Drängeln, beschimpfen, prügeln: Fahrradalltag in Neukölln

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Foto: Anke Hohmeister

Bedrängt, angepöbelt und ins Krankenhaus geprügelt. Für Steffen Burger (Piratenpartei) endete eine Fahrt mit dem Fahrrad in einer Verfolgungsjagd. Warum kommt es zu solch einem Vorfall? Burger ist sich sicher: „Weil ich Radfahrer bin“.
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Mittwoch, 11. Mai 2016


Am Montagnachmittag war Steffen Burger, Fraktionsvorsitzender der Neuköllner Piratenpartei, mit dem Rad unterwegs, als an der Hasenheide ein Auto sehr nah an ihm vorbeifuhr und den Weg abschnitt. Burger beschwerte sich mit einem lauten „Ey“ und wies den Fahrer des Pkws an, einen größeren Abstand einzuhalten. Daraufhin versuchte dieser ihn mehrfach durch Hupen und Ausbremsen zum Anhalten zu bringen. Schließlich stellte der Autofahrer den Flüchtenden an einer Ampel vor den Arcarden.

„Ich wusste nicht, wie mir geschah. Ich bekam mehrere Schläge ins Gesicht und wurde über den halben Bordstein geprügelt“, erklärt Burger neukoellner.net. Nachdem er zu Boden fiel, ebbten die Schläge ab. Passanten eilten zu Hilfe und verständigten sowohl die Polizei als auch den Notarzt. Burger wurde direkt ins Krankenhaus gebracht und noch am selben Tag operiert. Die Polizei konnte den 47-jährigen Autofahrer noch am Tatort stellen und ermittelt nun gegen ihn wegen wegen gefährlicher Körperverletzung.

Der Senat muss handeln

Während die polizeilichen Ermittlungen laufen, stehen für Burger die Schuldigen fest: „In Neukölln sind solche Situationen für Radfahrer, wenn auch nicht immer so blutig, leider Alltag“. Wer in Neukölln Fahrrad fährt,  kennt sie, die nicht existenten Fahrradwege des Bezirks. „Die Hauptstraßen Berlins werden vom Senat verwaltet. Hier besteht ein dringender Handlungsbedarf.“ Der Bezirkspolitiker setzt sich schon seit langer Zeit für die Belange der Radfahrer ein und sammelt unter dem Hashtag „#fahrradalltag“ Beschwerden rund um die Neuköllner Verkehrspolitik.

Neukölln das Schlusslicht – London als Vorbild

„Unser Bezirk ist Spitzenreiter, wenn es um mangelnde Infrastruktur geht“, sagt Burger. Damit nicht jede Tour zum gefährlichen Spießroutenlauf werde, sei es daher dringend notwendig mehr Fahrradstraßen zu bauen. London könne man in dieser Hinsicht als Vorbild bezeichnen. In der britischen Hauptstadt gibt es so genannte „Cicle-Superhighways“ – Fahrradschnellstraßen, welche es den Radfahrern erlauben, sich unbehelligt von Autos und Fußgängern in der Stadt zu bewegen. Des Weiteren verweist Burger auf den Berliner Radentscheid und fordert alle Radfahrer auf, sich für eine bessere Infrastruktur in der Hauptstadt einzusetzen. Die Initiative versucht bis Ende Juni, 20.000 Unterschriften zu sammeln, um die Berliner in einem Volksentscheid über eine fahrradfreundliche Verkehrsplanung abstimmen zu lassen.

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Kommentare:

  • Iwan Toride Mybicycle sagt:

    Grandioses Foto – Das Fahrradmassaker!

  • Andre Ottermann sagt:

    Es wirklich beschämend, was man täglich auf Berlins Strassen erleben muss. Allerdings gilt das Gleiche auch für Fahrradfahrer untereinander (gerade letzte Woche wurde ich Zeuge, wie ein studentisch aussehender Typ mit einer jungen Mutter – ebenfalls auf dem Fahrrad – zusammenstiess und beide stürzten. Anstatt sich zu entschuldigen und ihr aufzuhelfen, begann er sie mit einer Schimpfworttirade zu überziehen, die ich hier nicht wiedergeben möchte), Fahrradfahrer gegen Fussgänger (ich glaube jeder Berliner ist schon mindestens einmal vom Bürgersteig gefegt worden oder hat erlebt, wie jemand, der gerade das Haus verlässt, mit hohem Tempo umgemäht wird), und Fahrradfahrer gegen Auto. Gegen Autos zu treten und zu schlagen scheint auch häufiger vorzukommen. Und ob es im oben geschilderten Fall wirklich nur ein „Ey“ war…wer weiss das schon. Die Version des Autofahrers erscheint auch plausibel – was natürlich keinesfalls Gewalt rechtfertigt. Wünschenswert wäre gegenseitiger Respekt zwischen allen Verkehrteilnehmern, wie er z.B. in London oder Los Angeles praktiziert wird, und auch die grossstadtnotwendige Fähigkeit, im Sinne des Flusses auch mal auf ein eigenes Recht zu verzichten. Dann wäre Berlin vielleicht wirklich mal eine Weltstadt.