Vergiftete Stimmung

Heinz Buschkowsky bleibt bis 2016 Bezirksbürgermeister. Begleitet wurde seine Amtszeitverlängerung von Protesten und hämischem Beifall. Die Sitzung der Neuköllner BVV am vergangenen Mittwoch endete in einer Farce, mit Ohrfeige für die Grünen.

(mehr …)

Samstag, 27. April 2013

Die 699. Sitzung der Neuköllner Bezirksverordneten wird einigen Beteiligten noch lange im Gedächtnis bleiben: Proteste gegen weitere Jahre mit Heinz Buschkowsky als Bürgermeister, die gescheiterte Verlängerung der Amtszeit des Grünen-Stadtrads Bernd Szczepanski, garniert mit zahlreichen Vertagungen und hämischen Aktionen von Zuschauern. Mit den Worten „die Stimmung ist vergiftet“ begann die Grünen-Abgeordnete Hanna Schumacher ihren Antrag, die BVV-Sitzung zu vertagen und die für viele als politische Farce wahrgenommene Versammlung, fürs Erste zu beenden.

Einen Tagesordnungspunkt zuvor hatte wie immer der Bürgermeister selbst das Wort. Heinz Buschkowsky informierte die Abgeordneten über die Förderung so genannter Brennpunktschulen im Bezirk. Demnach werden 42 Neuköllner Schulen an diesem Programm teilnehmen und bis zu 100.000 Euro Fördergelder vom Berliner Senat erhalten. Der Bürgermeister feierte dies vor dem Plenum als einen persönlichen Sieg.

Fördermittel und blinkende Lichter

„Es war ein langer Weg, der aus Neukölln heraus initiiert wurde“, sagte er. Seinen Vortrag beendete Buschkowsky mit dem Hinweis auf die anstehenden Maientage. Kinder und Jugendliche könnten dort endlich mal wieder die Gedanken frei bekommen, „bei all den blinkenden Lichtern“. Beinahe hätte man den Eindruck bekommen können: Alles ist in Butter in Neukölln, es gibt ja Fördermittel und Autoscooter für die Kleinen.

Derlei Gutsherrenmanier wird dem Bürgermeister schon länger von der Opposition vorgeworfen. Zahlenmäßig ist sie in der Neuköllner BVV unterlegen. Ein Zählbündnis aus CDU und SPD hält mit 40 von 54 Sitzen eine breite Mehrheit. Und so folgte nach der Pflicht Buschkowskys Kür. SPD und CDU hatten eine Abstimmung zur Hinausschiebung seines Ruhestands beantragt, damit Buschkowsky seinen Posten bis 2016 ausfüllen kann und nicht – wie eigentlich vorgesehen – dieses Jahr in Rente gehen muss. Zuvor appellierte der Piraten-Abgeordnete Steffen Burger an die Abgeordneten, dem nicht zuzustimmen.

Boykott der Grünen-Fraktion

Auch die Grünen hatten angekündigt, die Abstimmung zu boykottieren, vor dem Hintergrund der nicht enden wollenden Auseinandersetzung des Bürgermeisters mit dem Tagesspiegel und der mutmaßlichen Verstrickung des Bezirksamtes in die Recherche für dessen Buchprojekt. Steffen Burger sprach zudem davon, dass der Bürgermeister nach zehn Jahren im Amt die BVV nicht mehr ernst nehme. Er lasse BVV-Sitzungen für Buchlesungen platzen und halte, wenn er vor Ort sei, gerne  mal ein Nickerchen: „Entlassen sie Heinz Buschkowsky in seine verdiente Rente“, schloss Burger seine Rede.

Alles Klagen der Opposition nützte nichts. Buschkowsky wurde mit 37 Ja-Stimmen wiedergewählt. Zwei Abgeordnete aus dem eigenen Lager hatten ihm aber offenbar die Gefolgschaft verweigert. Und als Bezirksverordneten-Vorsteher Jürgen Koglin das Ergebnis verkündete, erhob sich eine kleine Gruppe im Zuschauerbereich und zollte unter hämischen Beifall dem Bürgermeister seine „Hochachtung“: „Von Buschkowsky lernen, heißt siegen lernen“, sagte der Neuköllner DIE PARTEI-Vorsitzende Georg Kammerer dem Plenum und leerte anschließend einen Sekt. Unter lautstarken Protesten des Vorstehers verließ die Gruppe daraufhin den Zuschauerbereich.

Machtpolitische Retourkutsche?

Nach einer kurzen Vertagung nahm die Sitzung ihren weiteren Verlauf und wurde zur Farce. Denn es kam zur jener Ohrfeige für die Opposition, welche die Stimmung nachhaltig vergiften sollte. Der Antrag zur Verlängerung der Amtszeit von Sozialstadtrat Bernd Szczepanski (Bündnis90/Die Grünen) wurde von einer knappen Mehrheit abgelehnt. Jener Szczepanski, der vom Bezirksamt mit der Befragung von Mitarbeitern beauftragt wurde, um endlich Licht ins Dunkel von Buschkowskys Buchprojekt zu bringen. Sollte hier eine machtpolitische Retourkutsche vollzogen werden? Laut Grüne gab es zuvor eine eindeutige Absprache auf Enthaltung mit den Sozialdemokraten. Drei SPD-Abgeordnete stimmten offenbar gegen den Antrag des einstigen Bündnispartners. Das Vorgehen erinnert sehr an die Causa um die Ex-Stadträtin Gabriele Vonnekold (Grüne), die im Oktober 2011 von SPD und CDU ebenfalls demontiert wurde.

Doch ging es am vergangenen Mittwoch beileibe nicht um die negative Bewertung der Arbeit von Bernd Szczepanski, dem in den vergangenen Jahren überparteilich und über Bezirksgrenzen hinaus, erfolgreiche Arbeit als Sozialstadtrat attestiert worden war. Szczepanski hatte sich besonders für Menschen stark gemacht, die soziale Unterstützung benötigen, wie etwa Wohnungslose, Flüchtlinge und von Zwangsräumung bedrohte Mieter. Auch sein solidarischer Einsatz gegen rechtsextreme Aktivitäten brachte dem Politiker viel Respekt ein. Vor der Abstimmung gab es zudem keinerlei Kritik an der Arbeit Szczepanskis seitens der SPD.

Auf Demontage folgt Abbruch

Für die Grünen war die Demontage ihres Stadtrates zu viel. Sie forderten den Abbruch der Sitzung, da eine sachliche Diskussion nicht mehr möglich sei. Nach langem Hick-Hack, einer fast einstündigen Unterbrechung und vielen Gruppengesprächen, einigte man sich darauf, nach den mündlichen Anfragen abzubrechen. Als Szczepanski dafür wieder vor das Plenum treten musste, wirkte der 64-Jährige sichtlich angeschlagen: „Die Vorgänge heute Abend gehen nicht spurlos an mir vorbei. Ich bin zutiefst enttäuscht, auch für meine Mitarbeiter, die trotz guter Arbeit in den letzten Jahren unter dieser Entscheidung zu leiden haben.“

Die Fraktion der Grünen beabsichtigt nun, für Mitte Mai eine Sondersitzung der BVV zu beantragen, in der sie den Antrag auf Amtszeitverlängerung von Bernd Szczepanski erneut einbringen wird. Bleibt abzuwarten, ob das Zählbündnis aus SPD und CDU dann politische Arbeit als Gradmesser für die Besetzung eines Stadtratpostens heranziehen wird, oder ob machtpolitische Spielchen und ein Buch des Bürgermeisters, die Personaldebatten in der BVV weiterhin nachhaltig beeinflussen werden.