Wünsch dir was!

Ramadan_Titel2„Türkisch für Anfänger”, Lektion vier: Wir lernen etwas über das Wünschen samt türkischem Imperativ, passend zum Ramadan – der soeben zu Ende geht. (mehr …)

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Sonntag, 19. Juli 2015

Ein Sommertag ist lang. Der, an dem wir Ender Çetin treffen, Gemeindevorsitzender der Neuköllner Şehitlik-Moschee, dauert von 5.35 bis 21.38 Uhr. Dazwischen liegen 16 Stunden und 3 Minuten, und für Çetin bedeutet das: ohne Essen und Trinken. Denn es ist Ramadan, im Türkischen „Ramazan“, die Fastenzeit der Muslime.

Das ist eine Zeit der Besinnung, wo wir uns mehr auf uns selbst konzentrieren sollen. Schwerpunkt ist hierbei die Spiritualität. Indem wir uns von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang von einigen Sachen fernhalten und eben durch das nicht essen und nicht trinken die Seele feinfühliger wird.“

Aus heutiger Sicht muss man sagen: Es war Ramadan, denn mit dem Ramadan-Fest am Ende der Fastenzeit, „Şeker Bayramı“ auf Türkisch, im Volksmund auch Zuckerfest genannt, ist diese Zeit der Besinnung soeben zu Ende gegangen.

Schwangere und Arbeiter ausgenommen

Doch zurück zu Ender Çetin. Ihn plagt eine Erkältung, er ist stark verschnupft, nimmt Antibiotikum, aber das schlägt nicht an. Dennoch hat er das durchgezogen mit dem Fasten, dabei räumt der Koran den Gläubigen einigen Spielraum ein.

Ender Çetin (Foto: Cara Wuchold)

Ender Çetin (Foto: Cara Wuchold)

Ausnahmen gibt es für diejenigen, die krank sind, oder Kinder oder Ältere, Reisende, Schwangere, oder Leute, die von der Leistung her sehr stark arbeiten, und Wasser brauchen. Man sagt dann zu denen, sie sollen das Fasten nachholen. Das heißt, wenn ich nicht fasten kann heute, dann hole ich es nach dem Ramazan irgendwann nach. Das kann ja dann auch im Winter sein zum Beispiel, wenn der Tag kurz ist.

Und wenn man also sagt, ich faste dieses Jahr nicht, weil es zu anstrengend ist, weil es zu heiß ist, dann ist es auch eine Sache der eigenen Entscheidung. Wenn ich gesund bin, mich gut fühle, dann muss ich – aus religiöser Sicht – eigentlich fasten, das gehört zu den Geboten, aber es gibt keine Instanz außer Gott, die das kontrolliert.“

Fasten aus Gruppendruck

Wenn Ender Çetin mit Jugendlichen an Schulen arbeitet, dann stellt er fest, dass dort zwar viele Fasten, aber nicht immer aus freiem Willen, sondern häufiger auch aus einem Gruppenzwang heraus. Und dann klärt er auf.

Hey, jedem das Seine. Also wenn der jetzt nicht fasten möchte, dann ist das sein Recht, und man kann sich da nicht einmischen, sondern jeder hat so seine eigenen Gründe.

Das ist auch eine Mode bei den Jugendlichen. Religiosität ist in den letzten Jahren gestiegen. Das merken wir auch allein daran, dass wenn wir Unterrichtskreise anbieten, dass manchmal 100 Jugendliche kommen. Und das ist schon eine gute Zahl, wo wir merken, okay, da ist die Neugier sehr stark. Die wollen über ihre eigene Religion Bescheid wissen und kommen dann eben in die Moschee, um das zu lernen.“

Und vielleicht genießen sie auch die Geselligkeit, die der Ramadan mit sich bringt. Beim sogenannten „iftar“-Essen, dem Fastenbrechen nach Sonnenuntergang, sitzen Familie und Freunde zusammen. Traditionell wird zuerst eine Dattel oder Olive gegessen und etwas Wasser getrunken. Laut Prophet sollte ein Drittel des Magens mit Nahrung, ein Drittel mit Wasser und ein Drittel mit Luft gefüllt sein. Doch meist sind die Tische reich gedeckt – und gegessen wird viel zu viel.

