Futschis gegen die Ohnmacht

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Schrieb ein wütendes Buch – der Neuköllner Thomas Pregel


Jeder weiß es, keiner will darüber reden: Das Hartz-IV-System zerschreddert zunehmend auch Jung-Akademiker – der Neuköllner Autor Thomas Pregel hat dazu ein eindrückliches Buch geschrieben. (mehr …)

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Montag, 18. Mai 2015

Da hilft nur noch Futschi. 80 Teile Weinbrand, 20 Cola. Anders können Sebastian, Heiko und Katharina die Erniedrigungsmaschinerie des Jobcencters kaum mehr ertragen. Trotz Doktortitel und Magisterabschluss. Anfangs waren ihre alkoholgetränkten Abende im Neuköllner Emser Eck noch als Scherz gemeint – die Abgrenzung von den Stammkunden fiel ihnen leicht –, jetzt ist es ihr Zufluchtsort. In den trendigen Kneipen drumherum finden sie sich inzwischen fehl am Platz.

Ringen um Selbstbewusstsein

Der Autor Thomas Pregel, selbst Neuköllner, beschreibt die Abhängigkeit der drei Uni-Absolventen vom Staat in seiner „Hartznovelle“ vor allem als Ringen um Selbstbewusstsein. Ihr größter Gegner ist das Hartz IV-System. Das sichert ihr Überleben, vermittelt ihnen aber vor allem eins: „dieses erbärmliche Gefühl der Unwürdigkeit und Wertlosigkeit“.

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Genau dieses kennt Thomas Pregel aus eigener Erfahrung. Er war jahrelang „Aufstocker“ und flicht immer wieder Auszüge aus seiner Korrespondenz mit dem Amt ein. Vor allem die Sprache lässt ihm – wie seinem Protagonisten Sebastian, beide Geisteswissenschaftler – „die Galle hochkommen“.

„Vorladung“ vom Jobcenter

Eine „Einladung“ zum Termin im Jobcenter solle ehrlicherweise „Vorladung“ genannt werden, immerhin drohe bei Fernbleiben eine Leistungsminderung. In den Schreiben wimmele es von „Standardformulierungen, die mit seiner Lebens- und Arbeitssituation nicht das Geringste zu tun hatten“.

Im Nachwort erklärt der Autor, er habe das Buch aus einem Gefühl der Verletzung heraus geschrieben, und genauso liest es sich auch: als wütender Text. Aus literarischer Sicht hätte der „Hartznovelle“ ein bisschen mehr Distanz gut getan. Und trotzdem lohnt sich die Lektüre, denn so wird gleich doppelt sichtbar, was die Bedingungen für den Bezug von Hartz IV bei den Betroffenen hervorrufen: nämlich nichts Gutes, sondern Ohnmachtsgefühle, Minderwertigkeitskomplexe – und im besten Fall produktive Wutanfälle. Beste Voraussetzungen also für die Wiedereingliederung ins Berufsleben!

Thomas Pregel: Hartznovelle, Größenwahn Verlag, 192 Seiten, 9,99 Euro