Junge Leute, alte Filme

Mittwoch ist Stummfilmtag in der Weisestraße. Ein Besuch bei Buster Keaton und seinem sich stetig verjüngenden Publikum.

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Mittwoch, 16. Mai 2012

Schallendes Gelächter. Einer schallt besonders laut und herzhaft – immer wieder und unverkennbar. Hin und wieder entweichen einer Frau auf den billigen Plätzen, eine Reihe hinter mir, Kommentare wie „Oje“ oder „Huch“. Normalerweise kann ich ja Filmkommentierer auf den Tod nicht ausstehen und wäre unter diesen Umständen längst furchtbar genervt, aber hier ist das erstaunlich anders. Die Geräuschkulisse passt sogar ganz hervorragend dazu – schließlich gibt es nichts zu überhören.

Stummfilmabend im Froschkönig. Jakub Sawicki am Piano kutschiert das Publikum den Film entlang, untermalt „The Navigator“ Buster Keaton und seine heiratsunwillige Begleitung mal schnell und aufgeregt, mal träge und verträumt auf ihrer ungeplanten zweisamen Odyssee auf einem Hochseedampfer. Ein Stummfilmklassiker.

Ein geschenktes Piano

Seit vier Jahren geht das nun schon so. Jeden Mittwoch ein Stummfilm mit Pianobegleitung, manchmal auch mit Gitarre. Normalerweise zeigt Ludwig Lugmeier, Stummfilmliebhaber und verantwortlich für die Vorführungen, immer einen anderen Film aus seiner Sammlung. Um die 700-800 Stummfilme habe er zu Hause auf DVD, im Laden, aus dem Internet oder auf Flohmärkten zusammengesammelt. Und einmal im Monat gibt es einen Klassiker zu sehen, so wie heute „The Navigator“ von Buster Keaton.

Kurze Einführung zu Beginn: Ludwig Lugmeier

Mit einem geschenkten Piano hat alles begonnen. Der damalige Betreiber des Froschkönigs habe nicht recht gewusst, was er damit anfangen solle und da kam Lugmeier die Idee von den Vorführungen. „Das war aber eher so ein Schuss ins Schwarze rein. Ich hab mir gedacht, das könnte ankommen und ich wusste, dass es in Berlin ein Stummfilmpublikum gibt.“ Sichtlich zufrieden und nicht ohne Stolz sitzt er im Liegestuhl vor der Bar und freut sich über den regen Andrang. „Es ist eigentlich jedes Mal voll.“

Das Publikum verändert sich

An diesem Abend haben sich jedenfalls wieder genug Stummfilmfans im Froschkönig versammelt. Auffallend viele junge Leute sitzen dicht gedrängt auf den Holzstühlen und warten geduldig auf den Start der Aufführung. Das Publikum habe sich in den letzten anderthalb Jahren verändert. „Vorher sind eher ältere Semester gekommen, aber es war immer ein gemischtes Publikum, Junge und Alte, vom Hartz IV-Empfänger bis zum Musikprofessor – wirklich genauso, wie ich das gerne hab.“

Piano und Gitarre als Begleitung

Mit der Entwicklung der letzten Jahre im Schillerkiez und seitdem der Froschkönig den Betreiber gewechselt habe, sei das Publikum zunehmend jünger geworden. Nostalgische Gefühle oder Unmut seiner neuen Kundschaft gegenüber, hegt Ludwig Lugmeier – selbst eher aus der Region der älteren Semester – aber nicht. Im Gegenteil: „Jetzt kommen sehr, sehr viele junge Leute, das ist ganz erstaunlich. Ich würde sagen, 80 bis 85 Prozent sind noch nicht über 25. Das ist doch interessant, dass die Stummfilme sehen wollen.“ Ein paar Stammgäste kommen aber nach wie vor. Eine Nachbarin aus dem Haus meint, sie komme eigentlich jede Woche und das seit mehreren Jahren, da habe sie bestimmt schon um die 120 Filme im Froschkönig gesehen.

Comeback des Stummfilms

Aus dem Stimmengewirr der vielen Gespräche im Raum blubbern immer wieder die unterschiedlichsten Sprachen an die Oberfläche: Französisch, Englisch, Spanisch, Deutsch – ausgerechnet der Stummfilm bringt Sprachbarrieren des Films zu Fall. An sich logisch, nur bekommt man es selten so deutlich vor Augen
geführt. Vor einiger Zeit habe Lugmeier zwei Italiener zu Gast gehabt, die von der Idee so angetan gewesen wären, dass sie das Konzept gleich nach Rom exportiert hätten.

Den überraschenden Erfolg des Stummfilms „The Artist“ bei den Oscars in diesem Jahr kann sich Ludwig Lugmeier wahrscheinlich nicht ganz auf seine Fahne schreiben, aber einen gewissen Pioniergeist hat er definitiv bewiesen, um nicht vom Trendsetter zu sprechen. Für ihn war der Stummfilm immer „ein Bereich der Kunst, der nie wirklich ausgereizt wurde. Da sind noch viele Möglichkeiten drin gewesen.“ Vielleicht werden diese Möglichkeiten nun doch noch ausgetestet, fast hundert Jahre später.

Stummfilmabend im Froschkönig
Jeden Mittwoch um 20 Uhr
Austritt mit Hut.