Neuköllnkassette #8: Jacob Stoy

Jacob_StoyNeukölln meets Dresden: Bei unserem „Tanzgewitter“ am 19.2. im Ke//er begrüßen wir mit Jacob Stoy einen Protagonisten des Dresdner Labels Uncanny Valley. Für neukoellner.net hat der DJ und Produzent vorab ein famoses Mixtape gebastelt. Im Interview verrät Jacob Stoy mehr über die Idee hinter der Selektion, seine musikalische Entwicklung und das Großwerden im beschaulichen Örtchen Freital, das heute leider immer wieder durch Demos und Anschläge gegen Flüchtlinge in die Nachrichten kommt.
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Mittwoch, 10. Februar 2016

Neuköllnkassette #8: Jacob Stoy by neukoellner.net on hearthis.at

neukoellner.net: Erzähl uns mehr über deinen Mix: Worauf kam es dir bei der Auswahl der einzelnen Tracks an?
Jacob Stoy: Ich wollte einfach unterschiedliche Musik spielen, die mir Spaß macht beim Hören. Ich hatte keine Lust einen reinen Dance-Mix zu machen, das kann ich Zuhause eh nur selten. Da brauch‘ ich schon Tänzer, die mich dazu animieren.

In deiner Künstlerbiografie kann man lesen, dass du in einem Vorort eines Vororts von Dresden aufgewachsen bist. Wie war das, dort großzuwerden?
In dem Vorort des Vororts aufzuwachsen war super. Eine Kleinstadt auf einem Berg mit Blick ins Unendliche. Da gab es eigentlich alles was man kleinen Jungs bieten sollte. Viele Berge, Wald, Wasser, Schnee, Extremsport, gute Freunde und grummelige Busfahrer. Meine Kumpels und ich mussten entweder Fahrrad oder Bus fahren. Wir haben viel Zeit mit Warten auf den Bus verbracht. Die meiste Zeit wohl am Busbahnhof in Freital, den man vielleicht noch aus den Nachrichten vom letzten Jahr kennt. In Freital gab es damals einige Hooligans und Nazis, die auch immer wieder ordentlich Stress gemacht haben. Damit mussten wir aber irgendwie leben und haben freudig weiter unseren Pogo auf Konzerten getanzt.

Wie sah deine musikalische Entwicklung als Kind/Jugendlicher aus?
Musik fand ich als Kind immer faszinierend, bzw. hatte ich keine andere Wahl. Meine Eltern haben mich mit Grunge, Jazz und Electronica großgezogen. Mein Vater hat auch immer mal musikalische Experimente gemacht – irgendwann dann auch mal auf einem unserer ersten Computer (… wenn ich noch wüsste wie das Programm hieß). Ich habe immer fleißig mitgeklickt und Loops aufgenommen. Als ich etwa zehn Jahre alt war, hab‘ ich mein erstes Album aus minutenlangen Loopsequenzen zusammengeklickt. Das waren vermutlich meine ersten Erfahrungen mit „Trance-Momenten“ beim Musik machen. Zu der Zeit habe ich auch angefangen Gitarrenunterricht zu nehmen. Erst mal klassisch und mit der Jugendweihe kam dann die E-Gitarre. Ich hatte einen super Lehrer, der zu dieser Zeit selbst Student an der Dresdner Musikhochschule war. Durch ihn habe ich auch viel über Performance auf der Bühne und das Aufnehmen gelernt, zum Beispiel bei Aufnahmen von Jazzbands. Da habe ich Mikrofonständer aufgebaut, Kabel zusammengelegt und Jazzer aus aller Welt kennengelernt.

Und wann kam dein Schritt auf die Bühne?
Mit 15 habe ich in Schulbands und Orchestern gespielt. Mit 16 kam die erste eigene Band, die ich mit drei Freunden aus Dresden gegründet habe. Wir wollten immer Jazz machen, aber haben letztendlich irgendwas zwischen Funk, Blues, Jazz und Disco gemacht. Ab und an kam auch ein Rapper dazu. Zu der Zeit habe ich glaube ich am meisten vor Publikum gespielt. Nebenbei fing ich an, eigene Stücke auf einem 8-Spur-Recorder aufzunehmen. Das war immer etwas umständlich mit dem Ding, darum habe ich dann mehr mit Computern gemacht und alle möglichen Instrumente aufgenommen und verfremdet. Später hatte ich mehr Equipment und brauchte den Computer nur noch zum Schneiden und Abmischen.

Wie bist du schließlich zum Auflegen gekommen?
Durch meinen Kumpel Felix – er hatte mich mal zu sich nach Hause eingeladen. Der Plan war es, dass ich live Musik zu seinem DJ-Set spiele. Ich glaube, das hat nicht so gut funktioniert, darum ist daraus dann ein DJ-Team geworden. Wir haben zusammen in diversen sächsischen Clubs gespielt. Da gab es merkwürdige Abende mit aggressiven Veranstaltern und pöbelndem Publikum. Da ich ja so oder so schon viel Musik für mich selbst gemacht habe, hat sich dann nur der Einfluss der Musik etwas geändert. Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, ob ich Produzent bin. Hat so jemand nicht so ein supergeiles Studio mit nem Typen am Mischpult? Ich mach die Musik zu 90% für mich selbst und suche dabei meine nötige Portion „Trance“.

