Fotos: Anke Hohmeister
Die Uhr tickt. Unaufhörlich schreitet die Zeit voran. Und alles, was den beiden Superhelden bleibt, ist Warten. Warten auf den Tod. Dazwischen Arzt, Essen, Bingo. Arzt, TV, Essen. Arzt, Kegeln, Sommerfest.
Alles schreit nach Depression, doch gleichzeitig bringen die beiden Performerinnen von BRAND – Verein für theatrale Feldforschung e.V. viel Humor auf die Bühne mit. Sie sitzen mit schreiend bunten Superheldenkostümen an einem Tisch, zwischen Pappvorhang, Pappbesteck und Pappeinhorn, und streiten sich um Süßigkeiten – das einzig Echte in dieser seniorenbeigen Welt aus Pappe.
Rettung naht
Episodenhaft brechen Sie aus dieser Langeweile aus und illustrieren die Superkräfte, die alte Menschen aufbringen müssen, um ihren Alltag zu bewältigen. Der Bewegungsradius wird kleiner, die Hände zittern, sie sind auf die Hilfe fremder Menschen angewiesen. Während die eine also mit pinkfarbenen Fußfesseln und Reifrock umständlich über die Bühne tänzelt, brumm-brumm-brummt die andere mit ihrer Geh-Hilfe vorbei. In einer anderen Episode schafft die Pflegerin es, erst im Handstand der leidenschaftslosen alten Dame ihren Gaffa-Tape-Stiefel überzuziehen. Dazwischen halten sie Sprachblasen in die Höhe: „Kreisch“, „seufzh“, „Rettung naht“.
In Richtung Tod
>Bei der Entwicklung der Performance sprach BRAND mit Bewohnern des Seniorenpflegeheims Casa Reha über ihreLebensrealität. Leider sind diese Gespräche nicht öffentlich ausgestellt, denn so viel Tragik will man nicht glauben. Während man im Laufe der Performance den Alten näherkommt, schiebt man das Alter weit von sich. „Irgendwann fliegen wir weg von hier.[…] Ich kann nicht mehr“, singt die Dame im Reifrock ihrem eingesperrten Vögelein zu. Vorher verzaubert sie in einem Parkison-ähnlichen Anfall die Uhr. Sie dreht die Zeit nicht zurück, sondern weiter in Richtung Tod.
Neukölln Arcaden 1.OG Labor: Urbanes Altern (FLU-11), Karl-Marx-Str. 66, So 14, So 17 & Seniorenpflegeheim CASA REHA (WILD-08), Roseggerstr. 19, Sa 15:30