Mönch und Samurai

Der Friedrichshainer Künstler „KID CASH“ und Artdirector des Künstlerkollektivs Klub7 berichtet über seine Arbeit, erklärt warum er gerne in Neukölln wohnt und welche Unterschiede es zu Friedrichshain gibt.

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Montag, 21. Januar 2013

neukoellner.net: Du bist Artdirector vom Künstlerkollektiv KLUB7, was machst Du da genau?

KID CASH: Nun ja meine Arbeit ist sehr breit gefächert als selbständiger Künstler. Viele Leute denken, dass ich den ganzen Tag nur male und stellen sich das total schön vor – so ne Art Traumjob. Aber freischaffender Künstler zu sein bedeutet viel mehr. Ich bin außerdem Fotograf, Designer, Illustrator, Projektplaner, Blogger, Ideenmaschine, Visionär und auch Überlebenskünstler. Ich würde sagen 10-20% meiner Arbeitszeit verbringe ich tatsächlich mit Kunst und Malen. Die restliche Zeit jedoch geht für Kommunikation, Planung und Selbstdarstellung drauf. Als Artdirector bin ich bei uns speziell für die Ausstellungsplanung, Fotografie, Präsentation, Entwürfe und öfter auch für die Projektleitung zuständig. „Zuständig“ klingt so komisch – ich mache das ja alles weil es mir unendlich Spaß macht, meistens jedenfalls. Ich kann mir keinen anderen Beruf für mich vorstellen und schon gar nicht angestellt zu sein. Ich hatte schon immer so viele Ideen und die kann ich nur selber oder mit meiner Crew umsetzen. Ich lebe für die Kreativität. Das macht mich frei. Das fühlt sich gut an!

Als „KID CASH“ bist Du gleichzeitig künstlerisches Mitglied bei KLUB7. Was macht hier deine kreative Arbeit aus?

Vieles hab ich in der ersten Frage schon beschrieben. Eines meiner vielen Pseudonyme ist KID CASH. Ich bin Mitglied und Gründer des Künstlerkollektives KLUB7. Ich bin 1977 geboren und hab 1993 angefangen Graffiti zu malen. Ab 2000 begann ich das zu machen, was man später Street Art nannte – Stencils, Sticker und Poster – in der Stadt kreativ sein.

Unter dem Pseudonym KID CASH male ich seid 2005 die „People-Bilder“. Angefangen hab ich diese Bilder auf der Straße als Cut-out zu verkleben oder zu stickern. Später begann ich dann das Motiv auf Holzbretter zu malen, und in der Stadt zu installieren. 2008 hatte ich meine erste Einzelausstellung damit. Seitdem mache ich immer wieder „People-Ausstellungen“ unabhängig von den KLUB7-Ausstellungen. Mit meiner Crew KLUB7 stelle ich schon seit 2004 regelmäßig international aus. Zum Beispiel waren wir in Norwegen, Frankreich und New York. Das wäre so die Kurzfassung ohne Schnörkel. Was den Style angeht, so ist es glaub ich am besten meine Bilder sprechen zu lassen. Auf meiner Webseite bekommt man einen kleinen Einblick.

Warum nennst Du Dich unter einem Pseudonym „KID CASH“?

KID CASH ist quasi eine Art Künstlername. Für mich hat das seinen Ursprung im Graffiti und in der Street Art. Und irgendwie hab ich diese Idee ein Pseudonym zu benutzen, immer für gut befunden, gerade heute in einer gläsernen Welt. Der Name setzt sich aus KID, dem Kind im Manne und CASH, eines meiner früheren Graffiti-Tags, zusammen.

Kid Cash, Mönche

Wie würdest Du die Mönchsbilder beschreiben und welche Bedeutung haben diese?

Die Mönchsbilder sind sehr wichtig in meinem Schaffensprozess. Ich male dieses Motiv schon seit mehreren Jahren und es lässt mich einfach nicht los. Ich hab als Teenager mal Siddhartha von Hermann Hesse gelesen. Das Buch hat mich damals sehr fasziniert und beeinflusst. Seit dem hat sich das Interesse oder die Verbundenheit zum Buddhismus nicht gelegt. Ich bin nicht religiös, sehe mich selbst eher als Atheist, aber Religionen haben mich schon immer in ihren Bann gezogen.

Ich glaube wenn ich Mönche male, zeige ich damit ein Teil meines Inneren – den ruhigen und harmonischen. Deswegen male ich auch noch Krieger und Samurai. Das ist dann ein anderer Teil von mir – der kriegerische.

Kid Cash, Krieger

KLUB7 arbeitet in Friedrichshain, warum lebst Du in Neukölln?

Ich bin seit fast 5 Jahren in Berlin. Ich hab über 4 Jahre in Friedrichshain gewohnt. Ich mochte das Friedrichshain bis 2007 sehr. Danach ging es irgendwie immer mehr bergab für mein Empfinden, durch die geliebte Gentrifizierung. Jetzt ist es um den Boxhagener Platz einfach nicht mehr so schön. Die meisten Künstler sind weg gezogen. Es wird alles schön glatt und sauber. Die besoffenen Party-Touristen benehmen sich wie die letzten Affen. Das was mich an Friedrichshain immer so fasziniert hat, ist fast verschwunden. Und in Neukölln fühlt es sich jetzt wieder so an wie damals in F-hain. Ich meine weglaufen ist auch nicht immer ’ne Lösung, aber ich find’s schön in Neukölln mal wieder normale Menschen zu sehen und vor allem auch mal Alte. In meiner neuen Ecke sind alle voll nett, man kennt und grüßt sich auch. So was gibt’s in Friedrichshain nur noch im Samariterkiez und der ist jetzt leider zu teuer geworden.

