ein Vielfaches ihres normalen Umsatzes machen, beteuern Stärk und Stottmeister. „Wir zahlen richtig gute Preise.“
Auch Thomas Kochan importiert für seinen Schnapskultur-Laden im Prenzlauer Berg die meisten seiner Produkte selbst. So gut es geht: Innerhalb von Europa ist er selbst unterwegs, für die außerkontinentalen Waren sucht er sich einen Importeur für die entsprechenden Produkte. Im Gegensatz zur Liquor Company, die ihre Produkte unter eigenem Etikett verkaufen, setzt er allerdings gezielt auf Markenware und kauft seine Brände als fertiges Produkt bei den Brennereien in den Produktionsländern, mitunter auch von einzelnen Klöstern.
Die dritte Dimension fehlt
Beim Geschäftsmodell seiner Neuköllner Kollegen fehlt ihm die „dritte Dimension“, wie es Kochan nennt. Das ist für ihn, neben Preis und Qualität, die Herkunft der Ware. Er möchte eben auch wissen, wer die Zuckerrübe oder das Obst erntet und zu welchen Arbeitsbedingungen. Viele seiner Produzenten kennt deshalb persönlich und auch seine Kundschaft wisse das sehr zu schätzen, wenn er ihr genau über die Herkunft der Spirituosen Auskunft geben kann.
„Es ist viel schöner und netter direkt bei dem Produzenten zu kaufen. Die Großhändler haben meistens einfach nicht die Nähe zum Produkt, die der Produzent selbst natürlich hat.“ Die Globalisierung spiele bei ihm keine große Rolle. Das Karmelitenkloster in Regensburg sei beispielsweise nur zwei Stunden am Tag telefonisch erreichbar oder per Brief.
Vertrauen ist die Grundvoraussetzung
Die Kontaktaufnahme in die Karibik ist dagegen noch komplizierter. Zwei Jahr habe es gebraucht, um den Kontakt nach Barbados zur Rum-Destillerie aufzubauen, erklären Florian Stärk und Lars Stottmeister. Die Grundvoraussetzung für einen solchen Handel sei das gegenseitige Vertrauen – und das brauche Zeit. Erst musste die richtige Destillerie gefunden, mussten Proben nach Deutschland geschickt, Verträge geschlossen und die Lagerkonditionen geklärt werden. Wer eine Schiffsladung voll Rum aus der Karibik kaufen will, möchte natürlich sicher gehen, dass auch jeder einzelne der 5.000 Liter von gleicher Qualität ist.
„Wir haben richtig lange gebraucht, uns einzuarbeiten“, gibt Florian zu bedenken und sein Blick lässt vermuten, dass die ein oder andere Existenzangst hin und wieder auch mit im Spiel war. Schließlich hatten sie beide ursprünglich ja einmal Jura studiert, bevor der Entschluss fiel, in das Alkoholbusiness einzusteigen. „Wir hatten das erst völlig falsch eingeschätzt.“ Zolllagerung, eine Brandweinsteuer von vier Euro brutto pro Flasche, Fässer die in Flaschen abgefüllt werden.
„In jeder Flasche steckt ein Tropfen Herzblut drin“, sagt Stärk. Für ihr Geschäft haben die beiden Jungunternehmer immerhin ihre juristische Karriere und ihre Bausparverträge aufs Spiel gesetzt.
Der Text ist in der taz vom 24.01.2014 erschienen.
The Liquor Company
Weserstraße 53
12045 Berlin
Tel: 030-39878935