Du hast einige Zeit auch in Dresden gewohnt. Wie würdest du das Nachtleben dort beschreiben? 
Zum Ausgehen findet man schon immer irgendwas. Auch wenn man sich nur zum Biertrinken auf einem Bordstein trifft. Durch das überschaubare Kulturangebot wird man nicht so mit Angeboten überschüttet wie in Berlin. In Berlin entscheidet man sich bei einem Überangebot dann doch wieder fürs Sofa oder die Kneipe. In Dresden gibt es wirklich viele Musikliebhaber, die Veranstaltungen mit hochkarätigen Musikern bieten. Da dauert es nur manchmal länger, eh man davon mitbekommt oder die Leute sich daran gewöhnt haben. Wenn ich jetzt nach Dresden komme, finde ich die Partys auf jeden Fall viel besser als noch vor vier Jahren. Vielleicht, weil einfach viele neue Leute hingezogen sind, die ich aber nicht kenne. Zu meiner Zeit in Dresden kannte man eigentlich fast jeden, der im Club vor einem getanzt hat.

Welche Rolle spielt Uncanny Valley in der Dresdner Szene?
Uncanny Valley ist eine von vielen engagierten Crews in Dresden. Jede Crew steht auch so ein bisschen für einen bestimmten Sound und veranstaltet Partys in verschiedenen Clubs. Die Crews veranstalten manchmal zusammen größere Partys, wo dann auch mal größere Acts gebucht werden können. Uncanny Valley hat es aus meiner Sicht bisher am besten geschafft, über die Stadtgrenzen hinaus Menschen mit ihren musikalischen Statements zu begeistern. Dafür gibt’s ein großes Lob und einen Dank von meiner Seite.

Was sind deine Tipps für einen Dresden-Besuch? 
Ein Spaziergang vom Dresdner Hauptbahnhof durch die Altstadt über die Elbe in die Neustadt zeigt schon viel. Die Neustadt ist ein alternatives Viertel in Dresden, etwa vergleichbar mit dem Prenzlauer Berg. Früher war es da dreckig, jetzt werden dort Einfamilienhäuser gebaut. Trotzdem ist die Neustadt immer noch das Aushängeschild für alternatives Leben in Dresden. Nach dem Spaziergang in die Neustadt sollte man ins Fat Fenders gehen und Platten kaufen. Da trifft sich auch die Club-Szene und man sollte sich beraten lassen, wo man nachts tanzen gehen kann. Leider gibt es keinen Club, wo man jedes Wochenende, ohne sich zu informieren, hinsteuern kann. Die meisten Clubs leben von Einmietungen, darum kommt es immer darauf an, wer die Fete schmeisst. Trotzdem kann man das Alte Wettbüro empfehlen, nicht nur weil ich da viele schöne Abende erlebt habe, sondern weil das Essen zur Mittagszeit auch super lecker ist. An verschiedensten Orten entstehen immer wieder temporäre Räume für Kultur. Da glänzt der Stadtteil Löbtau gerade ganz gut, wo noch nicht so viel gentrifiziert wird wie in der Neustadt. Was auch immer wichtig ist in Dresden: zum „echten“ Bäcker gehen, ein Stück Eierschecke und ein Sauerteigbrot kaufen.

Was hat dich schließlich dazu bewegt nach Berlin zu ziehen?
Ich hatte mich einfach mal zum Test für ein Kommunikationsdesign-Studium in Berlin beworben. Nach der ganzen Bewerbungsprozedur wurde ich dann auch angenommen und musste gezwungenermaßen hierher ziehen.

Dresden wird gerade viel mit Pegida, AfD und Montagsdemos assoziiert – wie stehst du dazu und wie ist das für die Dresdner, die damit nix am Hut haben?
Das strengt echt an, dass die da immer noch rumlaufen. Jede Woche das gleiche Gelaber. In der Zeit hätte man sich viele schöne Ideen für Lösungen einfallen lassen können. Es ist schade, dass Dresden durch Pegida so ein schlechtes Image bekommen hat. Ich merke es nur in meinen Freundeskreisen, wie in den Familien stark diskutiert wird und ständig der Duft von Pegida in der Luft liegt. Die Dresdner, die damit nichts am Hut haben, arrangieren sich irgendwie mit den Pegidas, aber schreiten ein, wenn es zu weit geht. Generell kämpfen die Dresdner gut gegen den Fremdenhass an!

Jacob Stoy an den Plattentellern: Am 13. Februar im Filterhouse und natürlich bei unserem Tanzgewitter #nkstyle im Ke//er am 19. Februar.

Mehr über Jacob Stoy seiner Website, auf Soundcloud und auf Bandcamp.

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