Von Haaren und Buchsbäumen

Wir haben den Haarnomaden Semih Usta getroffen und zum Interview direkt selbst getestet. Sehr zu empfehlen! Warum? Wegen des angewandten Buchsbaumprinzips in der Privatsphäre. 

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Dienstag, 28. August 2012

Hallo Semih, Du bist der Haarnomade und hast mir gerade die Haare geschnitten. Wie bist du Haarnomade geworden?
Wenn man die Arbeitssituation unter den Friseuren betrachtet, den Preisdruck, vor allem wenn man angestellt ist und das große Angebot, gab es für mich nur den einen Weg: Der Haarnomade werden.

Du hast dir deinen „freien“ Arbeitsplatz also selbst geschaffen?
Der ist dadurch entstanden, dass ich immer mehr Freunden die Haare geschnitten habe, bei ihnen zu Hause und irgendwann dachte ich: Das mach ich jetzt zu meinem „Geschäft“. Nicht mehr nur als Hobby zum Dazuverdienen.

Hast du einen eigenen Schneidestil?
Man könnte ihn den Buchsbaum-Stil nennen. Wenn die Haare auf dem Kopf machen was sie wollen, wie die Äste eines Buchsbaums, dann schneidet man sie in ihre eigene Form, anstatt das Ganze umzubiegen. Das werden Frisuren, die natürlich sind und fallen – keinen großen Aufwand machen, für Leute, die eher wenig Zeit haben.

Ah-ha. So wie jetzt auch: Es ist 23 Uhr. Wir sind vor einer halben Stunde fertig geworden.
Ja, jetzt haben wir Feierabend (lacht).

Gibt es ganz besondere Kunden?
Alle sind besonders, weil man zu ihnen nach Hause kommt und sie in ihrer Privatsphäre kennenlernt. Menschen, die sich darauf einlassen, sind meistens schon die Interessanten. Einen ganz Besonderen hab ich noch nicht gefunden. Obwohl. Jetzt gerade hat jemand angefragt, ob ich ihm auf dem Tempelhofer Feld die Haare schneide. Und einer wollte wissen, ob wir uns auf einem der Schiffe auf der Spree treffen können. Da bin ich schon gespannt drauf.

Würdest Du das Geschäft mit einem Partner teilen?
Im Moment möchte ich es alleine führen, aber am Ausbauen bin ich schon. Ich genieße es gerade neue Leute kennenzulernen und meine eigenen Erfahrungen zu machen. Zum Teilen bin ich noch nicht weit genug, aber mal sehen wie es sich entwickelt.

Wie lange lebst Du in Neukölln?
Erst drei Jahre.

Warum gerade Neukölln?
Im Prenzlauer Berg, wo ich am Anfang gelandet bin, hat mir das Eigene gefehlt. Hier ist mehr Leben, die Vielfalt ist größer. Es hat sogar was von Heimatgefühl.

Was ist dein Lieblingsort in Neukölln?
(Er zögert)

Schweigen?
Ja, es gibt sehr viele schöne Orte: am Richardplatz bin ich unheimlich gern. Aber der Weg von der Hermannstrasse zum Tempelhofer Feld, der durch den St. Thomas Kirchhof II an der Flugsicherung vorbei führt – ich glaube das ist mein Lieblingsort! Das ist verdammt schön, wenn man da durchläuft und dann auf das offene weite Feld blickt, bevor man es betritt. Das müsst ihr mal selber testen!

Welche Sprachen sprichst du?
Deutsch, Türkisch und Englisch.

Angenommen Du hättest einen Wunsch frei, welcher wäre das?
Da muss ich jetzt wieder schweigen. (Er grinst wieder)

Ok, Schweigen angenommen.

Vielen Dank für das Gespräch – war mir eine Ehre. Ach ja, was kostet eigentlich ein Besuch von dir?
23 EUR – in Neukölln und Kreuzberg. Außerhalb davon 4 EUR Anfahrt.

Das Interview führte Andie Kraus. Wer sich selbst vom Haarnomaden eine neue Frisur verpassen lassen möchte, kann hier Kontakt aufnehmen.