Für immer Bank

„000011000“ von Ekaterina Burlyga in der Ausstellung in der alten Sparkasse.

In der alten Sparkasse in der Karl-Marx-Straße läuft die Ausstellung „Bank, Blank“ anlässlich des zwanzigjährigen Jubiläums des Festivals „48 Stunden Neukölln“. Eine Besuchstour durch ehemalige Geldautomatenschächte und meterdicke Tresortüren.

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Freitag, 22. Juni 2018

Das ist mal eine Bank! Vor dem inneren Auge spielen sich Szenen ab, wie Menschen in schicken Kostümen unter der Kuppel im Entrée vorbeischreiten und vom geschäftigen Treiben des großen Saals mit den Oberlichtern und der Holztäfelung empfangen werden. Ganz im Zentrum die quadratische Uhr mit dem weißen Ziffernblatt und den eleganten Zeigern.

Nun steht die Bank leer. In einer Ecke des großen Saals schweben pralle, silberglänzende Luftballonlettern. Hintereinander aufgereiht bilden sie „I believe in you“, bis ein Mann seine Sporttasche auf einen der dünnen Schnüre legt, die verhindern, dass die Ballons sich endgültig im Saal verlieren. Das zweite „e“ scheint nun etwas entrückt. (Später ist es das „I“.) Dabei kleben kleine Heftnotizen als Fähnchen um die Schnüre, sodass sie nicht ganz von der Kulisse hinter ihnen verschluckt werden.

„I believe in you“ von Mark Clare.

Ece Pazarbaşı und Stephan Klee, die beiden Kurator*innen der Ausstellung „Bank, Blank“, schmunzeln. Irgendwie ist ihnen bewusst, dass die Ballons vielleicht nicht bis zum Ausstellungsende durchhalten werden und es gefällt ihnen, so etwas Ungewisses unter den 24 Arbeiten zu wissen, die die blanke Bank temporär in einen Ausstellungsort verwandeln.

Kapital vor Individuum

Ece Pazarbaşı mit ihren pinken Strähnen in den dunklen Haaren erzählt über die Skulptur von Mark Clare. Es sei etwas sehr Persönliches, zu sagen „Ich glaube an dich“. Die Banken und der Kapitalismus jedoch würden nicht an die einzelnen Individuen glauben, sondern nur ans Kapital. Der Satz „I believe in you“ will also so gar nicht in die Räume einer alten Bank hineinpassen. Gleichzeitig wirkt es, als wolle jemand dieser verlassenen Bank, die ihrer Funktion entraubt wurde, weil sie wohl ihrem eigenen Glaubensansatz unterlag, sagen: Ich glaube trotzdem an dich.

Die Kurator*innen jedensfalls haben an sie geglaubt und führen nun vom großen Saal aus in den Teil des Gebäudes, in dem einst die Geldautomaten standen. Stephan Klee schließt die Glastür hinter sich ab und meint – wieder mit einem Schmunzeln: „So, we are safe now“. Er und seine Kollegin haben sich während den Vorbereitungen der Ausstellung daran gewöhnt auf Englisch miteinander zu sprechen. Ece Pazarbaşı hat bereits in verschiedenen Ländern gearbeitet und auch die Ausstellung in der alten Sparkasse vereint internationale Künstler und Künstlerinnen.

Der menschliche Körper als letzte Echtheits-Ressource

An der Stelle der Geldautomaten klaffen nun niedrige Durchbrüche in der Wand und dort, wo sich die Kunden in einer Schlange aufstellen konnten, steht jetzt die Videoinstallation „Waiting“. Sie zeigt zwei Kellnerinnen mit Tabletts voller Sektgläser. Neben ihnen auf dem Boden liegen Glasscherben verstreut. Während Stephan Klee gerade noch über den menschlichen Körper sinniert, fängt die eine Kellnerin im Video an zu zittern und lässt das Tablett mit den vielen Gläsern fallen. Der Kurator freut sich über den Effekt zur richtigen Zeit, denn in der Ausstellung finden neben materiellen, berührbaren Objekten und nicht-berührbaren digitalen Dingen auch der menschliche Körper und seine Materialität einen Platz. Für Stephan Klee ist er die letzte Ressource, um zu erkennen, was echt ist oder nicht. Doch dazu später mehr.

