Kiezleben als Hipster-Soap

Hayung von Oepen und Johannes Hertwig, die Macher von „Ecke Weserstraße“, haben nun die dritte Folge ihrer Neukölln-Telenovela ins Netz gestellt. (Foto: Ecke Weserstraße)

Hayung von Oepen und Johannes Hertwig, die Macher von „Ecke Weserstraße“. (Foto: Ecke Weserstraße)

Wohlstandskids auf der Suche nach dem Glück – kürzlich ist die dritte Folge der Crowdfunding-Webserie „Ecke Weserstraße“ im Netz veröffentlicht worden. Darin zeigen die beiden Macher, Hayung von Oepen und Johannes Hertwig, jene Blase von Galeriepartys und Szenekneipen, die vielen Zuschauern, trotz einer gewissen Portion Fremdscham, doch merkwürdig bekannt vorkommt.
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Dienstag, 12. Juli 2016

„Verkatert, gebildet, ungekämmt“, sagt einer dieser Mittzwanziger und beugt sich dabei gequält über den Küchentisch. Ein anderer, blond, drahtig, Yankees-Cap, hat gerade wieder einen Artikel veröffentlicht. Bezahlung? Fehlanzeige. „Aber es geht schon“, sagt er. „Ich habe jetzt erst mal mein Konto überzogen, und meinen Eltern gesagt, dass es gerade schwierig ist. Aber das kennst du ja alles.“

Damit ist auch schon abgesteckt, worum sich die Serie „Ecke Weserstraße“ dreht: Um Vertreter der sogenannten Generation Y nämlich. Eine vielbesungene Personengruppe, die sich mitunter dadurch auszeichnet, dass ihre Mitglieder akademisch ausgebildet und internetaffin sind und nicht erst nach der Arbeit Erfüllung suchen, sondern währenddessen, um sich dann schließlich in unterbezahlten Agentur-Jobs in Berlin wiederzufinden.

Crowdfunding und Freundschaftsdienste

In „Ecke Weserstraße heißen sie Emma, Tom und Vincent. Im Mai ist die dritte Folge der Webserie erschienen, deren erster Teil bereits 2014 für Wirbel sorgte. Schnell kursierte die Bezeichnung „Hipster-Soap“. Es gab Lob, aber auch kritische Stimmen. Denn wenn die mittlerweile leere Worthülse „hip“ mit dabei ist, fühlt sich immer jemand auf den Schlips getreten.

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Dreh in der Galerie: Serienmacher Johannes Hertwig mit seinen Darstellern. (Foto: Ecke Weserstraße)

Die beiden Macher von „Ecke Weserstraße“, Johannes Hertwig und Hayung von Oepen, sitzen in einem Café in Berlin-Neukölln an einer Ecke zur Weserstraße — wo auch sonst, klar. „Wir haben uns von der US-Serie ‚Girls‘ inspirieren lassen“, sagt Hertwig. „Oder auch von dem Film ‚Frances H‘.“ Das Coming-of-Age-Thema sei nicht neu, aber in dieser Form habe man es noch nicht vor der Kulisse Berlin oder Neukölln gezeigt.

Während die erste Episode noch als Hobby produziert wurde, wurde das Projekt mit der zweiten Folge auf eine andere Ebene gehoben. Dank einer Crowdfunding-Kampagne konnten Hertwig und von Oepen mit einem größeren Budget arbeiten. Das Team wurde vergrößert und die Arbeit professionalisiert. „Unsere Freunde haben uns bei der Umsetzung technisch unterstützt, aber auch ihre Wohnungen als Drehorte zur Verfügung gestellt und als Statisten mitgewirkt“, sagt von Oepen.

Problemschulen und Suffkneipen? Eher nicht

Warum überhaupt Neukölln? Problemschulen, kreatives Prekariat, Gentrifizierung, Arbeitslosigkeit, Suffkneipen: Sind das Themen in „Ecke Weserstraße“? Hertwig und von Oepen haben den Stadtteil Neukölln nicht in seiner Vielfalt abgebildet — was sie auch gar nicht wollten.
„Wir greifen auf, was uns im Leben begegnet“, erklärt von Oepen. Bei ihm und Hertwig sind das vor allem vor sich hinkrebsende Blogger, Galeriepartys und Wohlstand-Kids, die nicht mehr erfolgreich, sondern lieber zufrieden sein wollen und deren Glückssuche ihnen manchmal ganz schön zusetzt. Herzeleid, Futterneid und immer wieder die Frage danach, was das eigentlich alles soll, treiben die drei Hauptfiguren vor sich her. In diesen Dingen ergeht es zugezogenen Neuköllnern auch nicht anders als anderen Mitgliedern ihrer Generation.

