Von wegen Döner, Kebap!

Im Kebapladen bei Öz Samsun (Foto: Deniz Julia Güngör)

„Türkisch für Anfänger“, Lektion zwei: Wir besuchen einen Kebapladen! Tee, Suppe, Lammspieße bestellen? Alles kein Problem. Hört selbst! (mehr …)

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Montag, 14. April 2014

Drücken, ITINIZ, Push – drei Worte in goldenen Buchstaben. Sie heißen jeden willkommen, egal welcher Sprache und kleben auf der gläsernen Eingangstür zum Kebap-Imbiss Öz Samsun. Samsun ist die größte Stadt an der Schwarzmeerküste, ganz im Norden der Türkei. „Öz“ heißt so viel wie typisch, original, klingt nach guter Hausmannskost, also rein!

„Merhaba“, begrüßt uns eine Frau im Öz Samsun-Poloshirt, wir lassen uns an einem der Holztische hinten im Eck nieder. Über uns ein Regal, darauf große Gläser mit eingelegten Zucchini, Paprika und Peperoni. An einem Faden aufgereiht knall-orangene getrocknete Paprika und etwas, was einem Pilz ähneln könnte. „Das sind getrocknete Auberginen“, klärt mich Deniz auf, haltbar gemacht für die Wintermonate, in denen sie aufgeweicht, und mit Hackfleisch gefüllt im Topf gegart werden.

Ein Platz an der Ecke

Aber darum geht es bei Öz Samsun nur am Rande. Schließlich sind wir hier bei einem „Kebapçı“, also einem Kebap-Imbiss, und Kebap bedeutet: zubereitetes Fleisch. „Der Porsche unter den Neuköllner Dönerläden!“, steht irgendwo im Netz, aber das trifft es nicht ganz. „Das ist ein Kebapladen, was heißt, dass es hier diverse Fleischgerichte gibt“, bestätigt Mehmet B. Er betreibt den Imbiss an der Donau-, Ecke Erkstraße schon seit 1992. „Ich habe den Platz genommen, weil’s direkt an der Ecke ist, und weil unsere Kunden hier in dieser Umgebung wohnen.“ Mehmet verkauft auch Döner, also Fleisch am gedrehten Spieß, aber das ist eben nur eine seiner Spezialitäten.

Daneben gibt es zum Beispiel den Iskender Kebap – dünn geschnittenes Lammfleisch vom Dönerspieß – aus Bursa, der viertgrößten Stadt in der Türkei, 150 Kilometer südlich von Istanbul. Zudem den Adana Kebap, eine regionale Kebap-Art aus dem südostanatolischen Adana, besonders scharf gewürztes Hackfleisch, am Spieß gegrillt. Und eine ähnliche Variante, der Urfa Kebap, aus Urfa, oder auch: Şanlıurfa, ebenfalls in Südostanatolien. „Weil die es so scharf mögen, ist es halt scharf“, meint Mehmet. „Urfa heißt also scharf“ – zumindest bei Öz Samsun.

Tuerkei-Karte

Und für Vegetarier? Falafel, Halloumi, gemischte Salate, vegetarische warme Vorspeisen, Suppen, zählt der Chef auf. Die Linsensuppe ist laut Online-Kommentar „No. 1 in town!“ Suppen werden vor allem morgens gegessen, ab mittags wird dann die Karte gereicht, bis spät – Öz Samsun hat 24 Stunden auf.

Kaiserliche Ravioli

Das Brot ist selbst gebacken und stapelt sich vor dem Steinofen. Und hausgemacht ist auch das Haşlama, eine Lamm-Kartoffelsuppe, das Tas Kebabı, ein Schmorgericht mit Lamm, und Bohnen, einmal aus getrockneten weißen Bohnen, als Kuru Fasulye, und einmal mit grünen, frischen Bohnen als Taze Fasulye. Und: „Eine unserer Mitarbeiterinnen ist eine ‚Mantıcı'“, schwärmt der Chef. Mantı sind kleine Ravioli aus einer türkischen Provinz namens Kayseri. Nach lateinisch Caesarea, zu Ehren des römischen Kaisers Tiberius so benannt. Mantı zu falten ist eine Kunst, die uns Ayşe M., die Ravioli-Meisterin, anhand einer Serviette erklärt.

Und was ist das Besondere an eurem Laden, fragt Deniz bei Mehment nach. Der sagt lange nichts, dann ruft Ayşe von hinten: „Familienatmosphäre, dass unser Chef die Speisen mit großer Sorgfalt zubereitet, und unser selbst gemachtes Suppen- und Döner-Brot.“ Und dann fällt ihr noch etwas ein. „Unsere Mitarbeiter haben ‚Lachgesichter'“, auf türkisch: Güleryüzlü, „und unsere Kunden sind sehr zufrieden.“

 

Lektion zwei: Kebapçıda – Im Kebapladen

Was Kebap ist haben wir ja schon von dem Inhaber des Öz Samsun erfahren. Was aber ist dieses komische Anhängsel da?

