„Der Film war wie ein guter Freund“

Am morgigen Mittwoch beginnt das Achtung Berlin Filmfestival auf dem auch Berlin Telegram zu sehen sein wird. Die franco-irakische Filmemacherin und Musikerin Leila Albayaty hat das Drehbuch unter anderem in Neukölln geschrieben. Ein Gespräch über Trennungsschmerz, Schauspielerei und kreative Orte in Neukölln.

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Dienstag, 16. April 2013

neukoellner.net: Dein Film Berlin Telegram handelt von der Hauptfigur Leila, die nach Jahren von ihrem Freund per Telegram verlassen wird. Sie ist völlig verzweifelt und unternimmt schließlich einen Roadtrip nach Berlin. Leila schafft es in dieser Stadt wieder zu sich selbst zu finden. Warum ausgerechnet in Berlin?
Leila Albayaty: Der Film ist zum Teil autobiographisch. Ich selbst bin auch nach einer Trennung nach Berlin gekommen. Berlin hat mich inspiriert und hat außerdem etwas mit dieser Frau gemeinsam: Die Stadt war zerstört und musste wieder aufgebaut werden, Berlin Telegram ist über eine Frau, die innerlich zerstört war und sich ihr Leben wieder aufbauen musste. Ich selbst habe in Berlin wieder von Null angefangen.

Wie viel Leila Albayaty steckt sonst in der Hauptfigur Leila? Du hast ja nicht nur Regie geführt, sondern auch selbst die Hauptrolle gespielt.
In meinen Filmen steckt immer viel von mir selbst. In Berlin Telegram spiele ich mit der Grenze von Dokumentation und Fiktion. Der Mann, der Leila verlassen hat, ist im Film zum Beispiel so etwas wie ein Geist, ich sage nicht genau wer er ist. Das war natürlich im wahren Leben nicht so. Ich habe versucht die Geschichte über Leila so zu schreiben, dass andere Menschen in sie eintauchen können. Das funktioniert bei manchen, bei manchen nicht.

Wie waren denn die Reaktionen bisher?
Ich bin in der letzten Zeit viel gereist und wurde vor allem auf arabischen Filmfestivals eingeladen. Manche Frauen oder Mädchen haben mir erzählt der Film hätte ihnen geholfen zu sagen: Ich möchte mein eigenes Leben führen, wie Leila die in dem Film lernt sich selbst zu befreien. Andere mögen die Musik und es gibt natürlich auch Menschen, die den Film überhaupt nicht mögen. (lacht)

Schon in deinem Kurzfilm Vu, der 2009 auf der Berlinale gezeigt wurde, hast du die Hauptrolle übernommen. War dir von Anfang an klar, dass du auch in Berlin Telegram vor der Kamera stehen wirst?
Als ich das Drehbuch geschrieben habe, war ich mir nicht sicher. Die Leute mit denen ich zusammengearbeitet habe, kennen mich sehr gut und nicht alle sind professionelle Schauspieler. Es war deshalb schwer mir vorzustellen, dass eine Schauspielerin die Rolle übernimmt. Mit ihrem Freunden so spricht wie ich, sich verhält wie ich und singt wie ich, denn die Hauptfigur ist auch Sängerin. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, eine Schauspielerin zu fragen, ob sie ICH sein kann.

Drehbuch, Regie und Hauptrolle gehen auf dein Konto, dann hast du auch noch den Soundtrack des Films geschrieben. Wo nimmst du die Energie und Inspiration her?
Ich versuche immer sowohl meine Stärken als auch Schwächen für meine Kunst zu nutzen. Die Energie für Berlin Telegram hatte ich, weil ich einfach das innere Bedürfnis hatte diesen Film zu machen. Und dann kam eines zum anderen: Einer der Produzenten, Martin Hagemann ermutigte mich meine Ideen in einem Drehbuch zu präzisieren. In meinem Kopf war ja alles da, ich musste es aber strukturieren. Marylise Dumont hat mir dabei geholfen das Drehbuch zu schreiben. Musik ist meine Leidenschaft, also habe ich die Texte für den Film geschrieben, sie aufgenommen und auch mit anderen Musikern zusammengearbeitet. Ich würde den Soundtrack gerne veröffentlichen, suche zurzeit aber noch ein Label.

War der Film also auch so etwas wie eine Therapie für dich?
Ja, ich glaube wenn ich diesen Film nicht gemacht hätte, wäre ich noch immer gebrochen. Der Film war so etwas wie ein guter Freund, der immer da war. Ich habe all´meine Gedanken hineingesteckt. Zu der Zeit war ich sehr traurig. Ich habe alles in meine Arbeit gesteckt und hart an dem Film gearbeitet.

Gerade schreibst du an deinem nächsten Film, kannst du uns schon etwas darüber verraten?
Es wird über den Irak gehen. Ich selbst habe dort mit 18 Jahren mal gelebt.

Dein Vater ist Iraker, deine Mutter Französin…
Ja und ich weiß viel über den Irak und was dort passiert. Aber ich lebe hier in Europa und man sieht mir nicht an, dass ich halb arabisch bin, aber es steckt in mir. Ich möchte mich selbst quasi als Brücke benutzen. Den Menschen im Westen zeigen, was sie an den Arabern vielleicht nicht verstehen und umgekehrt. Es wird um die Ungerechtigkeiten und Gegensätze verschiedener Gesellschaften gehen.

Du lebst sowohl in Brüssel, als auch in Neukölln. Was findest du an diesem Stadtteil besonders, was magst du, oder auch nicht?
Ich mag, dass so viele verschiedene Menschen hier leben. Es ist ein Mischung aus allem und ich mag die Mischung und auch das Durcheinander in meinem Leben. Es gibt viele Orte an denen ich gut schreiben kann. Am liebsten schreibe ich in Bars (lacht) und da gibt es einige gute in Neukölln.

Der Film Berlin Telegram wir am Montag, 22. April, um 22:15 und am Dienstag, 23. April, um 19:45 im Babylon aufgeführt. Hier gibt’s mehr Infos zu Festival und Film.