Teures Glück

„Die denken, sie machen damit richtig Geld.“ Warum der Weg in die Glückspielsucht oft schon im Jugendalter anfängt und die Hoffnung auf das schnelle Glück so häufig in privaten Katastrophen mündet.

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Dienstag, 19. März 2013

Automatencafé, Casino, Wettbüro. Von allen Seiten blinkt, blitzt und leuchtet es bunt. Wer die Hermannstraße entlang läuft, kommt gar nicht umher, den einen oder anderen Gedanken an die Spielerei zu verschwenden. Fast omnipräsent säumen die Spielbetriebe die Straße und flankieren den Fußgänger von allen Seiten. Laut Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales sind schätzungsweise bis zu 34.000 Menschen, in etwa ein Prozent der Berliner Bevölkerung, glücksspielsüchtig.

Die Politik hat mit dem Berliner Spielhallengesetz von Juni 2011 zwar auf die Problematik reagiert – Spielhallen müssen beispielsweise (mit Übergangsfristen für bestehende Betriebe bis 2016) einen Mindestabstand von 500 Metern zueinander haben und sie dürfen nur noch acht Automaten aufstellen – das eigentliche Problem sind jedoch die vielen Geldspielgeräte, die überall in Gewerbebetrieben stehen. In Kneipen, Imbissen, Internetcafés, Spätshops – man kann in Neukölln kaum am öffentlichen Leben teilnehmen, ohne immer wieder mit einem der blinkenden Automaten konfrontiert zu werden. Seit 2005 hat sich die Zahl der Geldspielgeräte in Berlin mehr als verdoppelt, auf fast 12.000 in 2011.

„Dass die mit dir einfach darüber reden, kannst du vergessen.“

Wer viel mit Geldspielautomaten zu tun hat, möchte offenbar nicht gerne darüber sprechen. Nicht die Mitarbeiter der Spielcasinos, nicht deren Betreiber, nicht die Spieler. Das bestätigt mir auch Nabil El Moussa, der als Betreuer im Jugendclub YO!22 an der Oderstraße arbeitet. Er würde zwar mitbekommen, dass viele Jugendliche, die sich im YO!22 treffen, an den Spielautomaten spielen würden und manche zu oft, aber selbst für die Mitarbeiter sei es schwer ins Gespräch zu kommen. Das brauche viel Zeit und Vertrauen. „Dass die mit dir einfach darüber reden, kannst du vergessen.“

Wenn die Betroffenen sich schließlich dazu durchringen, darüber zu sprechen und Beratungsstellen aufsuchen, ist es oft schon zu spät: Das Spielen ist längst zur Sucht geworden, die Schulden über den Kopf gestiegen und im schlimmsten Fall haben sie Familie und Arbeit verloren. Immerhin sei in Berlin das Bewusstsein in den letzten Jahren deutlich dafür gestiegen, dass Glücksspiel süchtig machen und als Suchtkrankheit auftreten kann, meint eine Mitarbeiterin des Präventionsprojekts Glücksspiel faules-spiel.de.

Eine Besonderheit bei Glücksspielsüchtigen ist, dass sie Verlusten durch immer neues Spielen hinterherjagen

Im Fachjargon wird die krankhafte Spielsucht als „pathologisches Spielen“ bezeichnet. „Spielsüchtige unternehmen wiederholt erfolglose Versuche, das Spiel einzuschränken oder aufzugeben. Dabei werden sie häufig als unruhig und gereizt erlebt. Soziale bzw. berufliche Tätigkeiten werden aufgegeben oder verloren.“, heißt es in der dazugehörigen Definition im Informationsblatt des Berliner Präventionsprojekts. Weiter steht dort: „Eine Besonderheit bei Glücksspielsüchtigen ist, dass sie Verlusten durch immer neues Spielen hinterherjagen (Chasing) und der festen Überzeugung sind, nur so aus ihrer misslichen Situation wieder herauskommen zu können.“

Für die Jugendliche im YO!22 sei es am schlimmsten, wenn die Geräte in Imbissen und Kiosken hinter einer Trennwand oder in einem Hinterraum verborgen sind, meint der Nabil El Moussa. Das wären die Orte, wo die Minderjährigen am einfachsten, und oft im Wissen der Ladenbetreiber, ungestört spielen könnten. Schließlich ist Glücksspiel erst ab 18 Jahren gesetzlich erlaubt. Was die Jugendlichen daran reize? „Die denken, sie machen damit richtig Geld.“ Die Gespräche, um den Jugendlichen klarzumachen, dass Automaten nicht dazu da sind, Geld zu verschenken, würden sich teilweise über ein Jahr hinziehen. Es hänge letztendlich aber an ihrer Einstellung. „Der Wille muss da sein – wie bei Drogen.“

Auch wenn niemand über die Geldspielautomaten sprechen möchte – Fotos sind immerhin erlaubt. Neben den bunt leuchtenden Maschinen eines Lokals sitzt einzig eine Frau hinterm Tresen und erlaubt mir nach kurzer Überlegung, ein paar Aufnahmen von den Automaten zu machen. „Aber nicht spielen“, meint sie mit ernster Miene, „ist gefährlich!“


Hilfe und mehr Infos zur Glücksspielsucht unter:

www.faules-spiel.de

Dieser Text ist in leicht veränderter Fassung in der Februar-/Märzausgabe der Schillerkiezzeitung Promenadenmischung zum Thema „Glück“ erschienen.

Kommentare:

  • Peter sagt:

    Spielt lieber Lotto für 14,50 (für 2 Wochen) wie der 23jähriger Britzer Taxifahrer und gewinnt über 21 Millionen !

  • Neuköllner sagt:

    Es ist nicht nur die Spielsucht, die in solchen Cafes befriedigt wird, nein, bei manchen Cafes hat man das Gefühl, das es Hinterzimmerpuffs gibt . Besonders in Neukölln, explizit in meiner Straße ist seit einigen Monaten an manchen Tagen „Romafrauentag“. Tellerberockte Frauen verschwinden dann mal für kurze Zeit in der eigentlichen Männer-Kneipe, deren kleinen Kinder (brüllend) , und manchmal auch deren Männer ,Väter, Brüder oder vielleicht Luden warten dann draußen. Den Rest male ich mir mal aus… Dazu kommt die permanente Lärmbelästigung. 24 Stunden Dauerbeschallung der Blingblinggeräte, Herumgebrülle der Männer, die sich in Gruppen vor der Kneipe zusammenrotten und „diskutieren“ , Männer, die nachts vorm Cafe laut ins Telefon brüllen, weil sie Nachschubgeld von zu Hause anfordern. Vergeblich ist es, das Ordungsamt anzuschreiben. Der Besitzer lacht sich scheckig. Einmal war das Amt da, am gleichen Tag standen zwei Gorillas vor der Kneipe, und schauten bedrohlich die Fenster der umstehenden Häuser ab- war wohl als als Abschreckung gedacht. Brief ans Polizei-Revier brachte auch nichts anderes. Es kümmert in Neukölln wirklich keinen, dass diese kriminellen Spielhöllenbetreiber öffentliche Straßen derart privatisieren, dass man als Berufstätiger wirklich weder nachts, noch an Wochenenden, noch an sonstigen Tagen normal zu leben. Man kann sich nicht einmal normal unterhalten, oder bei normaler Lautstärke Radio hören! Das Gebrüll dieser Männer dringt bis durch Doppelfenster. Rücksichtslos, asozial und primitiv. Diese Cafes gehören verboten!