Hungern statt fasten

Es gibt einen Ausspruch des Propheten, wo er sagt, ‚Es wird eine Zeit geben, wo die Menschen denken, dass sie fasten, aber sie hungern nur’“, sagt Ender Çetin lachend, „und manche behaupten, dass es diese Zeit ist. Weil es sehr viel an Nahrung gibt und wir hungern zwar morgens, aber abends stopfen wir’s dann wieder rein.“

Spirituell gesehen gibt es also hier und da Verbesserungsbedarf. Zumal über die Köstlichkeiten am Abend vielleicht auch der Solidaritätsgedanke mit den Armen und die Rückbesinnung auf sich und das Wesentliche oder die Dankbarkeit gegenüber dem Essen als Gnadengabe Gottes in Vergessenheit gerät, mit der das Fasten laut Koran in Zusammenhang steht.

Zum allabendlichen Fastenbrechen lädt auch die Moschee – und gibt im Durchschnitt 200 Essen aus. Richtig voll wird es zum Ramadan-Fest. Dann kommen 5.000 bis 6.000 Menschen zum Columbiadamm, für viele ist das der einzige Moschee-Besuch im Jahr.

Es ist wie Weihnachten halt. Man beschenkt sich, man besucht sich gegenseitig, geht auf den Friedhof. Der Prophet empfiehlt, sich schick zu machen und die schönste Kleidung zu tragen, besondere Düfte aufzulegen, dass man die Zeit mit Familie und Freunden auch einfach genießt. Weil nach dem Fasten die Zeit beginnt, wo uns der König der Welten wieder beschenkt, und wir diesen Geschmack und diese Begeisterung wieder fühlen dürfen.“

 

Lektion vier: dilekler – Wünsche

Ramazan geldi, hoşgeldi! Heißt es oft zu Beginn des Fastenmonats Ramadan in Fernsehwerbungen und auf Spruchbändern in den türkischen Städten! Das ist nun nicht mehr ganz so aktuell. Besser müssten wir sagen: Ramazan bayramı geldi hoşgeldi! Denn die Fastenzeit ist nun vorüber und wir befinden uns mitten im Zuckerfest, mit dem die Fastenzeit zuneige geht.

Ender Çetin erklärt uns den Begriff „Ramadan“ bzw. „Ramazan“ im Türkischen…

Ramazan bayramınız mübarek olsun! „Euer Ramadan-Fest möge gesegnet sein!“ höre und lese ich überall in Neukölln. Manchmal hört man auch Şeker bayramınız kutlu olsun! „Euer Zuckerfest möge gesegnet sein!“ Und dann sind alle ganz şık angezogen und die kleinen Süßmäuler essen große Kugeln Schokoladeneis und andere Leckereien! Bei den obligatorischen Familien- und Bekanntenbesuchen wird noch ordentlicher aufgetischt als sonst. Vor allem Süßspeisen dürfen natürlich nicht fehlen: selbstgemachtes Baklava, Güllaç, Lokum, Kadayıf sind nur einige der Köstlichkeiten auf den Festtagstafeln!

