Text: Torben Lehning, Symbolbild: Fabian Friedmann
Für Springer war er zu rechts
Der ehemals stellvertretende Chefredakteur der Bild am Sonntag, Nicolaus Fest, unter anderem bekannt für seinen Artikel: „Der Islam als Integrationshindernis“, vertreibt sich seit jenem Glanzstück und dem daraus resultierenden Rauswurf beim Springer-Blatt die Zeit mit scharfsinnig-analytischen Einträgen auf seinem Blog. Herr Fest hat eine ganz schön schwere Woche hinter sich und wäre er dem Springerblatt nicht zu rechts gewesen, hätten wir seinen Blogeintrag „A failed area: Neukölln“ sicherlich in der BamS bewundern können.
Herr Fest hatte Stress
Ihr werdet es nicht fassen, was Fest diese Woche in Neukölln passiert ist. Ein Wagen fährt über eine rote Ampel. Nicolaus Fest wettet mit seinem Freund, der ebenfalls in Nicis Flitzer sitzt, welche „Ethnie“ der Fahrer wohl haben wird. Der Fahrer lässt kurz darauf einen „Besiktas Istanbul Schal“ aus dem Fenster wehen und pöbelt den lachenden Nicolaus Fest an der nächsten Kreuzung an. Er bespuckt und tritt das Auto des Ex-Bild-Redakteurs, was diesen zu einem zweifelhaften Kommentar in seinem Tagebuch-Blog verleitet: „Und solches Pack fordert Respekt“.
Kurze Zwischenfragen l :
Lieber Nicolaus Fest, welche „ethnische Gruppe“ lässt sich durch einen Fußballschal eindeutig zuordnen? Wie definieren sie eine ethnische Gruppe, Herr Fest? Wen oder was fassen sie unter dem Begriff „Ethnie“ zusammen? Menschen türkischer Nationalität, Menschen deutscher Nationalität mit türkischen Wurzeln, Menschen aus einem arabischen Land, der Neuköllner an sich? Sie haben doch nicht etwa gerade eine gesamte, nach ihrem Begriffsschatz definierte „Ethnie“, als „Pack bezeichnet? Das meinten sie bestimmt nicht so. Aber welches „Pack fordert denn da ihren Respekt ein? Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass der „Fick-die-StVO-wir-lieben-Besiktas-Lobbyverband“ von irgendjemand Respekt eingefordert hätte. Sie etwa? Aber alle Menschen einer, von ihnen nicht weiter beschriebenen, „Ethnie“ als „Pack“ zu bezeichnen, würde ihnen nicht einfallen – oder?
Neukölln ein gescheiterter Bezirk oder wie Herr Fest ein zweites Mal knapp mit dem Leben davon kam
Neukölln, selbe Woche: ein schwarzer Geländewagen rammt den ohnehin schon angeschlagenen Wagen von Nicolaus Fest. Nur durch Gegengewalt kann sich dieser aus den Fängen eines weiteren Angehörigen der ominösen „Besiktas-Straßen-Rowdie-Ethnie“ retten, die es auf Fest scheinbar abgesehen hat. Der Fall ist klar! In welch einer Welt leben wir hier? Beziehungsweise, in welch einer Welt muss Herr Fest Auto fahren? „Das alles sind Umgangsformen eines kriminellen Milieus. Und das ist Neukölln wohl auch, die Vorstufe zum ‚failed state’: A failed area. Nur noch Gesindel, das faktisch herrscht, weil die Polizei mangels Präsenz nicht mal mehr so tut, als würde sie für Ordnung sorgen“, schreibt der getriebene Hobbyblogger Fest in sein öffentliches Tagebuch. Wo war die Polizei als er in Not war? Dieses „Pack“!
Gute Menschen, böse Menschen – nicht mit Nicolaus Fest!
Herr Fest wäre nicht Herr Fest, wenn er seinem Artikel über das Neuköllner „Pack“ nicht noch ein wenig Kulturkritik beimengen würde. Der Mann war immerhin auch mal Kulturchef der BILD. Er beschreibt und kritisiert ein Theaterstück des Neuköllner Heimathafens, „Ultima Ratio“, welches das Leben einer somalischen Flüchtlingsfamilie thematisiert, als „intelektuell bestenfalls schlicht.“ Wo liegt Fests Problem? Die Rollen sind zu klar verteilt: gut und böse, schwarz und weiß, die armen Flüchtlinge gegen den bösen, abschiebenden Staat. Das ist zu einseitig, undifferenziert und nahezu polarisierend!
