Neuköllnkassette #10: Attilla Sökmen

Foto: Attilla Sökmen / Privat

Als Lustmacher auf unsere „Mandaloom“ Feier, die heute Abend im Keller Neukölln steigt: Ein neues NK-Mixtape. Attilla Sökmens Sound ist wie ein Basar des Orients – satt gefüllt mit allem, was die Musik von Kairo bis Istanbul zu bieten hat. Deren Reichtum bringt der DJ aus Neukölln unter einen Hut – mit seinen Mixes der Partyreihe „Sultanallee“. Wer sie entlangschlendert, kann von alevitischer Gottesdiensmucke kosten, begegnet dem türkischen Pop-Rock der „sorglosen Zwillinge“ oder lernt Umm Kulthum kennen, die „Mireille Mathieu des Orients“

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Freitag, 7. April 2017


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„Sultan“ – das Wording hört sich nach chefigem Ghettorap made in Neukölln an…
Ganz und gar nicht Sultan meint hier jemanden der vermittelt und ausgleicht, wie im Millet-System bei den Osmanen.

Millet-System?
Mir viel auf, dass ich bei meinen Platten dazu tendiere, Musik aus jenen Kulturen zu sammeln, die früher das Osmanische Reich ausmachten – Ägypten, Israel, Griechenland, aber auch Sounds vom Balkan, sowie aus Ungarn. Das Osmanische Reich bestand aus den so genannten „Millets„. Das waren Gemeinswesen, in denen sich die Menschen nach ihrer relgiösen-ethnischen Zusammengehörigkeit organisierten. Dort lebten sie nach ihren eigenen Gesetzen, so lange es nur die eigene Gruppe betraf. Der Sultan war nicht nur Herrscher, sondern Schiedsrichter, der das Zusammenspiel der unterschiedlichen Lebensformen ausbalancierte. Das trifft meinen Anspruch beim Musikmachen: Ich will Stile gleichberechtigt zusammenbringen, so dass die Leute sich in meiner Musik wiederfinden und Spaß haben beim zusammenkommen und tanzen. Deswegen „Sultanallee“.

Wie bist Du auf diese Orient-Schiene gekommen?
Über einen Istanbultrip 2012. Bis dahin hatte ich mir türkische Musik kaum bis gar nicht erschlossen. Wenn ich in der Plattensammlung meiner Eltern stöberte, fand ich dort Tony Holiday aber keinen türkischen Künstler. Die Feierstunden in Istanbuler Wohnblock-Clubs haben das geändert.

Sind das eine Art privater Klubs?
In der Türkei darf im Umkreis von 500 Metern um eine Moschee herum kein Alkohol verkauft werden. Da es gerade in Städten viele Gotteshäuser gibt, wird das Eröffnen von Klubs schwierig. Deswegen finden sich viele in flächigen Wohnkomplexen, die kein „Bann-Radius“ einer Moschee, die sich am Rande befindet, völlig abdeckt.

Zurück in Deutschland ging das Musik Produzieren dann los?
Genau. Ich fing auch an, mir genauer anzuschauen, was deutsch-türkische Künstler so machen. Ein paar Tipps: Hört euch mal die Sets von „Kabus Kerim“ an; einem der Gründer von „Cartel„, der ersten bekannten türkischen Rap-Combo Deutschlands. Auch ein Guter: „Mehmet Arslan„. Eine weitere Empfehlung, die ich zudem auf die Neuköllnkassette gepackt habe: Das Duo „Derdiyoklar„, was auf Deutsch „die sorglosen Zwillinge“ heißt. Ihr Song „Liebe Gabi“ ist eines der ersten Stücke türkischer Migrantenmusik, indem sie das verkrampfte Verhältnis von türkischen Einwanderern und Deutschen durch den Kakao ziehen. Aus meinen Istanbul-Eindrücken entstand dann 2012 mein erstes Mixtape „Turkish Wave“.

Kam das gleich an?
Ich war zufrieden. In acht Monaten hatte ich immerhin tausend Likes. Überraschenderweise waren zahlreiche Israelis unter denen, die mir positives Feedback gegeben haben. Das irritierte mich zuerst. Aber ich kam dahinter, warum das so ist. Viele waren Fans der Band „Boom Pam„. Mein Orient-Mix trifft den Stil dieser in Israel superbekannten Truppe, die Folk aus Griechenland, dem Balkan oder aus Arabien mischt. Dieses konstruktive Verbinden von Kulturen über Musik finde ich bestens, und hat mir Schwung gegeben, das Musik Produzieren in dieser Richtung weiter zu machen. Zu Neukölln fällt mir da auch noch ein plakatives Beispiel ein.

Wir sind gespannt…
Wer durch Neukölln läuft und darauf achtet, wird merken, dass einige Döner- und Shishaläden „Umm Kulthum“ heißen. Die Betreiber verehren dann sicher die ägyptische Sängerin, die so heißt und überall in der Levante beliebt ist – eine Art „Mireille Mathieu des Orients“. Um hier wieder an das Beispiel Israel anzuknüpfen. Lieder Umm Kulthums werden auch dort sehr gerne gehört, meist über Coverversionen israelischer Pop-Stars. Die Songs wurden teils verboten, aber ohne Erfolg.

Zurück auf die „Sultanallee“ – Wer Lust auf Attila Sökmens Orient-Sound hat, wo trifft er Dich?
Mit „Sultanallee“ lable ich meine Open-Air Partyreihe; die jetzt mit dem Frühling wieder startet. Irgendwo und überall in Berlin suche ich mir ein entspanntes Plätzchen und lege dort dann auf, kurz vorher angekündigt über den Facebook-Auftritt von „Sultanallee“. Wer Lust hat, einfach diesen abonnieren. Ansonsten sind in Neukölln das „Silver Future“ und „Donau 115“ , in Kreuzberg das „Mysliwska“ Locations, in denen ich häufiger auflege.

Noch mehr von Attilla Sökmen gibt es hier auf Soundcloud

 

 
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