Gastbeitrag von Severin Fischer, Mitglied des Kreisvorstands der Neuköllner SPD, Bürgerdeputierter im Stadtentwicklungsausschuss der BVV und Neukölln-Migrant der 00er Jahre
Der Blog neukoellner.net ist Ende April für den Grimme-Online-Award nominiert worden. Damit haben die vielen ehrenamtlich Aktiven dieses Projekts einen tollen Erfolg errungen, zu dem ich herzlich gratulieren möchte. Gleichzeitig steht neukoellner.net aber auch symbolisch für einen Veränderungsprozess in unserem Bezirk. Der Blog ist innovativ und repräsentiert das Neukölln von heute. Es bedarf allerdings keiner investigativ-journalistischen Fähigkeiten, wenn ich behaupte, dass sich die Beteiligten überwiegend nicht als gebürtige Neuköllner*innen ausweisen können (was nebenbei auch auf den Autor dieser Zeilen zutrifft). Daraus ist zu schließen, dass auch sie heute in Wohnungen leben, in denen vor ihnen andere Menschen gelebt haben. Offensichtlich haben sie damit ihren Kiez im Kleinen verändert.
SPD begrüßt Veränderungsprozesse in Neukölln
Das Dilemma ist offensichtlich: Vieles von dem, was den Norden Neuköllns heute ausmacht, beruht auf Veränderung, an der auch die Neuköllner SPD mit der Modernisierung öffentlicher Anlagen und der Einrichtung kultureller Angebote und Freizeiteinrichtungen mitbeteiligt war. Dass Neuköllner Kieze vielfältiger werden und Menschen erstmals eine Chance zum Aufstieg durch Bildung und Arbeitsplätze in ihrem Heimatbezirk haben, wird von uns ausdrücklich gefördert und unterstützt.
Gefährliche Phase in der Entwicklung des Wohnmarktes
Seit einiger Zeit reflektiert nun auch die Entwicklung auf dem Neuköllner Mietmarkt Veränderung in zwei Kategorien: Neukölln ist zum einen attraktiv für Angebot und Nachfrage. Zum anderen gibt es keinen Leerstand mehr. Schlechte Lage und hohe Leerstandquote waren bis vor wenigen Jahren noch die Erkennungsmerkmale Neuköllns auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Nun wird allerdings zunehmend offensichtlich, dass wir in eine Phase eintreten, in der diese Entwicklung gefährlich zu werden droht. Im Vordergrund steht für uns, dass wir nun Regelungen schaffen, die erstens umsetzbar sind und zweitens nicht auf Kosten anderer wichtiger sozialer Projekte gehen, die wir über Jahre mit viel Arbeit und öffentlichen Mitteln aufgebaut haben.
Mietpreisbremse und Wohngelderhöhung
Wir haben mit großer Erleichterung wahrgenommen, dass der Bundesgesetzgeber auf SPD-Initiative nicht nur die Mietpreisbremse eingeführt hat, die ab 1. Juni auch in Neukölln gilt, sondern ebenso eine Wohngelderhöhung durchgesetzt hat. Beides wird absehbar mehr Wirkung entfalten, als sämtliche Maßnahmen des Bezirks es auf dem Wohnungsmarkt leisten könnten. Damit die Begrenzung der Mietpreise bei Neuvermietung auf einem Niveau knapp über dem Berliner Mietspiegel auch tatsächlich Wirkung entfaltet, bedarf es auch gesellschaftlichen Engagements, um dubiosen Vermietern hier frühzeitig das Handwerk zu legen.
Dachgeschossausbau und Fahrstühle sind begrüßenswert
Dass nun das Thema Milieuschutz zunehmend in den Mittelpunkt der Mietendebatte in Neukölln gerückt wird, hat seine guten und seine schlechten Seiten. Positiv hervorzuheben ist das Engagement vieler Menschen im Bezirk, die sich austauschen und das Thema, etwa über eine Bürgerinitiative, immer wieder auf die Tagesordnung der Bezirkspolitik bringen. Die 3.500 gesammelten Unterschriften sind ein Beweis für dieses Engagement, das wir sehr begrüßen. Bedauerlich ist es, wenn dabei Bezirkspolitiker wahlweise für allmächtig oder – noch schlimmer – für untätig gehalten werden.
Testläufe im Reuter- und Schillerkiez
Mit der Einführung von Milieuschutzgebieten können, wie Anne Helm richtigerweise ausgeführt hat, Luxusmodernisierungen auf Ebene des Bezirks ausgebremst werden. Bedauerlicherweise zählt Anne Helm daraufhin all diejenigen Dinge auf, die wir nicht verhindern können und teilweise auch nicht wollen, etwa Dachgeschossausbau („schafft neuen Wohnraum“) oder Fahrstühle („ermöglicht generationenübergreifendes und barrierefreies Wohnen“). Die Wirkung von Milieuschutzsatzungen ist entsprechend überschaubar, wenn auch nicht belanglos. Daher haben wir uns bereits im vergangenen Jahr dazu entschieden, mit ersten Testläufen für die Einführung von Milieuschutzgebieten zu beginnen: im Reuter- und im Schillerkiez.
Schritt für Schritt zum Milieuschutz
Um Milieuschutzgebiete einzurichten, ist jedoch eine Voruntersuchung gesetzlich vom Bund vorgeschrieben, die nicht nur Haushaltsmittel bindet, sondern auch Zeit in Anspruch nimmt. Voruntersuchungen sind also keine Freizeitbeschäftigung der Neuköllner Bezirkspolitik, sondern eine erforderliche Voraussetzung, um im Nachgang vor Gericht nicht gegen Hausbesitzer zu verlieren, die gegen die Festsetzung der sozialen Erhaltungsverordnung klagen. Daher müssen wir Schritt für Schritt vorgehen. Nicht weil wir auf die Bremse treten wollen, sondern weil wir uns an gesetzliche Anforderungen halten müssen. Neben den rechtlich notwendigen Prozessabläufen müssen wir auch Mittel aus dem Bezirkshaushalt für Voruntersuchungen freimachen und zusätzliches ausgebildetes Personal zur Überwachung und Durchführung einstellen.
Milieuschutzsatzung soll vorangetrieben werden
Ein „flächendeckender Milieuschutz für ganz Nord-Neukölln“ hätte unter diesen Bedingungen von heute auf morgen praktisch nicht umgesetzt werden können. Insofern übergehen wir die 3.500 Neuköllner*innen in keinem Fall. Wir nehmen ihre Sorgen ernst und wollen ihr gefordertes Ziel Schritt für Schritt und mit Blick auf die Problemlagen einzelner Kieze erreichen. Sicher ist aber: Es wird in den kommenden Monaten und Jahren immer mehr Kieze in Nord-Neukölln geben, für die eine Milieuschutzsatzung gilt.
Kommentare:
Schaut auch mal das an:
https://www.berlin.de/ba-neukoelln/aktuelles/pressemitteilungen/2015/pressemitteilung.296197.php
Aus dem ehmalingen Blubb-Gelände werden wohl Eigentumswohnungen.
Auch das Haus Karl-Marx-Str. 183 von Yasko-Properties ist noch bewohnt und kommt nicht voran. Die Eigentümer haben mehre (mehr als 10 GmbHs pro Person) und spekulieren mit Häusern. Auf der Webside kann man zu den Häuser fiktive Zustände bewundern.
Gruß Dirk