Nach 20 Jahren…
Es ist im Jahr 2029. Ich bin 30 Jahre alt. Ich komme aus der Grundschule, in der ich als Lehrerin arbeite. Es ist Hofpause und ich beaufsichtige die Schüler. Die Kinder rennen aus ihren Klassen raus, stürmen ins Treppenhaus und öffnen die Tür, die in den Hof führt. In zwei Minuten ist der ganze Hof voll. Ein paar Mädchen, in deren Klasse ich unterrichte, kommen zu mir. Sie fragen mich nach den Hausaufgaben, ich antworte ihnen.
Da erinnere ich mich an meine Vergangenheit, als ich meine Lehrerin mit ewigen Fragen zu Tode nervte.
Ich schicke die zwei zu ihren Freundinnen, damit sie die Hofpause genießen können. Als sie weg sind, versinke ich in meinen Gedanken, in der Vergangenheit, in meiner früheren Zeit, als ich eine Schülerin war. Eine Kollegin reißt mich aus meinen Gedanken. Ich bin wieder in der Realität. Meine Kollegin redet auf mich ein: „Hey… Hallo… Was ist denn mit dir los? Du bist ja in deinen Gedanken verloren!” Sie grinst mich an. Ich schüttele nur den Kopf und erwidere ihr: „Nein, alles ist in Ordnung!“ Sie grinst nun mehr. Und ihr Grinsen wird viel sagend, so dass sie mir nicht glaubt. Ich versuche sie zu beeindrucken, aber sie grinst immer noch. Sie verabschiedet sich von mir und geht ins Schulgebäude rein. Nun bin ich wieder allein. Ich denke wieder nach… und denke… und denke…
Ich bin nicht mehr in der Gegenwart. Ich weiß nicht mehr, was sich vor mir abspielt. Ich sehe lustige Bilder in meinen Gedanken. Es sind einfach tolle Minuten, in denen ich vollkommen in die Vergangenheit versetzt bin. Irgendetwas stört mich. Ich schließe meine Augen kurz, nur kurz und als ich sie öffne, bin ich wieder da. Mit meinen Gedanken, mit allem. Mir ist aber trotzdem schwindelig, bis ich vollkommen da bin. Die Hofpause ist zu Ende, die Kinder stürmen ins Schulgebäude. Nach der Arbeit bin ich vollkommen erschöpft. Ich lege mich hin. Immer wieder denke ich über die Vergangenheit nach. Irgendwie wird es zu einem hängenden Thema in meinem Kopf.
Es ist schön wieder die alten Tage vor meinen Augen spielen zu sehen
Jetzt fällt mir ein, dass ich Tagebücher in meiner Kindheit geschrieben habe. Ich hole sie aus der Truhe, in der ich meine Tagebücher jahrelang versteckt hielt. Ich öffne die Truhe. Sie ist voll verstaubt. Ich puste den Staub weg, hole nacheinander Sachen heraus, die in meiner Truhe platziert sind. Ich wühle in meiner Truhe, bis ich meine Tagebücher gefunden habe. Erst öffne ich mein erstes Tagebuch, dann mein zweites. Ich lese bis in die Nacht hinein. Kurz träume ich wieder von meiner Vergangenheit, schließe meine Augen und es ist wie noch nie zuvor. Es ist schön wieder die alten Tage vor meinen Augen spielen zu sehen. Dann lese ich weiter… und weiter… Ich lese… und lese… und lese…
Am nächsten Morgen liege ich auf meinem Sofa. Ich denke wieder an die Nacht. An die Nacht, in der ich meine Tagebücher las. Es waren wunderbare Momente. Ich las über meine Freunde, über Streitereien, über meine Streitschlichterausbildung, meine Geheimnisse, über schöne Tage, an denen ich mit meiner Klasse Ausflüge machte, über… Und auf die letzte Seite meiner Bücher schreibe ich, wie ich an meine Tagebücher dachte… wie ich meine Tagebücher las oder zusammengefasst schrieb ich den Tag auf!!! Und am Ende schrieb ich: „Ich werde dich nie vergessen – MEINE VERGANGENHEIT!”
Kübra Ö.
Illustration von Katrin Friedmann