Diesmal führen sie der Penis-Skandal bei Dalli Dalli und eine Gegengeschlechterwahrnehmung an Heiligabend zu einem Exemplar der seltenen Spezies Traumpaare: die Künstlerin Danielle De Picciotto und ihr Mann, der Musiker Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubauten.
Was hatte das zu bedeuten? Ein Vorzeichen für das sich ankündigende neue Jahr? Licht am Ende des Tunnels? Sexy Iepe Rubingh, der schachboxende Holländer hatte in der letzten Show statt, wie gefordert, eines Simi-Will-Portraits, ein großes männliches Geschlechtsorgan zu Papier gebracht. Verlegen lies ich das Ding in die Kamera halten – damit hatte ich nicht gerechnet und im Kontext von Dalli Dalli hatte es bis dato auch keinen vergleichbaren Skandal gegeben.
Sicherheitshalber ließ ich meine Brille neu dioptrinisieren, um mir die Welt des Gegengeschlechtlers wieder genauer ansehen zu können. Nach einer langen Zeit der „Stimulation durch Verzicht“ wollte ich meine Studien wieder aufnehmen. Gibt es sie vielleicht doch: Traumpaare?
Sofort wurde mir klar: ein langer steiniger Weg liegt vor mir. Erste Gegengeschlechtlerwahrnehmung: Mein Schwager Claus an Heiligabend. Er hat sich verschiedene Biografien downgeloadet und schlägt vor: „Lasst uns das mal anhören.“ Wir liegen auf der Couch rum und es ertönt:
Unfassbar! Heino. Das kann doch nicht wahr sein? Ich bin begeistert, wie ultra entspannt Heino daherkommt. Und wie der redet?! Für einen kurzen Moment fehlen MIR(!) die Worte. Ich bin fasziniert von Heino. Ganz zu schweigen von seiner resoluten, selbstbewussten, fast angsteinflössenden Partnerin Hannelore. Es gibt sie also doch: Das ist ein Traumpaar – keine Frage. Fassungslosigkeit stellt sich ein, aber auch ein bisschen Hoffnung und Vorfreude – auf was auch immer. Ich beschloss mich in der kommenden Schaffensperiode eingehender mit diesem Phänomen zu befassen.
Die Zusage von Danielle De Picciotto stand kurz vor Weihnachten. Ihre USA-Tour mit Hacke wäre Mitte Januar beendet und sie wäre zum Showtermin sogar zufällig in Berlin. Ich freue mich!
„We are Gipsies now“
Danielle und ihr Mann, der Musiker Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubauten sind seit 2010 quasi ohne festen Wohnsitz. Eine gemeinsame Entscheidung hatte das Paar bewogen ihr Hab und Gut einzuschrumpfen, ihre Kulturhomebase Berlin aufzugeben und auf die Suche nach einem neuen Ort zu gehen, an dem Ihre Kunst sich weiterentwickeln kann.
Danielle beschreibt es in etwa so: Berlin war inzwischen zur Touristenfalle mutiert, die Invasion der Immobilienhaie war selbst im Wedding spürbar angekommen. Das Klima wurde zunehmend kunstfeindlich und die Stadt ergab sich mit dem Slogan „arm aber sexy“ unter die Fittiche der Immobilienbranche.
Die kulturelle Aufbruchsstimmung und die kreative Energie der 1980er Jahre war längst dahin. Berlin war dabei sich und seine besondere Kultur ganz dem Kapitalismus unterzuordnen. Sie habe sich zusammen mit ihrem Mann wie gelähmt gefühlt – ihre Kunst brauchte ein neues Zuhause. Nach sämtlichen Staffeln „Game of Thrones“ schauen (aus Verzweiflung!), hatten beide genug: Es musste was passieren.
Sie gaben ihr Heim im Wedding auf, um auf der ganzen Welt nach einem neuen Ort für ihr Schaffen zu suchen – nur weg aus der Stadt, in der kaum mehr kreatives Arbeiten möglich schien. Bis heute sind die beiden rund um den Globus unterwegs und haben noch immer kein neues Zuhause gefunden. Das Nomadenleben hat ihre Welt verändert und die Sicht auf die Welt. Wie es sich anfühlt, sich von fast allem Kram zu trennen und wenn aus 800 Umzugskartons voller Erinnerungen, Hab und Gut nur noch wenige eingelagert übrig bleiben, beschreibt Danielle De Pizzicato in ihrem Buch „We are Gipsies now“.
„Boah, DEN hätte ich gerne als Opa!“
„Wer wird denn der männliche Gast sein?“, fragt mich Danielle De Picciotto gleich zu Beginn des Drehs. „Ist noch im Unklaren“, muss ich leider gestehen. Aber da ich verdammt clever bin, kommt mir sofort eine geniale Idee. „Vielleicht hast Du ja Lust Deinen Mann mitzubringen?“ „Warum nicht?“, entgegnet sie. Ich bin begeistert, denn Alexander Hacke ist ein Name, der nicht nur in Berlin von großer Tragweite ist.
Nach der Begegnung mit Hacke – sehr wohlwollend, offen und ein ganz großer Erzähler – ist mein 18-jähriger Kameramann Luis derart begeistert, dass er auf dem Rückweg im Auto sagt: „Boah, DEN hätte ich gerne als Opa!“ – „MOMENT, Hacke ist mein Alter, mach mal langsam“, erwidere ich aus Selbstschutz. Und mir ist sofort klar: Hier habe ich mein Traumpaar Nummer zwei vor mir.