Willkommen im Provisorium

Jahnsporthalle_1Der Bezirk hatte bisher stets versucht zu vermeiden, Flüchtlingen in Turnhallen oder Zelten unterzubringen. Die Ankunft hunderter Flüchtlinge in dieser Woche ließ keine andere Wahl. Als neue Notunterkunft wurde die Jahn-Sporthalle über Nacht umfunktioniert. Mehr als 100 Menschen sind dort bereits untergekommen und schon bald sollen weitere Unterkünfte für Flüchtlinge in Neukölln entstehen.

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Donnerstag, 10. September 2015

So ist das Leben in einer Halle ohne Trennwände

Erschöpft sind sie gewesen – die mehr als 100 Menschen, die am 8. September in der Jahn-Sporthalle angekommen sind. Wo sich sonst Schulkinder bei Übungen am Reck oder Barren in der 800 Quadratmeter großen Halle verausgaben, schlafen nun Syrer, Afghanen oder Eritreer. Dicht an dicht auf kleinen Feldbetten. „Kein optimaler Zustand“, wie Carola Scheibe-Köster, Sprecherin vom Bündnis Neukölln, es formuliert. Doch die akute Notlage ließ kaum eine andere Wahl. „Immerhin ist es sauber, trocken und die sanitären Anlagen funktionieren“, so Scheibe-Köster. Viele der Ankömmlinge wollen nicht unbedingt bleiben. Das liegt jedoch weniger an der Halle, sondern vielmehr an den Umständen. Sie wollen weiter zu Verwandten nach Holland, Dänemark oder Schweden. Aufgrund der sogenannten Residenzplicht darf das ein Großteil jedoch nicht. Und während einige schon nach einer Nacht weiter ziehen, bleiben andere. Und im Moment kommen täglich neue hinzu. Mehr als 150 Menschen lassen sich hier jedoch nicht unterbringen. Aufgrund der Brandschutzverordnung konnten bisher keine Tücher aufgehängt werden, die für ein wenig Privatsphäre sorgen würden. Der Betreiber arbeitet momentan allerdings daran, bald Trennwände aufstellen zu können.

Spenden: Lieber Lernmaterialien als Kleider!

Die Halle wurde in der Nacht vom 7. auf den 8. September innerhalb weniger Stunden hergerichtet. Die Ausstattung mit Betten und Hygieneartikeln erfolgte über das bezirkliche Katastrophenschutzlager. „Doch ohne die Arbeit der vielen Freiwilligen die Essen ausgeben oder Erstankunftspakete packen, wäre die Situation nicht zu bewältigen gewesen“, betont Carola Scheibe-Köster. Das Engagement der Deutschen für Flüchtlinge ist momentan riesig. Das ist nicht nur in, sondern auch vor der Jahn-Sporthalle zu spüren. Ständig kommen Menschen mit prall gefüllten Säcken voller Kleidung vorbei. Viele von ihnen müssen jedoch, samt ihrer Spenden, wieder weggeschickt werden. In der Halle gibt es keine Lager- oder Sortierungsmöglichkeiten. Erwünscht sind hingegen Dinge wie Mobiltelefone oder Materialien zum Erlernen von Deutsch. Momentan werden auch Helfer gesucht, die die Geflüchteten bei Gängen zu den Behörden begleiten. Wer sich engagieren möchte, findet unter auf dieser Seite des Bündnisses Neukölln stets die aktuellsten Informationen. Außerdem gibt es dieses Formular für Unterstützer, die vor Ort mithelfen wollen.

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Dank zahlreicher Spenden gibts frisches Obst.

Wie es weitergeht? So genau weiß das niemand!

Im Vergleich mit den anderen Berliner Bezirken sind in Neukölln momentan noch die wenigsten Flüchtlinge untergebracht, derzeit offiziell 650 Personen. In großen Bezirken wie Spandau oder Lichtenberg sind es hingegen jeweils mehr als 3000. Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen dürften es deshalb in naher Zukunft mehr werden. Wie der Bezirksstadtrat Bernd Szczepanski im Gespräch bestätigt, sieht sich die Senatsverwaltung derzeit nach weiteren Notunterkünften in Neukölln um.

Im Optimalfall werden Asylsuchende nach der Erfassung durch das LaGeSo (Landesamt für Gesundheit und Soziales) und der Bewilligung ihres Asylantrages nach etwa drei Monaten den Bezirken zugeteilt. Menschen aus Syrien haben schon dann die Möglichkeit nach einer Wohnung und einem Job zu suchen. In Neukölln werden Flüchtlinge auf Wohnungssuche seit einigen Monaten intensiv vom EJF (Evangelisches Jugend- und Fürsorgewerk) unterstützt. In der Regel dauert das Verfahren jedoch weit länger. Manche der Menschen, die diese Woche also in der Jahn-Sporthalle angekommen sind, werden hier vielleicht noch den Winter verbringen müssen.

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