Entmietung – ein linker Mythos?

kiez_statt_kiesIm Neuköllner Rathaus ging es diese Woche wieder rund. Am vergangenen Mittwoch setzte sich die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Neukölln zusammen und debattierte über Entmietung, Flüchtlinge, Fahrradstraßen und einen Flohmarkt. Besonders die CDU glänzte dabei mit einer ordentlichen Portion Realitätsferne.
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Sonntag, 15. November 2015

„Milieuschutz ist eine zeitkritische Angelegenheit“, kommentierte Anne Helm (Piraten) die Debatte zur Mietpolitik im Bezirk. Kurz vorher hatte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, Daniel Dobberke, gerade der Versammlung erklärt, dass sich eigentlich niemand aufregen müsse. Da sich im deutschen Recht nirgends der Begriff der Entmietung finde, handle es sich dabei für ihn um einen „linken Kampfbegriff“ ohne faktische Substanz.

Entzündet hatte sich die Debatte an einer Anfrage der Linken, eingebracht durch Malis Fuhrmann. Diese wollte vom Bezirksamt wissen, was es gegen Entmietungen und unseriöse Sanierungen im Reuterkiez unternehme. Das Bezirksamt verwies auf den privatrechtlichen Charakter. Ansprechpartner sei nicht die Politik, sondern der Rechtsanwalt.

Flüchtlingsunterkünfte in Neukölln

Der Weiterbetrieb der Flüchtlingsunterkunft in der Haarlemer Straße ist zweieinhalb Wochen vor offiziellen Schließung immer noch unsicher. Im Vergleich zu anderen Unterkünften wurde diese von Politik und Initiativen immer als eine der humansten beschrieben (wir berichteten im September). Der Bezirk Neukölln würde damit Ende November über hundert Unterkunftsplätze verlieren und die Geflüchteten müssten auf andere Unterkünfte verteilt werden.

Nachdem der Berliner Senat im vergangenen Sommer den Rückkauf des Geländes ausgeschlagen hatte, erwarb zwischenzeitig ein luxemburgischer Investor die Gewerbefläche. Dieser prüft zurzeit noch die Wirtschaftlichkeit der Unterkunft und stellt auch einen möglichen Ausbau in Ausblick. Laut Stadtrat Bernd Szczepanski (Grüne), könne es jedoch nicht dauerhaft zu einer Unterbringung von Flüchtlingen auf dem Gelände kommen, da es eigentlich als Gewerbe- und nicht als Wohngebiet ausgewiesen sei.

Die Frage der Einrichtung einer weiteren Unterkunft für besonders Schutzbedürftige wurde vertagt. Angedacht ist eine solche Unterkunft in der ehemaligen Jugendhilfeeinrichtung am Buckower Damm. Die 2009 sanierte Immobilie ist Eigentum des Bezirks und bietet, laut den Grünen Neukölln, ideale Voraussetzungen für die Unterbringung von unbegleiteten Jugendlichen und Frauen mit Kindern. Das derzeit leerstehende Gebäude soll ab 2017 wieder genutzt werden – jedoch nicht als Jugendeinrichtung, sondern als Verwaltungsstandort. Aufgrund der aktuellen Notsituation fordern deswegen Linke und Grüne gemeinsam eine baldesmögliche Nutzung als Flüchtlingsunterkunft. „Das ist allemal besser als die Unterbringung in Turnhallen“, kommentierte Jochen Biedermann, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen BVV-Fraktion.

Schöner Radeln

Es bewegt sich was beim Thema Fahrradfahren in Neukölln. Nach intensiven Beratungen soll nun vom Bezirksamt geprüft werden, ob die Weserstraße zwischen Kottbusser Damm und Pannierstraße zur Fahrradstaße erklärt werden kann. Bereits im Vorfeld diskutierten der Stadtrat Falko Liecke (CDU) (Nachgefragt: Was tut der Bezirk für Radfahrer) und die Initiative Fahrradfreundliches Neukölln (Was in der Radverkehrpolitik falsch läuft) über eine neue Fahrradpolitik im Bezirk.

Noch offen ist die Einstufung des Weigandufers als Fahrradstraße. Der eigentlich zur Ablehnung vorgesehene Antrag wurde auf Druck von außen für eine weitere Beratung in den Verkehrsausschuss überwiesen. „Für die Fahrradstraße sprechen viele gute Argumente, die der BVV-Ausschuss für Verkehr jetzt anhören sollte. Wir hoffen, dass er sich davon überzeugen lässt und der BVV nun die Annahme des Antrags empfiehlt“, gab Jan Michael Ihl vom Netzwerk Fahrradfreundliches Neukölln zu bedenken.

CDU wittert anarcho-kommunistischen Flohmarkt auf dem Richardplatz

In einer Anfrage an die BVV erkundigte sich die Fraktion der CDU über die Rechtmäßigkeit des „Umsonstflohmarktes“ auf dem Richardplatz. Der Flohmarkt findet zweimal im Monat statt und hat einen simplen Zweck: Menschen schenken Menschen Sachen, die sie selbst nicht mehr brauchen. Der CDU ist das suspekt, weswegen sie sich nach der Genehmigung erkundigt hat und zeigt sich besorgt um die entstehende Lärm- und Müllbelastung für die Anwohner. Einen Zusammenhang mit der „Freilufttrinkerszene“ um die sogenannte Brigade Sorgenfrei wird dabei auch nicht ausgeschlossen.

Ein Umsonstflohmarkt passt wohl irgendwie nicht in das Weltbild der CDU Neukölln. Die Fahndung nach den Verantwortlichen auch übers Internet sei leider ins Leere gelaufen, antwortete Bürgermeisterin Giffey.

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