Am gestrigen Mittwoch, 6. März 2013, stellten die Projektverantwortlichen der Tempelhofer Freiheit in einer öffentlichen Standortkonferenz den „Masterplan“ zur Bebauung des Tempelhofer Felds vor. Der Masterplan bildet, so heißt es in der zugehörigen Broschüre, „die strategische Basis für die zukünftige Entwicklung der Stadtquartiere“. Darüber hinaus wollten die Verantwortlichen mit der Bevölkerung in den Dialog treten: Im Anschluss an die Präsentation fanden offene Frage- und Diskussionsrunden statt und die Veranstalter räumten sogar der organisierten Gegnerschaft – der Initiative 100 % Prozent Tempelhofer Feld – Sprechzeit ein. Findet hier etwa echte Bürgerbeteiligung statt?
Bürger jedenfalls waren viele gekommen. Rund 500 interessierte Besucher folgten der Einladung in die Haupthalle des Flughafengeländes und verteilten sich nach den Reden von Stadtentwicklungssenator Michael Müller und Julius Dahms, Sprecher der 100%-Initiative, auf die drei Stationen, an denen sie themenspezifisch ihre Fragen und Kritikpunkte äußern konnten: zur Parklandschaft mit Wasserbecken, zum Wohnungsbau und zum übergeordneten Masterplan.
Der Masterplan beinhaltet momentan („strategische Basis“) drei große Neubauquartiere: Für das „Bildungsquartier“ im Südwesten sind Wohnungen, Forschungseinrichtungen und, angrenzend an die S- und U-Bahn-Station Tempelhof, die neue Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) vorgesehen. Am südlichen Streifen, entlang von Ringbahn und A100, soll mit dem „Wohn- und Technologiepark“ eine Mischung aus Wohn- und Gewerbequartier entstehen. Plus neuer S-Bahnstation „Tempelhofer Freiheit“ und Südbrücke über S- und Autobahn. Und im Osten schließlich soll mit 1.700 Wohnungen das künftig größte Wohnquartier an die Oderstraße grenzen.
Dass manchen Bürgern der Zutritt zur Fragerunde über den Masterplan vom anwesenden Sicherheitspersonal verwehrt wurde – „oben ist voll“ – war symptomatisch für den Versuch, Bürger zu beteiligen: Gut gemeint, aber nur oberflächlich damit auseinandergesetzt. Die angesetzte Stunde wurde rege genutzt und war doch viel zu kurz, um dem großen Klärungsbedarf gerecht zu werden. Und wie Julius Dahms, Sprecher der Initiative „100% Tempelhofer Feld“ bemerkte, hätte er sich eine vierte Diskussionsrunde gewünscht. Eine, die sich mit der Zukunft des Feldes befasst, ohne den vorgestellten Masterplan als gegeben vorauszusetzen.
Ingesamt war der Tenor der meisten Wortmeldungen der Bebauung gegenüber kritisch: Wieso veröffentlichen die Planer von Senat und Grün GmbH jetzt ihren Masterplan, wo doch bereits entschieden ist, dass der Volksentscheid über die Bebauung des Feldes kommen wird? Da seien Proteste vorprogrammiert, „das wird ein Milliardengrab“, befürchten viele.
Ein Herr aus dem Publikum, der sich als „Dachterassengentrifizierer“ vorstellt, fasst die Bedenken und das Unverständnis vieler Bürger für das Großprojekt zusammen: „Warum müssen hier, auf dem konfliktreichsten Gebiet der Stadt, Wohnungen gebaut werden, wo es doch auch Gelände gibt, die völlig konfliktfrei sind? Statt diese Projekte voranzutreiben, bindet man die sowieso schon knappen Ressourcen von Senat und Verwaltung an Tempelhof!“ Das Unverständnis des Dachterassengentrifizierers, der lauten Applaus erhält, können die Projektverantwortlichen nicht ausräumen.
„So sieht für mich keine Bürgerbeteiligung aus“
Auch über die Kalkulation der Kosten blieben schlüssige Antworten aus. So seien die Kalkulationen für die Bebauungsprojekte durchgängig „absurd niedrig angesetzt“ – beklagt ein Herr aus dem Publikum: „Für den Bau der Zentralbibliothek sind 270 Millionen Euro veranschlagt. Das Referenzprojekt – die Stadtbibliothek Aarhus, die rund 250 Millionen Euro kosten wird – ist jedoch nur halb so groß. Wie soll das gehen?“ Die lapidare Antwort: „Wir wollen versuchen, so günstig wie möglich zu sein“, so die Senatsvertretung.
Anne Helm, die für die Piraten in der Neuköllner BVV sitzt, erkennt zumindest einen Stilwechsel im Habitus der Stadtverwaltung, an einen echten Richtungswechsel glaubt Helm jedoch nicht: „Man versucht, bei den Menschen den Anschein zu erwecken, dass ihre Stimmen gehört werden. Aber bei kritischen Fragen drückt sich der Senat um Antworten. So sieht für mich keine Bürgerbeteiligung aus“, so ihr Fazit zur Veranstaltung.
So sah das auch eine Frau aus dem Publikum, die sich darüber beschwerte, dass bei den Zusammenfassungen aus den Diskussionsrunden nur die Fragen – nicht aber die Antworten – wiedergegeben werden. Die Reaktion seitens der Veranstalter war vielsagend: „Antworten passen hier nicht ins Konzept“.
Bleibt zu hoffen, dass echte Antworten folgen.
nächstmögliche Bürgerbeteiligung:
Stadtwerkstatt Tempelhofer Freiheit
9. März 2013, 12:00-18:00 Uhr
Alte Zollgarage am Flughafen Tempelhof
Kommentare:
Lieber Max,
bitte verwechsle Bürgergespräche nicht mit Bürgerbeteiligung – davon sind wir bedauerlicherweise weit entfernt.
Netten Gruss Beate
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