Von Monstern und Menschen

Skallywag GalleryMateo Dineen ist Monstermaler. Er erschafft große und kleine, dicke und dünne Monster. Manchmal zeichnen sie sich durch mehrere Beine, nur ein Auge oder Hörner aus. Doch bei allem Monstertum haben alle seine Geschöpfe menschliche Züge. Ein Besuch bei einem ungewöhnlichen Künstler. (mehr …)

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Dienstag, 14. April 2015

Text und Fotos: Marina Strauß

Ein gelber Drache mit blauen Flügeln und Riesenklauen fliegt durchs Bild. Am Boden steht ein weißer Klotz ohne Augen. Und in der linken Ecke verzieht ein rundliches lila Etwas mit Horn auf dem Kopf den Mund. „Ich habe schon als Kind Monster gezeichnet“, lacht Mateo Dineen. „Meine Mutter hat mir dieses Bild vor Kurzem aus Kalifornien geschickt.“ Was mit Kinderzeichnungen anfing, ist heute der Beruf des 42-Jährigen: Mateo ist Monstermaler.

2011 eröffnete der Künstler die Skallywag Gallery im Schillerkiez. „Skallywag bedeutet Halunke. Das passt zu meinen Monstern, weil die auch nicht der Norm entsprechen“, sagt er, wuchtet an diesem sonnigen Frühlingsnachmittag einen Holztisch auf den Gehweg der Herrfurthstraße und schenkt sich ein Glas naturtrüben Apfelsaft ein. Ein paar Schritte von der Galerie entfernt fängt das Tempelhofer Feld an. „Ich genieße das und bekomme dadurch einen freien Kopf“, erklärt Mateo. „Und ich mag an Neukölln, dass hier noch nicht alles nagelneu aussieht. Das spiegelt sich dann auch in meinen Bildern wieder.“

Monster mit Seele

Im Schaufenster von Mateos Galerie tummeln sich Monster verschiedenster Art. Da sitzt ein Wesen mit einem kurzen Rüssel, zwei Zähnchen und ein paar Haaren auf dem Kopf, das ein Selbstporträt zeichnet und sich sichtlich daran erfreut. Ein Anderes liegt in der Badewanne, hört Musik und hat die Augen vorsorglich rausgenommen und aufs Fensterbrett verfrachtet. Dieses Bild namens „Out of Body Experience“ ist eines von Mateos Verkaufsschlagern. Alle seine Monster haben menschliche Züge. „Menschen inspirieren mich. Ich mache Skizzen und probiere einfach aus. Mal mit vier, mal mit sechs Beinen, mal mit einem Auge. Oder ich zeichne dem Monster einen Hut und merke, das es auf einmal aussieht wie mein Onkel.“ Der Künstler überlegt, was gerade für ihn wichtig ist und versucht jedem seiner Bilder eine Seele zu geben. „Ich will nicht nur ein Monster malen, das zur Arbeit geht, sondern ich will dann auch zeigen, dass es vielleicht einsam ist. Die besten Bilder haben so viel Geschichte drin. Gerade inspiriert mich auch mein kleiner Sohn. Er ist eineinhalb und so begeistert von der Welt.“

Skallywag Gallery

Dass man mit Monstern Geld verdienen kann, wurde Mateo zum ersten Mal bewusst, als er als Kind das Making of von Star Wars im Fernsehen sah. Irgendwo da draußen gab es also tatsächlich Männer im Alter seines Vaters, die so einen Job hatten. „Ich wollte das damals unbedingt auch machen“, sagt der Künstler. „Außerdem war ich begeisterter Fan von Bugs Bunny, Tom & Jerry und natürlich von Disneyfilmen“. Und trotzdem studierte er nach der Schule zuerst Maschinenbau und dann für kurze Zeit Werbung. Er schmiss beiden Studiengänge und tourte danach mit einem Freund im VW-Bus durch die USA. Nach ein paar Monaten on the Road kam dann dieser Entscheidungsmoment: Was würde er tun, wenn alles möglich wäre? „Künstler sein. Für mich war das sofort klar“, sagt Mateo. „Und selbst wenn ich damit mein Hobby zum Beruf machen würde, wäre mein schlimmster Tag als Künstler sicher noch besser als mein bester Tag in einem Job, der mir nicht gefällt.“

