neukoellner: Seit Herbst 2005 gibt es die Heil Quelle in der Pannierstraße. Warum hast du damals einen Späti eröffnet?
Doris Heil: Das Anfangskonzept der Heil Quelle war kein Späti. Wir haben als Telecafé und Getränkehandel begonnen. Darauf lag der Fokus, auch wenn es Tabakwaren und ein paar Zeitungen gab. Die Heil Quelle hatte damals vier Telefonkabinen und im ersten Jahr lief das bombig. Der Laden hat sich aber immer am Bedarf und den Kundenwünschen orientiert. Irgendwann wurden zum Beispiel Eier, andere Bier- oder Brausesorten angefragt, also habe ich die mit ins Sortiment genommen.
Die Heil Quelle hat sich in den letzten Jahren ja zu einer Art Spezialladen für Zeitschriften und Magazine im Reuterkiez entwickelt. Wie kam das?
Am Anfang hatten wir sehr wenige Zeitungen und Zeitschrift, die konnte ich damals noch in Vollansicht präsentieren. Der Pressehandel war am damals sowieso Neuland und eine Herausforderung, bei all den Titeln die es gibt. Dann kam aber mit jedem Feuerwerksverkauf neue Auslagefläche dazu und immer wieder fragten Kunden nach bestimmten Magazinen, die ich dann besorgt habe. So kamen stetig neue Zeitschriften hinzu. Die Heil Quelle ist auch heute noch eine Anlaufstelle für Leute, die bestimmte oder besondere Zeitschriften suchen.
Liest du selbst gerne Zeitungen und Magazine?
Ich habe zum Lesen kaum Zeit. Aber ich blättere schon ganz gerne, zum Beispiel in Wohnheften.
Vor einem guten halben Jahr ist die Heil Quelle knapp drei Blöcke weiter gezogen. Ihr verkauft neben Tabak, Getränken und Zeitschriften jetzt auch Handwerksbedarf.
Ich musste aus den alten Räumen raus und habe am Anfang nach leeren Räumen geguckt. Das ist ja auch das Naheliegendste. Doch es war nicht einfach, einen geeigneten Laden zu finden. In der Nachbarschaft war schon seit einiger Zeit bekannt, dass der Handwerksladenbesitzer aufhören will, also habe ich ihn gefragt. Der Handwerksladen ist seit 20 Jahren ein eingespieltes Geschäft und funktioniert, also wird kombiniert. Es war eine bewusste Entscheidung, den Handwerksbedarf im vorderen Raum zu lassen. Ich wollte nicht, dass er aus dem Blick der Kunden gerät. Jetzt sieht es zwar ein bisschen nach Kraut und Rüben aus, aber das gehörte auch vorher schon zum Charme des Ladens. Da musste man auch suchen und stöbern. Irgendwann würde ich gerne umbauen und den Laden übersichtlicher gestalten. Aber das letzte Jahr war sehr anstrengend und wir mussten an unserer neuen Adresse erst einmal ankommen.
Was war dein aufregendstes Erlebnis in Neukölln?
Die Überfälle auf die Heil Quelle waren leider schon sehr aufregend. Einmal habe ich einen bewaffneten Räuber mit dem Kasseneinsatz in die Flucht geschlagen. Der dachte erst, ich sei ein wehrloses Opfer. Er zwang mich die Kasse zu öffnen, nahm den Einsatz heraus und schaute, ob darunter noch Geld liegt. In dem Moment schnappte ich mir den Einsatz und schlug auf ihn ein.
Seit wann lebst du in Neukölln?
Seit 2000. Ich habe vorher in Kreuzberg gelebt und damals eine bezahlbare Wohnung mit Balkon und Sicht auf den Himmel gesucht. So bin ich im Reuterkiez gelandet.
Kannst du dir vorstellen, noch einmal in einen anderen Bezirk zu ziehen?
Ne, ich fühle mich hier schon ganz wohl. Auch wenn ich manchmal bedauere, dass das alte Neukölln, in dem man auch mal in Jogginghose einkaufen gehen konnte, weg ist. Jetzt ist alles so hip und trendig.
Was würdest du an Neukölln verändern, wenn du könntest?
Ich würde die Zeit anhalten oder zurückdrehen, aber das geht ja nicht. Neukölln hat sich schon sehr verändert. Ich fand früher die Mischung besser. Die Altneuköllner sterben allmählich weg oder ziehen ins Altersheim, die Sonnenallee hatte früher viel mehr kleine Fachgeschäfte, jetzt gibt es so viele Ramschläden, die Mieten steigen und das orientierungslose Jungvolk finde ich manchmal auch ein bisschen schwierig. Früher waren wir mehr ein Kiezladen, in dem die Nachbarn auch mal ihren Schlüssel deponiert haben. Aber das ist der Lauf der Dinge.
Heilquelle, Pannierstraße 58, 12047 Berlin
www.heil-quelle-berlin.de