Du, ich und der Reuterplatz

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Feierabend Poetic Cumbia auf dem 3000 Grad Festival.

Vor zwei Jahren haben sich die Mitglieder der Band Feierabend Poetic Cumbia zum ersten Mal getroffen. „Gabriel war bei mir zu Hause, er hatte die Gitarre dabei“, erzählt Maximiliano Freites, der sich selber Maki nennt, „dann sind wir auf den Reuterplatz gegangen. Die Jungs waren schon da, wir haben angefangen zu spielen. Und es war gut.“

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Text:

Mittwoch, 19. August 2015

Interview und Fotos: Michalina Kowol

So spontan war die Band geboren. Feierabend Poetic Cumbia mischen Pop, Ska, Cumbia, Tango, Cuarteto und Elektro und wechseln zwischen deutschen und spanischen Texten. Nun haben sie ihre erste Platte aufgenommen. Maki ist der Sänger, wobei Rezitator wohl besser passt für seinen Sprechgesang. Ein Gespräch über Missverständnisse, Alltagsrassismus, Brötchen und Neukölln.

neukoellner.net: Wie habt ihr euch für den Bandnamen entschieden?

Maki: Feierabend ist unser Lieblingswort auf Deutsch. Ich glaube, es existiert nur in der deutschen Sprache… Es bedeutet mehr als nur „der freie Abend nach dem Arbeiten“. Es heißt, dass man eine Arbeitsstelle hat. Dass man sich als Ausländer integriert hat. Und dass man es feiern darf.

Sind alle Bandmitglieder Ausländer?

Ja, in der der Band gibt’s zwei Argentinier, Gabriel und mich. Jorge und Alvaro kommen aus Chile und Hiula aus Mexico.

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Maki auf der Bühne.

Seid ihr alle ausgebildete Musiker?

Fast alle (lacht). Ich nicht. Ich habe keine Ahnung von Musik. Ich finde es faszinierend, die anderen Jungs zu beobachten, wenn sie spielen. Ich habe sehr viel über Musik dank ihnen gelernt. Sie wissen genau, was sie tun. Ich improvisiere. Auch das Lied „Ich habe nicht richtig verstanden“ ist nie hundert Prozent gleich, ich wechsle immer die Wörter. Ich habe keinen Kopf für die Lyrics. Und, ehrlich gesagt, ich halte es immer noch für unglaublich, dass ich in einer Musikgruppe bin. Und dass ich dafür Geld kriege!

Wovon erzählt „Ich habe nicht richtig verstanden“?

Es ist eine Geschichte eines Jungens, der nach Berlin kommt. Er begegnet einem Mädchen am Reuterplatz, das er sehr hübsch findet, und will sie ansprechen, er kann aber kein Deutsch… Trotzdem, sie ruft ihn wieder an. Aber, obwohl sie einander mögen, schaffen sie es nicht, zu kommunizieren. Viele unserer Lieder handeln von interkulturellen Missverständnissen. „Commandante Ivan“ zum Beispiel geht über einen Freund von mir, der genauso aussieht wie Che Guevara. Alle warten auf ihn, um eine Revolution zu organisieren, er hat aber keine Ahnung davon. Ich denke aber, diese Missverständnisse sind eher etwas Positives.

Was soll denn daran positiv sein?
Viele Menschen haben Angst vor dem Fremden. Das ist die Ursache des Rassismus. Auch hier in Berlin, obwohl es eine internationale Stadt ist. Es ist nicht einfach, sich zu integrieren. Man wird manchmal frustriert, weil man kein gutes Deutsch spricht, keinen Job kriegt. Ich kenne aber auch viele Ausländer, die jeden Satz mit „Naja, du weißt schon, die Deutschen…“ anfangen. Manchmal, wenn man sich diskriminiert fühlt, fängt man auch an zu diskriminieren. Das finde ich total falsch. Und schade, weil wir alle viel voneinander lernen können. Also anstatt zu diskriminieren, sollten wir alle unsere Kommunikationsprobleme und interkulturelle Missverständnisse für etwas Positives, Komisches halten. Die Unterschiede sollen uns zusammenbringen, nicht trennen. Lass mich noch einmal von „Verstanden werden“ reden… der Junge in dem Lied geht am Ende in die Bäckerei und schafft es nicht, Brötchen zu kaufen. Es ist eine komische aber auch tragische Situation, weil plötzlich etwas so einfaches wie Brot zu kaufen kompliziert wird. Ich glaube, hier in Berlin haben alle Probleme damit.

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Alle?

Na ja, weißt du eigentlich, wie viele Wörter es für „Brötchen“ auf Deutsch gibt? Schrippe, Semmel, Wecken…

Es scheint, als wäre es dir selbst passiert, keine Brötchen kaufen zu können.

Es passiert mir immer noch.

Wohnst du schon lange in Berlin?
Seit sechs Jahren. Zuerst habe ich in Friedrichshain gewohnt, dann in Neukölln.

Fühlst du dich als Berliner?

Ich fühle mich als Neuköllner. Es ist mein Kiez. Am liebsten spiele ich hier, ich fühle mich hier zu Hause. Ich bin ganz stolz, dass mein Sohn in Neukölln geboren ist (lacht).

Eure Platte habt ihr auch in Neukölln aufgenommen?

Na klar! Wir haben alles selber aufgenommen. Das Album heißt „Disco de oro“, also „Goldene Schallplatte“. Es ist also gar nicht so wichtig, wie viel Platten wir verkaufen, weil sie schon als goldene ausgezeichnet wurde. Wenn jemand Lust hat, eine zu kaufen, sagt einfach Bescheid! Ich würde es aber empfehlen, unsere Lieder zuerst zu hören, wir akzeptieren keine Rückgaben.

Das nächste Konzert von Feierabend Poetic Cumbia findet am kommenden Samstag beim Sommerfest des Gemeinschaftsgarten Prachttomate statt. 22.8., 14-22 Uhr, Bornsdorfer Str. 9-11. Mehr Infos dazu hier.

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