Zwischen Kicker, Kiez und Koran

Am vergangenen Mittwoch lud die Abteilung Jugend und Gesundheit des Bezirksamts Neukölln in Kooperation mit dem Zentrum Demokratische Kultur (ZDK), zur Fortsetzung ihrer Reihe „Islam in Neukölln – Dialog und Kontroverse“, ins Guttemplerhaus in der Wildenbruchstraße ein.

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Mittwoch, 19. Juni 2013

Es ist später Nachmittag in Neukölln; langsam füllt sich die Veranstaltungshalle des Guttemplerhauses in der Wildenbruchstraße 80. Bei sommerlichem Wetter sind ungefähr 40 Bürger der Einladung des Neuköllner Bezirksamts und des Zentrums Demokratischer Kultur gefolgt, um sich die Podiumsdiskussion zum Thema „Verbietet Gott den Spaß am Leben? – Mit welchem Gottesbild wachsen junge Muslime auf und was bedeutet es für ihren Alltag?“ anzuschauen und mitzudiskutieren.

Während sich einige der Gäste noch an dem Büffet mit türkischem Tee und den ausschließlich halal zubereiteten Speisen bedienen, nehmen die heutigen Diskutanten ihre Plätze ein: Mouhanad Khorchide, Professor der Islamischen Religionspädagogik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Ferid Heider, dem Imam der Teiba Moschee in Spandau, Akif Sahin, Blogger und ehrenamtlich tätig in der Jugend- und Studentenarbeit, Sineb El Masrar, Redakteurin des Magazins „Gazelle“ und Autorin des Buchs „Muslim Girls“ sowie Ahmad Mansour, er ist Diplom Psychologe, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim ZDK und Gruppenleiter des Projekts „Heroes“. Moderator des Abends ist Dr. Jochen Müller, Journalist, Islamwissenschaftler und ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter des ZDK.

Während die ersten sechzig Minuten mit einer Geschichte über eine junge Frau eingeleitet werden, die auf ihrer Suche nach Gott mit vielen Verständigungsproblemen zu kämpfen hat, versuchte Mouhanad Khorchide gegen Ende seiner Redezeit zu vermitteln, dass „…nicht Gott selbst unsere Dienste braucht “ sondern die Menschlichkeit an sich bereits ein Gottesdienst sei. Auch Ferid Heider blieb während seiner Rede auf einer theoretischen Ebene. Erst als sich Sineb El Masrar und Ahmad Mansour gegen Ende mit kritischen Fragen einschalteten, bekam die Podiumsdiskussion eine Dynamik, die man bis dahin vermisste.

„Wie Hedwig Courts-Mahler für Moslems.“

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion ist Zeit für Fragen. Für einige der Zuschauer war die Diskussion enttäuschend. So auch für Hoda A. (22): „Was kommt zuerst, Mensch oder Muslim?“ fragt sie und zieht dabei an ihrer Zigarette. Eine berechtigte Frage, die man sich selbst als neutraler Beobachter zwischendurch stellte. Dabei ließ die provokante Fragestellung, ob Gott den Spaß am Leben verbiete, auf einen spannenden Schlagabtausch von reflektierten Gelehrten hoffen. Oder zumindest auf den Verzicht von überholten und verstaubten Ansichten. Brisante Themen, wie die Enthaltsamkeit vor der Ehe oder die Partnerwahl nach elterlichen Vorgaben, wurden lediglich kurz angeschnitten. Auch die Fragen, wo junge muslimische Mädchen im modernen Islam stehen und inwieweit sie gleichberechtigt sind, wurden nicht beantwortet. Der Gesprächsfokus lag bleischwer auf konservativen Themen, wie die korrekte Deutung verschiedener Suren und deren Aussagen. Natürlich ist eine richtige Auslegung der Texte wichtig, doch das vorwiegend junge Publikum schien sich etwas anderes von der Veranstaltung versprochen zu haben. Schließlich findet man nicht immer die passenden Antworten in religiösen Büchern. Schon gar nicht auf die Fragen der Jugend.

Auch für Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky hatte die Veranstaltung wenig mit dem Alltag in Neuköllner Quartieren zutun, „Fernab der Realität“ nannte er die Diskussionsinhalte. „Diese Veranstaltung ist wie Hedwig Courts-Mahler für Moslems.“ Seinen Erfahrungen nach, sehe der Alltag in vielen muslimischen Familien anders aus, als er hier dargestellt wird. „Natürlich gibt es Unterschiede“, räumt er ein. Allerdings gebe es immer noch zu viele Familien, die am Rande der Gesellschaft leben – und dies auch wollen.

„Neukölln ist meine Türkei“

Wie wachsen muslimische Kinder und Jugendliche in Neuköllner Quartieren auf? Es gibt rund 20 Moscheen und ebenso viele Koranschulen im Bezirk. Häufig scheint es so, als würden arabische, deutsche und türkische Familien zwar neben-, aber nicht miteinander leben. In den Medien heißt es, die unsichtbare Mauer aus kulturellen und sprachlichen Problemen sei der Grund für eine Parallelgesellschaft. Man passe ganz einfach nicht zusammen.

Dass man solche Aussagen ruhig anzweifeln darf, wird einem klar, wenn man sich in den Neuköllner Kiezen umhört. Im Anschluß an die Podiumsdiskussion treffen wir Fatih S., dessen Arbeitstag im Späti gerade erst beginnt. Er ist gebürtiger Neuköllner und lebt seit nun mehr 33 Jahren im Wildenbruch-Kiez. Seine Eltern gehören der ersten Generation türkischer Einwandererfamilien an. Fatihs Eltern kamen allein nach Berlin, ohne Verwandte oder Freunde. Man war gezwungen, sich so schnell wie möglich anzupassen. Sonst blieb man allein. „Das ist heute anders“, behauptet Fatih, der täglich lange Schichten schiebt. „Wir sind mittlerweile so viele, sich anzupassen ist nicht mehr lebensnotwendig“, witzelt er, während er eine neue Lieferung einräumt.

Trotzdem seien die meisten muslimischen Neuköllner bestrebt, den Spagat zwischen der westlichen Kultur und dem Islam zu schaffen. Es sei schwierig und stürze viele der jungen Erwachsenen nicht selten in eine Art Identitätskonflikt. Am Morgen säße man im Deutschunterricht und am Nachmittag in der Koranschule. Am Abend folge das Fußballtraining. Der Alltag ist eine Mischung aus religiösem Reglement, kulturellen Konflikten und dem Anpassen an gesellschaftliche Gepflogenheiten. Trotzdem möchte ein Großteil der muslimischen Kinder und Jugendlichen das Privileg, zwei Kulturen anzugehören, nicht ablegen. Vielmehr versuchen sie, beiden gleichermaßen gerecht zu werden. Für ein multikulturelles Zusammenleben sei Neukölln auf jeden Fall der beste Bezirk, da ist sich Fatih sicher. „Ich bin froh hier zu leben. Neukölln ist meine Türkei.“

Kommentare:

  • Jonny Hunter sagt:

    Nicht Gott sondern deren vermeintliche Vertreter machen uns das Leben schwer.

  • Wenn der Islam wirklich so toll ist, wie uns dauernd von Honorarkräften weisgemacht wird, warum pilgern dann nicht ganze Heerscharen voller Sehnsucht – wie früher nach Woodstock oderPoona – in die islamische Welt, wo sie doch angeblich ein wunderbares Leben nach den Regeln des Koran führen können und Mekka und Medina mit ihren Mauern drum herum janz für sich alleene haben?
    Warum kommen die Moslems von da nach hier?