Kurze Zwischenfragen ll
Lieber Nicolaus Fest, finden sie es denn nicht auch mehr als zynisch, wenn sich der ehemalige, stellvertretende Chefredakteur der Bild am Sonntag über gut/böse-Inszenierungen beschwert und diese als „frühkommunistisches Schwarz-Weiß-Theater“ bezeichnet? Ein Mann, der unter anderem Artikel wie „Zweierlei Ausländerhass“ schrieb und Redakteur eines Blattes war, dessen einzige Aufgabe es zu sein scheint, Sachverhalte verkürzt darzustellen und polarisierend umzudeuten. An dieser Stelle ihres Blog-Artikels musste ich tatsächlich lachen.
Zurück zum Respekt!
Das Neuköllner „Pack“ beansprucht unseren „Respekt“. Völlig zu Unrecht, wenn es nach Herrn Fest geht. Das bloße „Dasein hat keinen Anspruch auf besondere Würdigung“. Respekt gilt allein denen, die etwas leisten! Für bestimmte Ethnien Respekt einzufordern ist „vorzivilisatorisch“, schreibt der Freizeit-Blogger Fest. Abermals frage ich mich, wer genau fordert diesen Respekt überhaupt ein? Ist es nicht eher mehr als vorzivilisatorisch und im Geiste der 1930er, den Respekt und die Würde eine Menschengruppe nur von ihrer Leistung abzuleiten? Wer genau erbringt diese Leistung nicht? Und welche Leistung ist denn hier gemeint? Doch hoffentlich nicht die, einen Schmuddelblog für verprellte Pegida-Anhänger zu betreiben und diese mit menschenverachtendem Gedankengut zu füttern. Leistung und Respekt scheinen mir in diesem Fall eine Auslegungssache zu sein.
Der gescheiterte Journalist
Ich hoffe, sie können ihren Wagen wieder reparieren. Was ihre Weltanschauung betrifft, sehe ich da wenig Hoffnung. So bleibt ein Artikel über „Den gescheiterten Bezirk: Neukölln“, doch nichts weiter als ein trauriger, selbstoffenbarender Tagebuch-Blogeintrag: „Der gescheiterte Journalist: Nicolaus Fest.“
Kommentare:
Wenn sich Dummheit offenbart, klingt es so.
Hallo Torben,
habe den Fest-Text durchgelesen.
Der zweite Vorfall hat sich doch etwas anders ereignet, als Du es beschreibst. Die Gegengewalt ist nicht von Fest ausgegangen (diesen Eindruck hat man, wenn man Deinen Text liest), sondern von einem, sagen wir, Helfer in Not.
Aber grundsätzlich, gefallen Dir die Vorfälle, die Fest beschrieben hat???
(Dazu schweigst Du irgendwie.)
Mir überhaupt nicht.
Ich weiß Torben, solange das einem selbst nicht passiert, ist das nur eine irgenwie spannend-lustige Folklore.
Hallo Thorben Olaf,
dass die Gewalt beim zweiten Vorfall von einem weiteren Beteiligten ausging stimmt. Dies wird im Artikel auch nicht bestritten, vielmehr verweisen/verlinken wir Fests Artikel. Der Text von Fest macht es einem jedoch nicht leicht, 1:1 zitiert zu werden, wenn man Worte wie „Kamelficker“ vermeiden will.
Dass Gewalt jeglicher Art scheisse ist, dürfte aus jedem Artikel unserer Seite hervorgehen. So auch aus diesem.
Es ist das eine etwas gegen Gewalt zu haben, da sind wir uns beide einig – etwas völlig anderes ist es jedoch, diese Gewalt in kruden Floskeln bestimmten Ethnien zuschreiben zu wollen. Das ist nicht nur unfassbar dumm, sondern auch rassistisch, bzw. fremdenfeindlich. Es ist alles, aber keine spannene-lustige Folklore.