Eine Frage der Disziplin

Zurück in Kalifornien studierte er Illustration an der Kunstschule in San Francisco. „Eines der wichtigsten Dinge, die ich dort gelernt habe, ist Disziplin. Ich war schon kreativ und hatte Ideen, aber um wirklich was zu schaffen, muss man hart arbeiten.“ Nach seinem Abschluss reiste Mateo eine Weile quer durch Europa, arbeitete für eine Softwarefirma, veredelte die Wände von teuren Häusern mit Patina und verdiente sich nebenher noch mit ein paar Illustrationsjobs seine Monatsmiete. 2001 fing er nach und nach an, in der Kunstszene von San Francisco Fuß zu fassen. Zu dieser Zeit malte er abwechselnd Menschen und Monster. „Ich war damals noch nicht ganz sicher, ob die Leute das mit den Monstern wirklich ernst nehmen“, erzählt Mateo. Doch sein Skizzenbuch wurde immer voller und die Nachfrage langsam größer. Ein Jahr später lernte er seine heutige Frau kennen, die gerne zurück in ihre deutsche Heimat wollte. Er beschloss 2004 mit ihr nach Berlin zu gehen, auch wenn der Umzug bedeutete, dass er in San Francisco „weg vom Fenster“ war. „Viele Leute haben Talent, und sobald man aufhört, existiert man für das Publikum nicht mehr.“

Skallywag Gallery

Nach drei Monaten Deutschkurs in Berlin war Mateo pleite und suchte nach einer Möglichkeit, mit seiner Kunst auch hier Geld zu verdienen. Er hatte Glück und ergatterte einen Platz auf dem Flohmarkt auf dem Boxhagener Platz in Friedrichshain. Am Anfang zeichnete er Monster im Akkord, um über die Runden zu kommen. Später erweiterte er sein Angebot durch selbst angefertigte Kunstdrucke. Doch so richtig gut wurde es in Berlin erst, als er dem niederländischen Monstermaler Johan Potma über den Weg lief. Die beiden machten ähnliche Arbeiten und wurden schnell Freunde. „Ich war so begeistert. Ich hatte bis dahin keinen wirklich guten Freund in Berlin.“ Um Johan davon abzuhalten, nach Holland zurückzugehen, bot er ihm an, seine Monster zusammen mit ihm sonntags auf dem Flohmarkt zu verkaufen. Ende 2005 eröffneten die Künstler ihre gemeinsame Galerie Zozoville in Friedrichshain. 2011 kam die Onkel Zozo Gallery in Kreuzberg dazu. Johan werkelt außerdem noch in seiner eigenen Galerie The Cheese Mountain Tragedy in der Schönleinstraße. Denn bei aller Freundschaft „haben wir auch ein bisschen Luft gebraucht“, sagt Mateo.

Für ein Original und Auftragsarbeiten verlangt Mateo inzwischen 1.000 bis 10.000 Euro. Einige wenige Bilder entstehen in ein paar Stunden, an den meisten arbeitet der Künstler ungefähr eine Woche. In seinem Studio hinter der Galerie liegen und hängen überall Skizzen. „Für mich ist das Zeichnen der Kern. Ich würde das auch machen, wenn es nicht mein Beruf wäre. Aber ich bin sehr dankbar, dass ich mit meiner Kunst, Geld verdienen kann“, sagt Mateo und schaut nachdenklich. Wahrscheinlich hat er schon das nächste Monster im Kopf. Im Moment malt er besonders gerne haarige Wesen mit dünnen Beinchen und Hörnern.

Skallywag Gallery
Herrfurthstr. 10
Mo-Fr 14-19, Sa/So 12-19 Uhr
www.mateo-art.com

 
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