Das Türkische ist eine sogenannte agglutinierende Sprache. Das bedeutet, die Wörter werden verändert, indem Anhängsel, sogenannte Suffixe „angeklebt“ werden. Ich merke mir das Wort agglutinierend immer am englischen Wort „glue“ = Kleber; also ankleben. So kann man sich das auch vorstellen. Wollen wir ein Wort grammatikalisch oder lexikalisch – also in seiner Bedeutung – verändern, dann „kleben“ wir etwas Entsprechendes ran. In diesem Falle haben wir sogar zwei Suffixe! Und das geht so:

Wir haben also das Ausgangswort „kebap“, was, wie gesagt, so viel wie „zubereitetes Fleisch“ bedeutet. Hängen wir da noch das „-çı“ ran, „Kebapçı“, dann bedeutet es Kebapladen oder auch Kebapmann/-macher. Das „-CI“ – so schreibt man es vereinfacht, weil es sich je nach Wort verändern kann – ist ein Suffix, mit dem man unter anderem Berufsbezeichnungen bilden kann. Würden wir zum Beispiel „Dönerladen oder Dönermann“ sagen wollen, hieße es „Dönerci“. Ihr habt schon richtig gesehen, hier steckt kein Schreibfehler drin, das „c“ hat hier kein Häkchen, wir haben also ein „c“ (dsch). Und das „i“ hat hier plötzlich einen Punkt! Das alles liegt an den Lauten davor. Mehr dazu aber in einer anderen Lektion.

Wenn wir nun sagen wollen „IM Kebapladen“, dann brauchen wir noch ein zweites Suffix. Das sogenannte “Lokativsuffix”. Es bezeichnet einen Ort und schreibt sich vereinfacht “-DA”. Es ersetzt die Präpositionen, die wir im Deutschen brauchen, um eine Ortsangabe auszudrücken, wie im, am beim etc. Das Lokativsuffix ist übrigens betont! “Kebapçıda” bedeutet also “Im Kebapladen”.

Und im Dönerladen? Na klar! “Dönercide!”

Schön und gut aber was sagen wir, um in den Genuss der leckeren Speisen zu kommen?

Wir lernen bestellen!

Für diejenigen, die schon etwas Türkisch können, haben wir ein paar O-Töne eingebaut. Die anderen dürfen sich derzeit zurücklehnen und den Klängen der Sprache und der Musik lauschen.

Eigentlich kann man es sich immer erst auch einfach machen. So wie im Deutschen auch, können wir bestellen, ohne zum Beispiel mit Verben jonglieren zu müssen. Wir widmen uns heute mal der Bestellung eines ganzen Menüs. Dazu ist es natürlich sinnvoll zu wissen, was es denn so alles auf der Karte gibt! Schaut doch mal rein und übt dabei einfach mal das Lesen!

Was beim Bestellen auch wichtig ist, sind natürlich die Zahlen. Aber wer kann nicht auf Türkisch bis drei zählen? „Bir, iki, üç!“ Und das reicht auch fürs Erste!

Es geht los! „Bir mercimek çorbası ve bir tavuk çorbası lütfen.” „Eine Linsensuppe und eine Hühnersuppe bitte.“ Dazu gibt es bei Öz Samsun übrigens köstliches selbstgebackenes „ekmek“ oder genauer: „pide“, etwas Petersilie, Rettich und scharfe grüne Minipaprika – und ich meine wirklich SCHARF! „Ufff çok acı!!!!“, „Puuhh sehr scharf!!!“

Und als Hauptspeise?

Uns reicht das aber noch nicht, wir haben Hunger und wollen mehr! Am liebsten natürlich die ganze Speisekarte einmal durchkosten! Aber wir bleiben bescheiden und entscheiden uns für „Kuzu Şiş Kebap“, Lammfleischspieß und dazu …, hört selbst:

„İki Kuzu Şiş ve bir çoban salatası lütfen.” „Zwei Lammfleischspieße und einen Hirtensalat, bitte.“

„Hmm çok lezzetli! Değil mi Cara?“ „Sehr lecker! Stimmt’s Cara?“

„Evet.“

Wenn schon süß, dann richtig

Und was soll es zum Nachtisch sein? „Tatlı olarak ne alırsınız?“ Es ist ja noch etwas kühl, deshalb darf es ruhig richtig süß sein! Wir entscheiden uns für: „İki künefe lütfen.“

„İçecek olarak ne alırsınız?“ „Was wir gerne zu Trinken hätten?“ Na çay natürlich! „Ve iki çay lütfen!“

Künefe ist übrigens etwas sehr Feines! Habt ihr schon mal Engelshaar gekostet? Nein? Na dann wird’s Zeit! Künefe ist eine Süßspeise, die aus dem berühmten „Engelshaar“, einer Art hauchdünner Fadennudeln gemacht wird. Das Besondere ist nicht nur, dass es im Steinofen gebacken wird, sondern auch, dass es als Überraschung in der Mitte einen köstlichen, ebenfalls Fäden ziehenden relativ geschmacksneutralen Grillkäse hat! Einfach himmlisch! Oder wie der Türke sagen würde „şahane“, „königlich“.

 

Sprachkurs & Fotos: Deniz Julia Güngör; Konzept, Texte, Sounds: Deniz Julia Güngör, Cara Wuchold; Illustrationen: Katrin Friedmann

 

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