Text: Isabel Schäfer
Die Neuköllner Kunstfälscher Posin sehen selbst ein wenig aus wie die großen Meister, die sie kopieren. Bärte wie el Greco, Haare wie Velázquez. So sitzen und rauchen sie in ihrem kleinen bohèmen Atelier. Und dieses ist mittlerweile kein Geheimtipp mehr. Das enorme Medieninteresse an den drei Brüdern hat ihre Kopien weltbekannt gemacht. Warum sie sich selbst jedoch niemals als Kopisten bezeichnen würden, erklären die russischen Expatriaten und überzeugten Junggesellen in unserem Interview.
neukoellner.net: Wie sind Sie Künstler geworden?
Eugen Posin: Diese Frage beantworte ich nicht. Wir sind so geboren. Wir haben nie etwas anderes gemacht und nie etwas anderes gedacht. Einen Zeitpunkt, an dem wir Künstler geworden sind, gab es nicht.
Sie haben in den 70er Jahren an der Akademie der Künste und am Repin-Institut in Leningrad studiert. Wie unterscheidet sich Ihre Ausbildung von der an einer deutschen Kunstakademie heute?
Michael Posin: Das ist wie Tag und Nacht.
Eugen Posin: Ganz einfach: hier lernt man nichts. An diesen Schulen wird einem gesagt, man könne dort lernen, wie man Künstler und Genie wird. Einfach so, ohne Handwerk und Verständnis für Kunstgeschichte. Als Künstler muss man aber zuerst etwas können – wie malen und zeichnen. Ich frage Sie, wenn man nicht mal das Einmaleins der Kunst beherrscht, von welcher Ausbildung kann man dann sprechen?
Sie wohnen seit vielen Jahren in Neukölln. Momentan verändert sich der Bezirk rasant. Es kommen neue Cafés. Immer mehr junge Leute ziehen hier hin. Haben Sie Angst, dass Neukölln seinen Charakter verlieren wird?
Michael Posin: Ich glaube, dass sich alles einfach entwickelt.
Eugen Posin: Man kann das nicht beeinflussen und es stört uns auch nicht. Neue Cafés eröffnen. Das finden wir positiv. Es gibt hier nämlich auch Straßen, wo überhaupt nichts passiert. Dort kann man nur schlafen. Und ich schlafe nachts ohnehin nicht. Das ist die Zeit, in der wir arbeiten.
Gibt es einen Ort oder ein Café das Sie besonders mögen?
Eugen Posin: Ja, hier vorne hat so ein Café eröffnet. Das, wo es immer keinen Platz gibt (Anm. d. Red.: um nicht noch mehr Platzmangel zu schaffen, sei der Name mal außer vor gelassen). Den einzigen Fehler, den sie dort machen, ist, dass sie zu früh schließen. Sie müssten die ganze Nacht aufhaben.
Zurück zu Ihrem Geschäft: Wer sind eigentlich Ihre Kunden? Wer kauft Kopien von großen Meistern?
Michael Posin: Leute, die Malerei mögen. Liebhaber dieser Kunst.
Eugen Posin: Das sind selbstverständlich auch Leute, die sich das leisten können. So billig ist das auch nicht.
Wie ist die preisliche Kategorie Ihrer Werke?
Eugen Posin: Die untere Grenze sind 1000 Euro. Nach oben hin ist alles offen.
Ist es nicht eigentlich illegal, was Sie tun?
Eugen Posin: Nein, 70 Jahre nach dem Tod des Künstler erlöschen die Urheberrechte und man darf seine Werke kopieren, allerdings nicht in Originalgröße. Plus minus einen Zentimeter muss der Unterschied mindestens betragen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich gerade auf Kopien oder Fälschungen zu spezialisieren?
Michael Posin: Wir sind nicht einfach Kopisten. Das ist falsch! Außerdem machen wir auch unsere eigenen Bilder. Das läuft parallel.
Was macht Ihre eigenen Bilder aus?
Michael Posin: Wir tragen zwei Mentalitäten in uns. Eine war schon da und die andere hat sich hier entwickelt. In unseren Bildern kommen Ost und West zusammen. Als Künstler muss man dabei immer ehrlich bleiben. Weiter nichts. Es gibt viele Künstler, die aus dem Osten stammen und sich hier irgendwie versuchen zu integrieren. Dann opfern sie sich selbst. Weil diese sogenannte aktuelle Kunst hier umbringen kann. Selbstverständlich kommen Informationen von allen Seiten. Und wir kennen auch den Druck des Kunstmarkts. Aber man muss bleiben, wer man ist. Und einfach weiterarbeiten.
Also das Geheimnis ist, die Kunst aus sich selbst zu holen und niemals darauf zu achten „wo passe ich rein oder wie kann ich Geld verdienen?“
Eugen Posin: Genau! Diese Fragen interessieren uns nicht. Sie haben mit Kunst nichts zu tun.
Michael Posin: Ein Künstler muss einfach er selbst bleiben und machen, was er will. Das ist Freiheit.
Sie sind drei Brüder und arbeiten seit je her zusammen. Wie ist das Leben so zu dritt?
Eugen Posin: Wir leben nicht zusammen.
Sind Sie verheiratet?
Eugen Posin: Nein.
Keiner von Ihnen?
Eugen Posin: Nein. Offiziell nicht. Mit Familie passt es nicht zusammen.
