Die absurde Hoffnung

Scott Matthew spielt Ukulele, trinkt Rotwein und will bei seinem Konzert im Neuköllner Heimathafen nicht mehr aufhören zu singen.

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Donnerstag, 24. November 2011

Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr spielt Scott Matthew im Heimathafen, um sein aktuelles Album „Gallantry’s Favourite Son“ vorzustellen. Wie so viele Menschen liebt der australische Musiker Berlin und verbringt viel Zeit in der Stadt. Mit der einheimischen Popgruppe Rosenstolz hat er einen Song aufgenommen und sich für das diesjährige Modebuch des Stadtmagazins Zitty vom Photographen David Fischer ablichten lassen. Warum er noch in New York wohnt, erzählt er während des Konzerts, wisse er selber nicht. „No one gives a fuck about me in America.“

Ruhige Songs mit wundersamer Ukulele

Matthew und seine beiden Begleitmusiker beginnen das Set mit „The Wonder Of Falling In Love“. Der Songtitel verrät viel darüber, worum es an diesem Abend geht. Matthews Themen sind die alten Geschichten, die man von einem angetrunkenen, bärtigen jungen Mann erwarten würde, der sich auf der Bühne an Rotwein erfreut: Liebe, Einsamkeit und die absurde Hoffnung, die sich aus diesen miteinander verwobenen Zuständen ergibt. Ruhige Songs, geprägt von abwechselnd einsetzendem Klavier, Cello, Bass, Akustikgitarre und die bei Matthew wundersam melancholische Ukulele.

Dieses Instrument, das man in Deutschland hauptsächlich im Fernsehen als Begleitung von albernen Sendungen zu hören bekommt, webt Matthew in seine introvertierten Songs ein. Ähnlich wie es Element of Crime mit der Trompete oder Travis mit dem Banjo machten. Zwei Intrumente, die ebenso wie die Ukulele im allgemeinen Bewusstsein eher für eine ekelhafte Fröhlichkeit bekannt sind, als für das Potential für Songs von Männern, die viel zu viel über sich selbst nachdenken und, wenn man sich im Publikum umschaut, weitaus engere Hosen als ihre Freundinnen tragen.

Dosierte Schüchternheit trifft Charisma

Diese innere Rastlosigkeit ist natürlich nur vorgeschoben. „For some it seems a mistake, for me it’s a way of life”, singt Matthew in “Sweet Kiss In The Afterlife”. Es ist ein Lebensgefühl, das man sich aussucht. Wäre es wahrer Schmerz wäre der Zuhörer mitunter peinlich berührt, wenn nicht gar beschämt. So aber zieht Matthew sein Publikum in den Bann mit dieser Mischung aus beinah-traurigen Songs und einer charismatischen, dosierten Schüchternheit. Auch dank seiner Stimme, die rau klingt und gleich ins Falsett fällt, zart und dennoch immer präsent. Die alles zusammenhält. Sie unterscheidet ihn von den Anderen, die mit Gitarre auf der Bühne hocken und über ihr Leben singen.

„Thank you“, sagt Scott Matthew zum 76 Mal, nachdem er bereits zwei Mal die Bühne verlassen hat um dann doch wiederzukommen. Er möchte offenbar nicht, dass dieser Abend vorbeigeht. Gerührt schaut er ins Publikum, die eine Hand zum Winken erhoben, die andere in der Hosentasche.

Rihanna-Cover und immer noch nicht Schluss

Kurz zuvor hatte er Rihannas „Only Girl (In The World)“ gecovert, was ein perfekter Abschluss gewesen wäre. Aber Matthew will nicht aufhören. Spätestens jetzt müsste es, aller Erfahrung nach, in die Hose gehen. Spätestens jetzt müsste er sich verlieren mit seiner kleinen Band, weil die spontan gewählten Songs den Charakter seiner durchdachten Setlist zugrunde richten könnten. Scott Matthew macht weiter und überraschenderweise ist es gut.

Als er endgültig fertig ist, hat man zwar nicht viel gelernt, weder über das eigene Leben, noch über die Liebe und den ganzen Hokuspokus. Gesehen hat man die Darbietung eines talentierten Songwriters, der es geschafft hat – womöglich sei es dem Rotwein geschuldet -, eine absolute Verbindung  zwischen sich und dem Publikum herzustellen.

Im Foyer des Heimathafens kann man nach dem Konzert für zwei Euro sehr hässliche Poster von Scott Matthew erwerben. Sie gehen weg wie Freibier auf Klassenfahrt.