„Wir haben das selbst in der Hand“

Bei Jazz- und Whiskey-Freunden ist das „Heisenberg“ eine bekannte Größe. Die Bar in der Schillerpromenade gehört Robert Bettendorf, der die Entwicklungen im Kiez differenziert betrachtet. 

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Mittwoch, 30. Mai 2012

2011 eröffnete im ehemaligen Darttreffpunkt „Promenadeneck“ eine neue Bar. Nach einem halben Jahr Umbau war das „Heisenberg“ geboren. Meistens hört man elektronische Chilloutsounds, Jazz oder HipHop aus den Boxen. Regelmäßig finden aber auch kleine Konzerte mit namhaften Jazz-Musikern statt, die man nicht unbedingt in Neukölln erwarten würde.

Hinter dem Tresen von Robert Bettendorf findet man keinen Fusel. Der Kenner entdeckt sofort das gut sortierte Spirituosenregal oder die selbst angesetzten Wodka, die in Kristallkaraffen lagern. Nur das Gewöhnliche, das sollte man im „Heisenberg“ nicht erwarten.

neukoellner.net: Robert, seit wann lebst du in Neukölln beziehungsweise im Schillerkiez?

Robert Bettendorf: Ich bin jetzt fast 5 Jahre hier im Kiez. Der damalige Grund war, daß man noch verhältnismäßig viel Wohnung für wenig Geld bekommen hat. Mittlerweile ist es leider schon so, dass man ’nen 10er pro Quadratmeter zahlt.

Was ist das Besondere am Schillerkiez?

Er ist so schön ehrlich. Natürlich ist dies ein harter Kiez, immer noch, auch wenn man spürt, dass der Wandel, den ganz Berlin erlebt, nicht vor einem so schönen Kiez halt machen wird. Der Schillerkiez hat ein schönes ländliches Flair, welches durch das offene Flugfeld noch freier wird. Das sollte der Kiez sich bewahren.

Wie kam es dazu, dass du deine Bar genau an diesem Ort aufgemacht hast?

Ich wohne hier, ich fühle mich hier wohl und mag den Kiez.  Ich habe mir viele Läden  in der Umgebung angeschaut, aber diese Lage war für mich die vielversprechendste. Der Laden ist traumhaft direkt an der Schillerpromenade gelegen, eine schöne Kreuzung im Zentrum des Kiezes. Hier in Neukölln musst du nicht von Anfang an eine perfekte Location hinstellen, sondern du kannst mit relativ wenig Mitteln und Liebe einen Laden bauen, der sich dann entwickelt, auch mit den Gästen zusammen entwickelt.

Was macht das „Heisenberg“ besonders?

Es ist wahrscheinlich das Verständnis von Gastronomie an sich. Mir ist es wichtig, dass das „Heisenberg“ keine Werbefläche für irgendwelche Firmen ist. Du wirst hier kein einziges Brandung finden, das von Dritten platziert ist. Ich halte es für sehr wichtig dem Gast so viele visuelle Einflüsse wie möglich, die zur endgültigen Wahl des Getränks führen, zu ersparen. Das wird hier, wenn gewünscht durch Beratung erledigt. Ich lege großen Wert darauf, dass das „Heisenberg“ ein ungebrandeter Laden ist und bleibt. Allerdings  begegnen wir diesem Markenwahn mit Alternativen. Anstatt z.B. diesen bekannten Kräuterschnaps anzubieten, setzen wir schöne Wodka an, die wir auch in unseren Longdrinks verwenden. Aber prinzipiell gilt: Hier wird nix verkauft, hinter dem wir nicht stehen.

Ihr veranstaltet mittlerweile immer sonntags Live-Free-Jazz Abende. Was erwartet mich da?

Du bekommst für kaum Geld ein hochkarätiges kulturelles Angebot. Woanders würdest du für ein Konzert in der Qualität 20-30€ bezahlen. Wir versuchen das, mit einer Ansage vor dem Konzert, in der wir klarmachen, dass das Konzert mindestens fünf Euro kostet, zu realisieren und bauen darauf, dass die Gäste, die können, dann auch ein paar Euros mehr in die Kasse stecken. Aber es sind natürlich auch alle Interessierten willkommen, deren finanzielle Lage vielleicht nur kleine Beträge oder auch mal gar nichts zulässt. Wir schliessen sicherlich niemanden mit einer Kasse an der Tür  aus, der Bock auf Free Jazz hat, aber sich dann wegen fünf Euro nicht in den Laden traut. Ich find das unheimlich wichtig, weil es einfach Musik und Kultur ist! Wir hatten das Glück, dass über einen Freund einige nahmhafte Jazzmusiker an uns herangetreten sind, die im „Heisenberg“ und unter den Vorraussetzungen, die wir anbieten können gerne auftreten, und somit ein Programm haben, das in Berlin etwas Besonderes ist.

Was bietet der Laden an Abenden ohne Konzerten oder unter der Woche?

Es gibt eine gemütliche Umgebung, wo man für günstiges Geld hochwertige Spirituosen und gute Biersorten genießen kann. Ich habe verschiedene richtig gute Whiskeysorten. Jetzt im Sommer wollen wir tagsüber Kaffee und Kuchen anbieten und auch mal Grillen, wenn es die Zeit und das Wetter erlaubt. Am Wochenende kommen hier DJs und freitags und samstag werden wir zukünftig immer wieder auch hochkarätige Live-Gigs haben.

Wie geht es mit dem „Heisenberg“ weiter?

Da wird sicherlich noch einiges passieren. Irgendwann plane ich eine Küche, da ich ja selbst aus dem Bereich komme und dann würde ich gerne einige Kleinigkeiten anbieten. Etwas, das zum Kiez und dem Durchschnittsgedbeutel hier passt, aber denoch hochwertig und gut ist.

Was erwartest Du an Veränderung im Schillerkiez?

Der Kiez bewegt sich, ganz klar, aber man weiss nicht wohin. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Immobilienhaie die Entwicklung aber auch wieder abwürgen, wenn Sie den Hals nicht voll kriegen, und das ganze dann vielleicht sogar wieder rückläufig wird, was ich nicht hoffe. Veränderung ist ja nicht per se schlecht, man muss nur das Beste daraus machen. Ändern kann man es eh nicht. Wenn hier die IGA kommt und die Bebauung auf dem Tempelhofer Feld losgeht, dann wird hier sicherlich viel passieren. Aber wie gut und vor allem wie nachhaltig das dann sein wird, das sei mal dahingestellt.

Freust Du Dich darauf?

Es lässt sich wohl nicht verhindern. In dem Fall müssen wir uns drauf freuen, weil verändern wird es sich so oder so. Das Gute ist, dass wir jetzt schon hier sind, die Bewohner, die kleineren Betriebe, wir haben es in der Hand. Er muss nicht versnobben, wie von manchen befüchtet. Wir können das hier alles noch selbst gestalten!

Am Tresen im Heisenberg

The Great Heisenberg
Schillerpromenade 11
täglich ab 12 Uhr