Den Kopf etwas geduckt, geht es weiter durch die Durchbrüche in der Wand. Bildschirme auf Augenhöhe warten dahinter, schallendes Lachen klingt aus ihren Lautsprechern und mischt sich mit dem Rauschen der Luftschächte. Geruch von kaltem Putz macht sich breit, hier und da liegt Staub und Bauschutt. Die Sparkasse war im Dezember aus den Räumlichkeiten ausgezogen, doch die alte Bank haftet an ihnen und wird sie vermutlich nie verlassen. Das fast schon prunkvolle Erscheinungsbild hat durch den Baustellenchic nicht an Glanz verloren, die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen haben sich längst durch die meterdicken Tresortüren gefressen.

Das Herz der alten Bank

Spätestens bei den Geldscheinen, die von der Künstlerin Ekaterina Burlyga mit Säure behandelt und im kleinen Tresor auf Regalbrettern aufgestellt wurden, steht fest, dass die Bank selbst als Ausstellungsort irgendwie eine Bank bleibt. „We couldn’t fight with it“, sagt Ece Pazarbaşı. Sie mussten für die Ausstellung nutzen, was sie vorfanden und haben so wenig wie möglich verändert. „Challenging“, sei das gewesen.

„Snow White“ von Pilvi Takala.

Das Motto der diesjährigen „48 Stunden Neukölln“ lautet „neue Echtheit“. Dafür mussten sich die Kurator*innen erst einmal auf das passende Äquivalent auf Englisch einigen. Ihre Wahl fiel auf „authenticity“. Aber was ist denn eigentlich echt? Stephan Klee nimmt dazu das Beispiel eines Stuhls zu Hilfe. Deuten seine physikalische Beschaffung, seine Form, sein Name und dazu seine Funktion auf einen Stuhl hin, handelt es sich vermutlich um einen Stuhl. Doch, dass das mit der Echtheit nicht immer so einfach ist, zeigen die ausgestellten Werke.

„Two Times Material“ von Barbara Müller.

Da sind zum Beispiel die Installationen „Two Times Material“ von Barbara Müller. Zwei auf den ersten Blick gleich erscheinende Arbeitstische, bei denen bei näherer Betrachtung, wie bei einem Suchbild, Unterschiede auffallen. Die Maserung dieses Tellers ist ein bisschen blaulastiger, als die des Tellers auf dem anderen Tisch. Das seltsame Gebilde vom Bleigießen ist viel breiter, das Gelb des Garns ein bisschen senfiger. Oder ein Schneewittchen – na gut, die finnische Künstlerin Pilvi Takala –, das vorm Disneyland in Paris steht und nicht hineindarf, weil es nicht das echte sei.

Oder auch die Uhr, die da so zentral im Saal mit den Oberlichtern und der Wandtäfelung hängt, als wäre sie das Herz der alten Bank, die irgendwie keine mehr ist und irgendwie eine bleibt. Es ist die „Weltzeituhr II“ von Ingo Gerken, deren Doppelpendel nicht im Traum daran denken die Zeit anzuzeigen, sondern sich manchmal wie wild überschlagen und irgendwie nichts mehr Sinn ergibt.

Ausstellung „Bank, Blank“, Alte Sparkasse, Karl-Marx-Str. 107, 12043 Berlin
Öffnungszeiten:
Freitag,  22.6 19 Uhr bis Samstag, 23.6 2 Uhr
Samstag, 23.6 12 Uhr bis Sonntag, 24.6 2 Uhr
Dienstag, 26.6. bis Sonntag, 1.7: 12 – 18 Uhr

Das Kunstfestival „48 Stunden Neukölln“ findet vom 22. bis 24. Juni an vielen verschiedenen Orten im Bezirk statt und steht in diesem Jahr unter dem Motto: „Neue Echtheit“. Der Neuköllner ist Medienpartner.