Kurz vor dem Ramadan-Fest gibt es aber noch ein weiteres, wichtiges Datum: „Die Nacht der Bestimmung“ – die heiligste Nacht überhaupt im Islam. Warum? Das erklärt uns Ender Çetin…

Nun aber zurück zu unseren Wünschen. Da gibt es noch einiges mehr, was sich die Menschen an Bayram wünschen. Zum Beispiel Liebe, Friede, Behaglichkeit…

Sizlerin de bayramı kutlu mutlu ve huzurlu olsun! „Auch euer Bayram sei gesegnet, froh und friedvoll!“

Tüm müslüman alemin ramazan bayramı mübarek olsun, sevgi huzur ve barış sizlerle olsun! „Das Ramadan-Fest der gesamten muslimischen Welt möge gesegnet und Liebe, Behaglichkeit und Friede mit euch sein!“

Der Segensspruch, der mir persönlich am besten gefällt, ist dieser hier:
Tüm yürekler sevinç dolsun, umutlar gercek olsun, acılar unutulsun, dualarınız kabul ve bayramınız mübarek olsun. „Alle Herzen mögen sich mit Liebe erfüllen, Hoffnungen wahr werden, Schmerzen vergessen, eure Gebete erhört und euer Bayram gesegnet sein!“

Manche sagen aber auch einfach nur Mutlu bayramlar! oder İyi bayramlar! „Frohes oder gutes Fest!“

Türkischer Imperativ

Wie aber setzen sich die Wendungen aus sprachlicher Sicht zusammen?

Euch ist sicher aufgefallen, dass in allen hier aufgeführten Wünschen (selbstverständlich gibt es noch viel mehr Wünsche und Wunschfloskeln!) die gleichen Endungen auftauchen. Das hat etwas mit der grammatikalischen Form zu tun, die hier verwendet wird.

Es handelt sich hier um die Aufforderungsformen im Türkischen bzw. vorwiegend die Form für die 3. Person Singular, die wir mit „es soll, es möge“ übersetzen können. Das Türkische kennt nämlich für jede grammatische Person eine Aufforderungsform, nicht wie im Deutschen nur für die 2. Person, also den Imperativ „Mach! Tu! Geh! Iss!“.

Diese Form wird sehr häufig in Wünschen verwendet und dann ist es oft das Wort olmak „sein/werden“, an das das entsprechende Anhängsel (Suffix) gehängt wird.

Einige der folgenden Wünsche kennt ihr sicher schon!
Afiyet olsun! „Guten Appetit!“ (wörtl. es sei Wohlbefinden)
Geçmiş olsun! „Gute Besserung!“ (wörtl. es möge vorüber sein)
Die gleiche Endung kann aber auch an andere Verben gehängt werden. Dann sieht das zum Beispiel so aus:
Kolay gelsin! „Es möge leicht fallen!“ (im Sinne von frohes Schaffen!)

Aber auch die anderen Formen der Aufforderung können in Wünschen und Wendungen verwendet werden. Zur reich gedeckten Bayram-Tafel passt da zum Beispiel der Ausspruch: Ramazan Bayramı’nı doya doya yaşayalım.“Lasst uns das Ramadan-Fest in vollen Zügen genießen!“ (wörtl. satt werdenderweise leben)

GrammadanWiederum andere Wünsche enthalten die anderen Formen.
Zum Beispiel in…
Çok yaşa! „Gesundheit!“ (wörtl. lebe viel)
Sağ ol. „Danke.“ (wörtl. sei wohl)
Güle güle oturunuz! „Gutes Einleben!“ (wörtl. wohnt lachend! – bei einem Neueinzug)

Könnt ihr erkennen, welche Formen der Aufforderung das sind? Das ist ein bisschen kniffelig…
Nächstes Mal gibt’s die Auflösung!

Und hier noch mal Ender Çetin mit einem Bittgebet, das Muslime zum Fastenbrechen sprechen…

In diesem Sinne Ramazan bayramınız kutlu olsun!

 

Unsere Zusatzaufgabe in der letzten Lektion lautete: Was heißt „laktosefreie Milch“ und „glutenfreies Brot“? Hat’s jemand gewusst? Richtig ist: laktozsuz süt ve glutensiz ekmek.

 

Sprachkurs: Deniz Julia Güngör; Konzept, Texte, Sounds, Fotos: Deniz Julia Güngör, Cara Wuchold; Illustrationen: Katrin Friedmann

Erstveröffentlichung auf neukoellner.net am 31.07.2014.

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