Von Regina Lechner und Sabrina Markutzyk
Ein bisschen traurig und auch gekränkt sind wir ja schon, dass in Neukölln in diesen Tagen wenig an den Mauerfall erinnert. Die „Lichtgrenze“ aus weißen Ballons endet an der Oberbaumbrücke, Neukölln bleibt im Dunkeln. Und im Veranstaltungskalender zum Jubiläum sind für unseren Bezirk keine Termine eingetragen. Schade – schließlich war auch Neukölln Grenzbezirk zur ehemaligen DDR. Anlässlich des Jubiläums fragen wir: Was passierte um den 9. November 1989 im Neuköllner Grenzgebiet? Und was bedeuteten Mauer und Mauerfall für die Entwicklung des Bezirks, für das Leben in diesem Teil der geteilten Stadt?
Foto: Der Mauerfall am Dammweg
9. November, Abend. Einige Jugendliche stehen auf der Ostseite vor dem Grenzübergang Sonnenallee und verlangen die Ausreise in den Westen. Die Grenzbeamten geben schließlich nach und die Wartenden passieren. Möglicherweise war die Grenze am Übergang Neukölln/Baumschulenweg sogar schon etwas früher offen als an der Bornholmer Straße.
Die ersten Ausreisenden, die gegen 22.00 Uhr auf der West-Berliner Seite eintrafen, berichteten, dass circa 100 Menschen auf der östlichen Seite auf ihre Abfertigung warteten. Doch schon eine Stunde später war der Übergang von Trabbis verstopft. Um Mitternacht reichte der Pkw-Stau über einen Kilometer durch die Baumschulenstraße bis zur Köpenicker Landstraße zurück, und eine unüberschaubare Menschenmenge schob sich durch den Übergang. (Hans Hermann Hertie: Chronik des Mauerfalls).
10. November 1989, Abendstunden. Wohl noch nie waren so viele Menschen auf diesem Stück der Sonnenallee unterwegs. Es ist der östliche Zipfel Neuköllns, das Ende West-Berlins, und normalerweise herrscht kein großer Andrang an diesem Grenzübergang. Ein Hobbyfilmer fährt in seinem Wagen die Sonnenallee entlang, bis über die offene Grenze. Seine historische Spritztour hat er auf Video dokumentiert. Besonders bewegend: Am Ende der Aufnahme begrüßt ihn jubelnd ein West-Bürger-Empfangskomittee.
(Zum Vergleich: 1 Minute Neukölln #11 – die Sonnenallee heute, einmal entlang gefahren mit dem M41)
Vor dem Mauerbau erlebte die Sonnenallee eine Blütezeit, Geschäfte und Cafés eröffnen. Sie währt nur kurz: Die Mauer wird gebaut. Bahnhöfe werden zu Endhaltestellen, der Grenzübergang Todesstreifen. Viele Geschäfte machen dicht. Die Flaniermeile ist nicht mehr. Bis zum Mauerfall. Die Sonnenallee: Die Geschichte eines Chamäleons
Grenz- und Schießanlage Späthstraße – eine Super-8-Aufnahme:
In der Mitte geteilt
28 Jahre lang trennte die Mauer Neukölln von den benachbarten Bezirken im Osten. 1961 war das Bauwerk in einer Nacht- und Nebelaktion hochgezogen worden. Extrem war die Trennung in der Heidelberger Straße, die längs von der Mauer durchzogen wurde, so dass die eine Straßenseite West-, die andere Ost-Berlin war.
So sah das aus: 50 Jahre Mauerbau (aus unserem Zeitreise-Archiv)
Für einige Tage gab es hier 1962 einen Tunnel, durch den der West-Bürger Heinz Jercha und einige Mitstreiter ihren Nachbarn zur Flucht verholfen haben. Bis die Stasi den Tunnel entdeckte – und Jercha erschoss. Der Tunnel in der Heidelberger: Die Geschichte des Heinz Jercha.
Februar 1989. In die Geschichtsbücher ein geht ein weiteres trauriges Ereignis, unweit des Grenzübergangs, am Ufer des Kanals. Hier starb im Februar 1989 Chris Gueffroy, der letzte Mauertote. An Gueffroys Tod erinnert heute eine Stele des Künstlers Karl Biedermann.
Karte und Infos zum Grenzübergang Sonnenallee (Hauptstadtportal)
Am 14.11.1989 trafen sich die Bezirksbürgermeister Bielka (Neukölln) und Polauke (Treptow) auf der Massantenbrücke zur symbolischen Wiedervereinigung Neuköllns und Treptows. Hier verlief die Grenze zu Ostberlin genau am Kanal, Johannistal im Osten, Rudow im Westen. Fernsehkameras sind bei der politischen Geste dabei, die neuen alten Nachbarn begrüßen sich überschwenglich. Noch heute kann man an der Massantenbrücke in Rudow alte Mauerstücke entdecken. Ein Handschlag im Licht der Kameras: Gruß vom Nachbarn