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Dreh im Yogastudio. (Foto: Ecke Weserstraße)

Hertwig und von Oepen, beide haben etwas mit Medien studiert, wissen, dass sie in Neukölln in einer Blase leben, trotzdem begreifen sie die Themen ihrer Serie als universell. „Viele Menschen kennen diese Probleme und Geschichten, aber in Neukölln wird man geballt mit ihnen konfrontiert“, sagt Hertwig und schiebt nach: „Natürlich hätten wir auch von Flüchtlingen oder von all diesen Casinos hier erzählen können. Aber dazu fehlen uns die Einblicke, so ist es eben. Das wäre doch falsch.“

Überzeichnete Figuren

Die Serienerfinder Hertwig und von Oepen sind weniger zynisch und abgeklärt, als mit Blick auf die in „Ecke Weserstraße“ behandelten Themen zu erwarten wäre. Und das ist gut und richtig, denn ein Milieu mit einem Augenzwinkern zu betrachten, das sich über das Ironisieren von Alltäglichem definiert, wäre zu viel der Metaebene. „Trotzdem sind unsere Figuren und Szenen überzeichnet“, hebt Hertwig hervor. „Aber eben nicht zu sehr, so dass sie glaubhaft genug rüberkommen für Leute, die nicht hier leben.“

In einer Szene lässt eine der Hauptfiguren von ihrem veganen Brownie ab, sieht aus dem Fenster und sagt: „Da draußen gehen gerade zwei vollkommen unterschiedliche Welten aneinander vorbei.“ Gemeint sind zwei Frauen. Die eine gepflegt und auf Wohnungssuche, die andere verwahrlost und ohne Job.

Fremdscham und Vertrautheit

Die Stärke von „Ecke Weserstraße“ liegt genau in solchen auf den ersten Blick platten Szenen. Es ist eben nicht nur Fremdscham, die den Betrachter überkommt, sondern es schleicht sich auch eine gewisse Vertrautheit ein. Die Serie nämlich hat eine Zielgruppe: Jene Menschen, die sie überzeichnet auftreten lässt. Welcher Neuköllner hat sich denn noch keine Gedanken über das Neben- und Miteinander unterschiedlicher Lebenswelten in seinem Kiez gemacht?

Dass auch Freunde und Bekannte auf Hertwig und von Oepen zukommen und ihnen sagen, dass ihnen dieses Gespräch oder jene Situation bekannt vorkomme, sie sich vielleicht sogar selbst darin gesehen haben, freut die Serienmacher ungemein. Dass es auch andere Stimmen gibt, ist den beiden schon recht. „Es gibt ja keine schlechte Kritik“, sagt Hertwig.

Der Artikel ist erstmals am 1. Juli in der Berliner Zeitung erschienen.

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Kommentare:

  • Anonymous sagt:

    Peinlich, dass Ihr so einen Schrott noch unterstützt.

  • Der Kritiker sagt:

    Es ist schon verrückt, dass die Macher nach zwei mehr als schlechten Folgen noch eine Dritte überaus schlechte hinterher schieben. Was soll man dazu sagen? Das Durchhaltevermögen loben? Oder abdrehen, wie resistent sich die Macher gegen die vernichtende Kritik zeigen, die zurecht immer wieder auf sie einprasselt (in diesem Artikel leider nicht. Selbst wenn man wohlwollend ein Projekt aus dem Kiez vorstellen will, kann man nicht so die Augen verschließen vor den grauenhaften Darbietungen in dieser Serie)?

    Natürlich steht jedem frei, so viele Pseudo-Soaps über das Leben in Neukölln zu drehen, wie er möchte. Nur frage ich mich, ob den Regisseuren oder Schauspielern nicht auffällt, was da am Ende Unterirdisches als Ergebnis rauskommt.
    Wo sollte man mit der Kritik anfangen? Den platten und holzschnittartigen Stories und Dialogen? Den lächerlichen Charakteren? Den schauspielerischen Leistungen, die jedes Schülertheater toppt? Gründe gibt es jedenfalls genug.

    Und natürlich, niemand zwingt mich, mir die Folgen anzuschauen und darüber zu ärgern. Trotzdem find eich es einfach nur verwunderlich, wie selbstsicher die Macher ihr Baby promoten. Letztlich ist aber vielleicht gerade die Serie als solche die perfekte Parabel auf Neukölln als ganzes: Viel mehr Schein als Sein und nicht jeder, der hier wohnt und was mit Medien macht, kann auch wirklich was.

  • Hici sagt:

    Ich kann mich einfach nur anschließen!!!!!!!!!!!

  • Heike Haisslin sagt:

    Gruseliges Selbstbewusstsein frei jeglicher Selbsterkenntnis gepaart mit handwerklichem Unvermögen – passt somit ins Bild der neuen Einwohnerschaft.