Warum gerade Neukölln?

Ich hab hier mit meiner Freundin eine total schöne Wohnung gefunden, die bezahlbar ist. Ich liebe es einfach. Dazu mag ich so Unorte, die keine richtige Funktion haben, ich mag Weite und Platz. Ich mag’s gern urban. Ich liebe es rumzustreunen und zu spazieren. All das finde ich hier. Tempelhofer Feld, Hasenheide, Gleisdreieck-Park, Emser-Kiez, Weser-Kiez, Reuter-Kiez, Maybachufer und so weiter… Ich bin mir natürlich bewusst, dass sich auch diese Orte früher oder später verändern werden.

Könntest Du dir auch vorstellen in einem anderen Bezirk zu wohnen?

Ja durchaus. Ich mag einige Ecken in Kreuzberg, Schöneberg, Treptow und auch noch Friedrichshain. Der Mietpreis ist halt immer eine ausschlaggebende Sache und Glück bei der Wohnungssuche. Als selbständiger Künstler steh ich da nämlich ganz hinten an.

Wo kommst du her und wie hat es Dich hierhin verschlagen?

Also ursprünglich komme ich aus Halle (Saale). Ich mag Halle sehr, aber es ist mir einfach zu klein geworden. Und für meine Selbstständigkeit und das Lebensgefühl war Berlin eindeutig die richtige Entscheidung.

Kid Cash: Selbstbildnis

Bist Du viel in Neukölln unterwegs?

Also seit dem ich hier wohne bin ich sehr oft hier unterwegs. Ich will ja auch meine neue Heimat erkunden und kennenlernen. Ich liebe es mit dem Fahrrad zu fahren und spannende Orte zu finden.

Als zugezogener Künstler gehörst Du zu einer Einwohnergruppe die derzeit in Neukölln mit starken Veränderungen assoziiert wird. Zeigt sich das in Deinem Leben?

Also ich spüre selbst noch keine Veränderungen, weil ich erst seit einem halben Jahr hier wohne. Das kann ich noch nicht wirklich beurteilen. Aber als Künstler gehöre ich vielleicht zu den Leuten die indirekt oder direkt durch ihr Schaffen und Tun Gentrifizierungsprozesse mit vorantreiben. Ich denke die Frage zielt wohl auf dieses Thema ab. Aber wer würde schon nach Oberschöneweide ziehen, nur um sagen zu können, dem aus dem Weg zu gehen.

Würdest Du gerne etwas in Deinem Kiez verändern?

Ja, ich mag Autos nicht so sehr. Aber eine Veränderung werd ich wohl nicht mehr miterleben.

Was wünschst Du Neukölln?

Mehr Sonne, mehr Bunt, mehr Respekt, mehr Lachen und das die Vielfalt erhalten bleibt… klingt voll hippiemäßig… (lacht).

Kommentare:

  • Hank sagt:

    Ich hab mir einen Sticker von Kid Cash für meine Sammlung stibitzt und muss sagen, dass Deine Artworks echt atemberaubend sind.

    Definitiv der beste Sticker, den ich in Berlin 2012 gesehen hab.

    Keep up the good work mate !

    PS: In der Gneisenaustraße Höhe Kirche am Südstern fehlt der Sticker, mach doch mal wat neues dran 🙂

    Greetz !!!

  • Neuköllner sagt:

    Zitat:
    „Ich hab über 4 Jahre in Friedrichshain gewohnt. Ich mochte das Friedrichshain bis 2007 sehr. Danach ging es irgendwie immer mehr bergab für mein Empfinden, durch die geliebte Gentrifizierung. Jetzt ist es um den Boxhagener Platz einfach nicht mehr so schön. Die meisten Künstler sind weg gezogen. Es wird alles schön glatt und sauber. Die besoffenen Party-Touristen benehmen sich wie die letzten Affen. “

    … und angesichts der Entwicklung in Neukölln kommt Euch nicht in den Sinn, dass es genau diese „Bohême“, die „Künstler“-Szene und die Pseudo-Intellektuellen sind, die die Gentrifizierung vorantreiben? Man kann es an den Fingern abzählen: 2010 machen ein, zwei Läden mit „Art“ oder „Fashion“ auf. 2010 verschwindet der Gemüsehändler und eine Szene-Kneipe kommt. 2011 sind die Künstler etabliert und die Touristen kommen, um dieses coole Bohême-Leben anzugaffen. 2012 schießen weitere Szene-Kneipen wie Pilze aus dem Boden: das Publikum noch eine Mischung aus Szene-Peoples und Touris. 2013: Die Szene-Peoples haben wirksam dazu beigetragen, dass das Leben unerträglich geworden ist, nachts ist es lauter als am Tage, und der Vermieter schickt die nächste Mieterhöhung. Die „Künstler“ ziehen weiter. Die Touris bleiben. Die Immobilien-Spekulanten kommen. Ta-Daaa. Herzlichen Dank, Szene!

    Lasst doch die Arbeiterwohngegenden denen, die schon immer da gelebt, gelacht, geweint, geliebt, gezankt – und vor allem gewohnt(!) haben.

  • Neuköllner sagt:

    Schreibfehlerchen entdeckt: Tausche „Bohême“ -> „Bohème“, es heißt ja ausgesprochen schließlich nicht Bohämme, sondern Bohehm, sozusagen.