Sie sind ja von Beruf Kopisten …
Michael Posin: Nein!
Eugen Posin: Nein! Es gibt keinen Beruf der „Kopist“ heißt. Wo haben Sie das gesehen?
Aber in China und anderen asiatischen Ländern ist das Kopieren doch ein sehr altes Handwerk…
Michael Posin: Nein, es gibt keine Kopisten. Was sie beschreiben sind Nachmacher, die andere Bilder wie ein Affe nachahmen. Das hat mit Kunst nichts zu tun.
Eugen Posin: Diese Leute versuchen, ein genaues Abbild zu machen. Viel besser macht das ein Fotograf. Sie machen die Oberfläche nach, so wie sie meinen, dass es gemacht wird. Das ist alles. Diese Bilder sind hauptsächlich mit Fließbandmethode gemacht. Und sie kosten fast nichts. Mit Kunst und mit unseren Bildern hat das nichts zu tun. Sie haben die Aura und den Inhalt von unseren Bildern nicht. Sie geben nichts wieder.
In einem Interview haben Sie einmal gesagt, dass Sie beim Kopieren ähnlich wie ein Schauspieler arbeiten, der sich in seine Rolle versenkt.
Michael Posin: Richtig. Was wir machen ist die Seele des Bildes wiederentstehen zu lassen. Man muss sich in die Zeit hineinversetzen und versuchen, zu fühlen, wie andere sich gefühlt haben.
Die Bilder, die Sie nachempfinden, sind in sehr konkreten Lebenssituationen entstanden. Van Gogh zum Beispiel befand sich in einem besonderen seelischen Zustand. Er stand am Fenster, sah das Licht und begann zu malen. Ist es nicht ein Widerspruch in sich, so etwas „reproduzieren“ zu wollen?
Michael Posin: Das ist kein Widerspruch. Man muss nur versuchen, sich maximal in diesen Künstler hineinzuversetzen.
Wie tief gehen Sie dabei? Haben Sie keine Angst, sich selbst zu verlieren?
Michael Posin: Es ist nicht so, dass man dann irgendwann vom Dach springt. Jeder Künstler hat innerlich einen Abstand zu dem, was er macht – zwar einen kleinen – aber den hat er immer.
Eugen Posin: Wenn man sich, nachdem das Bild fertig ist, auch weiter so fühlt wie der Künstler, dann wird man zu einem psychiatrischen Fall. Man muss sich einschalten und abschalten können.
Ist Ihnen das jemals schwer gefallen?
Michael Posin: Nein, denn es ist genau das, was Spaß macht.
Eugen Posin: Und es funktioniert. Unsere Bilder wirken später genauso wie das Original. Das ist das Wunder. Deswegen ist unser Geschäft so erfolgreich.
Also malen Sie eigentlich auch Originale?
Eugen Posin: Ja, genau. Wir malen Bilder, keine Kopien. Wir müssen uns nicht unter den Künstler und sein Werk stellen. Wir denken nicht, das ist ein großer Künstler und ich bin so wie ein Dackel. Nein! Sonst wird das Bild später genau das zeigen.
Obwohl Sie ein anderes Kunstverständnis haben, als derzeit im postmodernen Europa en vogue ist, interessieren sich die Medien sehr für Sie. Wie erklären Sie sich das?
Michael Posin: Das hat ein bisschen mit der heutigen Kunstszene zu tun. Wahrscheinlich suchen die Leute einfach etwas anderes. Das Interesse an traditioneller Kunst scheint immer noch da zu sein.
Eugen Posin: Ich glaube, dass man mit dieser sogenannten modernen Kunst – mit diesen Installationen und Performances – das Publikum versucht, zu vergewaltigen. Das gefällt praktisch niemandem. Ich denke nicht, dass man wirklich so begeistert ist, von Dingen, die man nicht versteht und nicht fühlt.
Also Sie würden nicht extra nach Kassel fahren, um sich die documenta anzuschauen?
Michael Posin: Ich habe gelesen, dass dort u.a. Tomaten ausgestellt werden. Dafür würde ich nicht dorthin fahren. Dann gehe ich lieber hier in den Supermarkt. Dort sehe ich auch Tomaten. Die esse ich dann auch direkt.
Eugen Posin: Jemand hat mir mal gesagt „Sie leben in einer falschen Zeit“.
In welcher Zeit hätten Sie besser gelebt?
Eugen Posin: Wahrscheinlich besser vor 300 Jahren. Oder vor 500. Als es noch richtige Konkurrenz gab. Bis in die erste Hälfte des 20. Jhds waren alle noch Profis. Picasso konnte alles, nicht nur Kubismus. Und jetzt geht es auf Null.
Ein echter Künstler ist also für Sie ein Universalgenie, das alle Stile beherrscht und sich darüber hinaus aussuchen kann, was er in seinen eigenen Bildern kreiert?
Michael Posin: Genau. In einem Künstler sammelt sich alles – was früher geschehen ist, was jetzt passiert und was noch kommt.
Können Passanten bei Ihnen vorbeikommen, um Ihre Bilder anzuschauen?
Michael Posin: Selbstverständlich, herzlich willkommen.
Kunstsalon Posin, Wippertstraße 20
12055 Berlin
Di., Do., Fr., Sa, je 18 – 21 Uhr.
http://www.kunstsalon-posin.de/