Sie können hier leider nicht wohnen

Wohnung

Foto: Flickr/lehnin78 (CC-Lizenz BY 2.0)

Ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland – für viele Menschen ist es das große Ziel, einen solchen Status zu erhalten. Doch die Probleme der Flüchtlinge sind beim Erhalt des Aufenthaltrechts noch lange nicht vorbei. Auf dem stark überlasteten Wohnungsmarkt haben Flüchtlinge kaum eine Chance und werden bei ihrer Wohnungssuche von den landeseigenen Wohngesellschaften zum Teil mit rassistischen Vorwänden abgelehnt. Die Britzer Flüchtlingshilfe wandte sich mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit – an der Situation der Flüchtlinge hat sich seitdem jedoch noch nichts verbessert.

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Dienstag, 12. Mai 2015

Ganz schön eng hier
Es ist ganz schön eng geworden in Berlin. Es braucht keine „Das-Boot-ist-voll-Attitüde“, um festzustellen, dass bezahlbarer Wohnraum an allen Ecken und Enden der Hauptstadt Mangelwahre ist. Lutz Ackermann, Pressesprecher der städtischen Wohnbaugesellschaft „degewo“, kommt zu dem ernüchternden Schluss, dass sich auf 400 freie Wohnungen der degewo 4000-6000 Interessenten bewerben. „Flüchtlinge, die es ohnehin schon nicht leicht haben, haben es auch bei der Wohnungssuche besonders schwer. Sie konkurrieren mit vielen anderen wohnungssuchenden Menschen, zum Beispiel solchen die durch einen WBS-Schein (Wohnberechtigungsschein) ebenfalls Sozialwohnungen beziehen können“, so der Pressesprecher von Berlins größter, landeseigenen Wohnungsgesellschaft im Interview mit neukoellner.net.

Britzer Flüchtlingshilfe empört über diskriminierende Auswahlverfahren
So eng es in Berlin auch sein mag, die nüchterne Aussage Ackermanns verwundert doch stark, betrachtet man die Pressenmitteilung der Britzer Flüchtlingshilfe. Am 24. Februar diesen Jahres veröffentlichte die Flüchtlingsinitiative aus Neukölln eine Pressemitteilung, in der ausdrücklich auf die diskriminierende Praxis der städtischen Wohnungsgesellschaften bei der Wohnungssuche von Flüchtlingen hingewiesen wird. So begründete die degewo ihre Ablehnung mit der Aussage, die Flüchtlinge könnten „ja nicht die Hausordnung lesen“. Die Gesellschaft „Deutsche Wohnen“ wies in Wohnungsbewerbungsgesprächen darauf hin, dass die Flüchtlinge nicht mit dem Hausmeister und anderen Handwerkern kommunizieren könnten. Die sprachliche Barriere scheint einen Einzug unmöglich zu machen. Der Vertreter der Britzer Flüchtlingsinitiative, der bei den Auswahlgesprächen dabei war, stand auf unsere Anfrage hin nicht zur Verfügung, um über den genauen Ablauf Auskunft zu geben. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Berliner Senats wollte sich nicht dazu äußern.

Nationalität – der Schlüssel zum Wohnungsglück
Darüber hinaus beklagte die Britzer Flüchtlingshilfe, dass häufig bei Wohnungsanfragen von Flüchtlingen Wohnungen bereits als vergeben deklariert würden, während Kontrollanrufe unter vorgetäuschtem Interesse ergaben, dass die Angebote für Menschen deutscher Herkunft durchaus noch verfügbar waren. Lutz Ackermann von der degewo weist im Interview darauf hin, dass solche Vorkommnisse bisher nicht gemeldet wurden und „daher auch nicht bekannt sind“. Na wenn das so ist.

„Ein Tropfen auf den heißen Stein“
Die Flüchtlingspolitik des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) unter der Leitung Senator Mario Czajas (CDU) offenbart ihren Zynismus, wenn man die Wohnungssuche der Flüchtlinge analysiert. Kommt ein Flüchtling nach Berlin, hat er Anspruch auf einen Platz in einem der vom LaGeSO verwalteten Flüchtlingsheime oder in einer von 275 Wohnungen, die jährlich von den städtischen Wohnungsgesellschaften zur Verfügung gestellt werden. 275 Wohnungen, das klingt nicht gerade nach viel – ist es auch nicht, meint Jürgen Schulte von der Britzer Flüchtlingshilfe. Er bezeichnet die Zusammenarbeit des LaGeSos mit den Wohnungsgesellschaften als „Tropfen auf den heißen Stein“.

Du darfst in Deutschland bleiben – von Wohnen hat keiner gesprochen
Hat nun besagter Flüchtling das riesengroße Glück ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten, entfällt sein Anspruch auf die Unterkunft im Flüchtlingsheim oder auf jedwede andere vom LaGeSo finanzierte Unterkunft. Dies führt zu der abstrusen Lage, dass Flüchtlinge, die in Deutschland bleiben dürfen, hier wohnen und arbeiten wollen, erst einmal keine Aussicht auf eine Wohnung haben. Die Verantwortung des LaGeSos wird an einen Bezirk abgegeben. Allerdings: Der Geburtsmonat eines Flüchtlings entscheidet darüber, welches Berliner Jobcenter Bezirks für ihn nun zuständig ist – auch wenn er in einem anderen Bezirk lebt. Wie er sich ohne Geld für eine Monatskarte zu den Terminen quer durch die ganze Stadt bewegen soll, ist Problem des Flüchtlings. In Neukölln werdet ihr daher mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit auf viele Flüchtlinge treffen, die im August geboren wurden. Zu sarkastisch? Das war die Antwort der Pressesprecherin des LaGeSos auf die Frage, ob es nicht vielleicht eine bessere Verteilungsregel gäbe, auch. „Durch die bisherige Verteilungsregel gibt es eine gute Durchmischung“, erklärt die Pressesprecherin des LaGeSos, Silvia Kostner im Gespräch mit dem Autor. Nach welcher Regel man denn sonst aufteilen solle, fragt sie zurück. Nach Nationalitäten aufzuteilen „ist wohl kaum eine bessere Idee“. Frau Kostner – da geben wir Ihnen recht. Doch eine bessere Regelung wäre sicherlich, dass sich Flüchtlinge bei ihrem nächstgelegenen Jobcenter melden können.

Was bleibt – ist Rassismus
Es gibt viele Probleme in der Berliner Wohnungspolitik. Es braucht dringend mehr sozialen Wohnraum, der von allen genutzt werden kann. Dies ist ein Umstand, der nicht von jetzt auf gleich verändert werden kann, doch so schnell wie möglich umgesetzt werden muss. Das bestätigt auch degewo-Pressesprecher Ackermann. Probleme bei der Wohnungssuche hätten nicht nur Flüchtlinge, sagt er. Gut, dass wir uns da alle einig sind. Es bleibt jedoch weiterhin mehr als fraglich, warum gerade die Menschen, die in Deutschland bleiben dürfen, unter rassistischen Vorbehalten daran gehindert werden, eine Wohnung zu finden.

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