neukoellner.net: Bernd, du spendest Samen bei der Berliner Samenbank. Wie bist du auf die Idee gekommen und aus welcher Intention heraus?
Bernd Sichel: Die Idee Samen zu spenden, hatte ich schon sehr lange, auch als ich noch in Köln gewohnt habe. Ich wollte das vorwiegend aus finanziellen Gründen machen und weil es keine schwere Arbeit ist, die gut bezahlt wird. In Köln konnte ich allerdings nicht spenden gehen. In Berlin habe ich die Werbung der Samenbank in der U-Bahn entdeckt und habe mich dann bei denen gemeldet. Ich dachte mir: Wieso nicht mal ausprobieren? Es hat ja auch tatsächlich geklappt. Und seit zwei Jahren bin nun dabei, allerdings werde ich auch nicht mehr so lange spenden können.
Warum?
Ich vermute, das hat inzestuöse Gründe. Ich bin jetzt bei meinem letzten Zyklus angekommen. Es kann bis zu 33 Zyklen für den Spender geben. Eine Abgabe entspricht zwischen drei bis sechs Proben. Pro Abgabe bekomme ich 105 Euro, allerdings wird die Summe gesplittet überwiesen. Zunächst bekomme ich 35 Euro als Aufwandsentschädigung und nach einer sechsmonatigen Quarantäne. Die ist Pflicht, um Infektionskrankheiten als Risko für die Empfängerin auszuschließen. Danach bekomme ich die restlichen 70 Euro von der Samenbank. Die Überweisungen gingen immer dann auf mein Konto ein, wenn ich die damaligen Studiengebühren bezahlen musste. Das hat natürlich vieles für mich vereinfacht.
Du lebst in einer Partnerschaft. Was sagt deine Freundin dazu, dass du fremden Paaren deinen Samen quasi zur Verfügung stellst?
Die größte Sorge, die sie hat und die ich auch teile, ist, dass irgendwann mal Kinder bei mir vor der Tür stehen könnten, die durch meine Spermien auf die Welt gekommen sind. Das ist in Deutschland juristisch noch nicht einwandfrei geregelt. Und im schlimmsten Fall, wollen dann diese Kinder Unterhalt von mir. Bisher gab es solch einen Fall noch nicht und ich mache mir da jetzt auch keine großen Sorgen drum. Allerdings entscheiden Gerichte ja oft zu Gunsten des Kindes und sollte eines, das von mir abstammt, auf der Straße leben, könnte ich mir vorstellen, dass man mich dann dafür haftbar macht. Die Tatsache allerdings, dass ich in einer Kammer sitze und onaniere, stört meine Freundin nicht.
Klärt die Samenbank denn ihre Klienten auf?
Ja, das tut sie. Man hat mir gesagt, dass die Samenbank verpflichtet sei, in gewissen Fällen meinen Namen zu nennen. Das ist in anderen Ländern nicht so.
Wie haben Familienmitglieder und Kommilitonen auf deinen Nebenjob reagiert?
Meine Eltern wissen nichts von dem Samenspenden. Allerdings Freunde von mir wie mein bester Freund, mit dem ich viel über das Thema diskutiere. Speziell über den hypothetischen Fall, dass ich mal Alimente für ein Kind zahlen müsste. Lustig fand ich aber neulich seinen Kommentar, dass ich aus genealogischer Sicht her alles richtig gemacht habe. Denn sollte ich nie Vater in einer Beziehung werden, habe ich mein tolles Erbgut ja schon verteilt. Für meine Kommilitonen ist es natürlich ein interessantes Thema. Einige meinten: „Ach, das klingt ja nach einfach verdientem Geld!“ Aber bisher hat sich keiner von denen dazu durchgerungen, sich dort vorzustellen und den Job auch zu machen.
Hat das Spenden Auswirkungen auf dein Sexualleben?
Ja, sogar sehr unangenehme Auswirkungen. Bei der Samenbank, bei der ich bin, heißt es, dass man drei Tage vorher keinen Samenerguss haben darf. Das heißt, dass wir drei Tage in der Woche Pause machen müssen. Und die können dann ganz schön lang sein. Aus diesem Blickwinkel ist es doch sehr hart verdientes Geld.
Erinnerst du dich noch an deine erste Spende? Wie war die für dich?
Es war tatsächlich schwieriger als gedacht. Das liegt an der fremden Umgebung. Und irgendwie ist es dort auch immer sehr warm – zu warm für mich. Es gibt zwei Räume, ausgestattet mit je einem Urinal, wenn man mal muss. Dann gibt es noch ein Waschbecken und einen sehr bequemen Sessel. Das Ganze hat nichts von einer engen und stickigen Kabine. Und dann liegen dort natürlich Zeitschriften aus und es gibt Videos, die auf einer Festplatte gespeichert sind, die man sich auf einem Fernseher anschaut. Es dauert etwas, bis man das richtige Heft oder das richtige gefunden hat, das einen auch anspricht und akzeptabel ist. Am schwierigsten war wirklich die ungewohnte Umgebung. Damals musste ich zunächst eine Probe abgeben, die untersucht wurde, ob auch alles gut ist. Allerdings musste ich damals bis zu drei Probespenden abgeben. Da war ich natürlich etwas verdutzt drüber. Ich dachte: Ist dein Samenerguss jetzt vielleicht doch nicht gut genug? Aber letztlich war alles in Ordnung und ich durfte spenden.
Wenn dir die ausgelegten Zeitschriften nicht zusagen, darfst du eigenes Material mitbringen?
Das weiß ich gar nicht. Habe ich nicht erfragt. Ich habe zumindest meine eigenen Videos auf dem Handy mitgebracht.
Wie viele Babys sind denn durch deine Hilfe schon auf die Welt gekommen? Weißt du das?
Nein, das weiß ich leider nicht. Ich weiß auch nicht, ob meine Spermien überhaupt schon mal verwendet wurden. Ich denke aber schon, immerhin haben sie an mich schon viel Geld gezahlt.
Wärst du offen dafür, das ein oder andere Kind kennen zu lernen?
An sich habe ich kein Problem damit – ich wäre sogar neugierig darauf, die Person zu treffen. Allerdings wird es noch viele Jahre dauern, bis die Kinder geboren werden und dann auch noch erwachsen sind.
Wie musst du dich und deine Spermien fit und gesund halten?
Nach meiner ersten Spende gab es eine Nachuntersuchung, weil es Probleme mit der Menge gab. Daraufhin habe ich gefragt, was ich besser machen könne. Aber das Personal konnte mir keine Ratschläge geben. Ich hatte an dem Morgen viel getrunken und viel Rührei gegessen. Ob das jetzt die Patentlösung war, weiß ich nicht. Generell sollte man gesund leben und kein Drogen- oder Alkoholproblem haben. Aber ich habe jetzt keinen Plan von denen in die Hand gedrückt bekommen, auf dem steht, was ich essen soll, was nicht und ob ich jetzt jeden zweiten Tag ins Fitnessstudio rennen muss.
*Name von der Redaktion geändert
Das Interview ist erstmals am 20. Januar 2015 auf neukoellner.net erschienen.
Kommentare:
„Kommen Sie bei uns…“ steht ganz groß auf der Website der Berliner Samenbank. Erst dachte ich, das müsste doch „kommen Sie zu uns…“ heißen, aber nach der Lektüre des Artikels scheint das schon alles richtig so zu sein 😉