Von Claudia Mattern
Eine wichtige „Kochtheater“-Regel lautet: Wer zu spät kommt, zahlt 50 Cent in die Gemeinschaftskasse, und das gilt auch für Besucher. Wer wie Marion Seifert seit über fünf Jahren Projekte mit Kindern im Körnerkiez durchführt, weiß, dass ohne Pünktlichkeit keine Ergebnisse zustande kommen. Ergebnisse, das sind in ihrem Fall ein kleines Menü pro Kochtermin, gekocht von 5- bis 14-Jährigen unter ihrer Regie.
Heute stehen auf dem Speiseplan mit Käse und Tomaten überbackene Putenschnitzel mit Kartoffeln, Karotten und Salat, und als Nachtisch Melonenquark. Diesmal hat die Projektleiterin das Gericht ausgewählt. Normalerweise läuft es aber so, dass die Essensplanung demokratisch beschlossen und aufgeteilt wird, wer welche Zutaten mitbringt. Die 8-jährige Amina hat heute die Kartoffeln mitgebracht, der 10-jährige Bashir und die 7-jährige Someya waren für Karotten, Petersilie und Orangensaft zuständig.
Wer selbst Kinder hat oder mit Kindern arbeitet, weiß, wie kompliziert es sein kann, für viele Kinder zu kochen, so unterschiedlich sind die Geschmäcker. Der eine mag keine Tomaten, der andere keine Zucchini. „Ich bin so einer, der kaum etwas isst“ gesteht der 10-jährige Desmond, „ich esse auch keinen Käse.“ Malang (7) dagegen isst fast alles.
Gute Nerven für „Raubtierfütterung“
Während Amina und Someya die Tomaten und den Käse schneiden, kümmern sich Milas (10) und Alen (10) um die Petersilie. Als Alen und Amir (9) Brot schneiden, wird das ein oder andere Stück stibitzt. „Also gut“, lenkt Marion Seifert ein, „dann ist jetzt Raubtierfütterung, wenn ihr alle so einen Hunger habt.“ Normalerweise ist zwischendurch Essen eigentlich nicht gestattet, denn alle essen am Ende gemeinsam am Tisch. Dieser ist schon von Alen und Someya eingedeckt, auf die Tischdekoration legen alle großen Wert.
Die Jungs unterhalten sich über den Rummel in der Hasenheide, der Geräuschpegel steigt, dann geht der rote Teller in die Brüche. „Wer kocht denn jetzt die Möhren?“, fragt Marion Seifert schon zum dritten Mal. Intisar (12) meldet sich. Als Älteste ist sie eine große Hilfe für die Projektleitern.
Denn sich alleine um zehn Kinder zu kümmern, die mit Küchenutensilien hantieren, das erfordert vor allem auch gute Nerven. Gerade hat sich Malang mit dem Schälmesser geschnitten, kleine Unfälle dieser Art bleiben natürlich nicht aus. Samstags kommt deswegen manchmal zur ehrenamtlichen Unterstützung der Jura-Student Johannes dazu. Die Eltern werden regelmäßig bei Ausflügen und kleinen Feiern einbezogen. Neulich an Ostern, erzählt Malang, haben sie mit den Eltern und Geschwistern ausgiebig gefrühstückt, die letzten gingen am frühen Abend.
Probieren muss jeder alles
Als die Mädchen Käse und Tomaten auf die Putenschnitzel legen, gibt es von einigen Seiten Protest. „Man muss jedes Essen probieren“, erklärt die Projektleiterin, auch das gehört zu den Kochtheater-Regeln. Weitere Regeln sind, dass der Arbeitsplatz nach jedem Arbeitsgang sauber gemacht wird und alle gemeinsam die Küche aufräumen.
Zur Belohnung gibt es neben den regelmäßig stattfindenden Ausflügen außerdem alle zwei Monate einen kleinen Preis für gutes Benehmen, Mitmachen und Pünktlichkeit. Neuerdings wählen die Kinder jeden Monat einen Kochtheater-Sprecher, der die Aufgaben verteilt, derzeit ist Bashir der Chef.
„Ihr habt heute toll mitgemacht, aber ihr wart ein bisschen zu laut“, sagt Marion Seifert, als alle endlich am Tisch sitzen. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Denn wenn ein Erwachsener da ist, erklärt Desmond, wollen nun mal alle mit dem Besuch reden.
Lassen die Eltern ihre Kinder mit den neu erworbenen Kochkenntnissen denn auch zuhause an den Herd? „Ich habe für meine Eltern neulich Spiegeleier gebraten“, erzählt Amir, der seit knapp fünf Monaten mitmacht. Langfristig können sich die Eltern der Kochtheater-Kinder bestimmt auf aufwändigere Gerichte freuen.
„Marions Kochtheater“ findet jeden Freitag und Samstag ab 15 Uhr im Familienbildungszentrum, Altenbraker Str. 12a statt. Interessierte können sich unter 0152-112 57 999 oder info@marions-kochtheater.de informieren.
Für die Sommerausgabe haben alle Neuköllner Kiezzeitungen einige ihrer Seiten dem gemeinsamen Thema “Essen in Neukölln” gewidmet – wir haben für neukoellner.net daraus ein kleine Serie gemacht. Dieser Text ist ursprünglich in der Stadtteilzeitung “Körnerpost”