Es ist Winter, Markt ist trotzdem. Wir lieben besonders den Wochenmarkt am Maybachufer – offiziell „BiOriental“, im Volksmund auch „Türkenmarkt“ genannt. Was stimmt: Hier kann man wunderbar anschaulich türkische Vokabeln lernen, weil die Schildchen in den Auslagen oft zweisprachig sind, von „uskumru“ wie Makrele über „bal kabağı“ wie Kürbis bis hin zu „hurma“ wie Dattel.
Uns sind jetzt im Dezember ein paar Dinge besonders ins Auge gefallen. Und Deniz hat sich auf die Spur begeben und sich Gedanken darüber gemacht, woher die türkischen – oder auch deutschen – Bezeichnungen für diese Leckereien eigentlich kommen. Denn nicht nur die Waren, auch die Begriffe dafür haben natürlich eine Herkunft.
Lektion 6: Essen auf Wanderschaft / gezgin yiyecekler
Hin und wieder können wir an Wörtern selbst ihre Herkunft erkennen und nachvollziehen. Und diese Reisegeschichten erzählen immer auch ein Stück weit Geschichte. Beim kulinarischen Wortschatz ist dies besonders spannend und greifbar.
Im Orient sind Geschichten und ihre Erzähler ein wichtiger Teil der Kultur. Und auch bei uns macht man es sich gerne vor dem Kamin gemütlich und lauscht Geschichten von fernen Ländern. Deshalb haben wir für euch ein Weihnachtsrätsel zusammengestellt, in dem die Worte und ihre Reise spannendende Geschichte erzählen.
Hört doch mal rein und ratet mit!
Erstens / bir
Ich bin schön, auch wenn man mit meinem Synonym in der Kosmetik eher etwas Unschönes verbindet. Ich schmecke nicht nur lecker, ich dufte auch und bin dazu noch gesund! Besonders zu dieser Jahreszeit trifft man mich hier oft an und verzehrt mich äußerst gerne.
Wahrscheinlich bin ich das Kind von zwei Artverwandten. Meine bittere Cousine kam bereits im 11. Jahrhundert nach Europa, ich erst vier Jahrhunderte später. Mein anderer deutscher Name, also so, wie ich nördlich der Speyerer Wortgrenze bezeichnet wurde, gibt Hinweis auf meine Herkunft. Mein türkischer Name hingegen gibt Aufschluss über meine Exporteure und das Hauptanbaugebiet der damaligen Zeit.
Und? Wer bin ich?
…
Richtig! Die Apfelsine! Auf türkisch „Portakal“ genannt.
Der türkische Name west wie gesagt darauf hin, dass einst die Portugiesen die Frucht mitbrachten. Der berühmte portugiesische Seefahrer Vasco da Gama – Entdecker des Seewegs nach Indien um das Kap der guten Hoffnung – berichtete angeblich von „süßen Orangen“. Im Deutschen dagegen kann man mit etwas Grips erkennen, dass die Frucht ursprünglich mal aus China kam (man denke an das Wort „Sinologie“ für „Chinakunde“). Die frühere Bezeichnung macht das noch etwas klarer: so hieß sie zu niederdeutsch „Apel de Sina“ und „Appelsina“, also der Apfel aus China.
Die Orange hingegen kam wesentlich früher nach Europa und stammt angeblich ursprünglich aus Indien. Man sagt ihr nach, sie sei die bittere Variante der Zitrusfrucht.
Zweitens / iki
Manche behaupten ich käme aus Mekka – aufgrund der Ähnlichkeit des Wortklanges vermutlich. Das ist aber nicht richtig. Ich bin zwar ursprünglich arabisch, komme aber aus der Region Nahe der jemenitischen Hafenstadt al- Muha am Roten Meer. Dort soll ich ab dem 15. Jahrhundert angebaut und vorerst in die islamische Welt und nach Indien verschifft worden sein. Später dann, Mitte des 17. Jahrhunderts kamen auch die Engländer und Holländer in meinen Genuss. Die Europäer haben mich in meiner Reinform in ihre Kolonien gebracht, wodurch ich wohl weltweit berühmt geworden bin. Zu der Zeit hieß ich noch „cauwa de Moha“ oder ähnlich.
Mit der Verbreitung meiner Art in alle Welt entstanden aber nicht nur neue Sorten, sondern ich bekam auch Konkurrenz. Dank eines schlauen Lexikons galt ich damals jedoch trotz allem als „der Beste“ von allen!
Auch am Osmanischen Hofe schätze man mich sehr und europäische Schriftsteller, darunter auch ein deutscher, schrieben über mich und priesen mich. Wörtlich kam ich im Deutschen ohne weiteren Zusatz im Namen bereits 1839 an. Mein Name bezeichnet allerdings nicht nur das Genussmittel, sondern auch die Machart, die die Europäer eben von den Osmanen übernahmen. Deshalb bezeichnet man mich heute wohl meistens mit dem Zusatz „türkisch“. Durch die Zelebrierung meiner in der islamischen Welt entstand auch in Europa eine ausgeprägte Kultur, die heutzutage eng verknüpft mit Europa und nicht mehr wegzudenken ist.
Na, habt ihr’s erraten?
…
Richtig! Ich bin der sogenannte türkische Mokka! Auf Türkisch „Türk kahvesi“.
Im 17. Jahrhundert in Zedlers Universal Lexikon als Sorte zur Unterscheidung von der javanischen und brasilianischen schon „die Moccische“ genannt, schrieb Heinrich Heine angeblich in einem Kommentar über Goethes West-Östlichen Divan von „Mokkakaffee“. Mitte des 19. Jahhunderts ist mein Name im Deutschen in der Form „Mocca“ belegt.
Drittens / üç
Ich bin schon sehr alt. Fast 5000 Jahre. In Europa kennt man mich allerdings erst seit der Zeit Christoph Kolumbus. Besonders im Sommer werde ich in der Türkei gerne in meiner ursprünglichsten Form verspeist! Kinder und Cineasten in aller Welt lieben mich am meisten, wenn ich mich einer poppigen OP unterzogen habe, aber ob sie mich schöner macht, wer weiß…
Ursprünglich komme ich aus Mexiko und Mittelamerika. Nach Spanien kam ich zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Nach Istanbul wohl erst gegen Ende.
Wer hat’s erraten?
…
Genau! Der Mais. Zu türkisch „mısır“.
Über Syrien sei er dem Namen nach aus Ägypten gekommen. Allerdings unter einem erweiterten Namen. Bei meiner heutigen türkischen Bezeichnung handelt es sich daher um eine Ellipse, also ein Begriff, bei dem ein Teil weggelassen wird. Ursprünglich war die türkische Bezeichnung „Mısır buğdayı“ – „ägyptischer Weizen“, oder „Mısır darısı“ – „ägyptische Hirse“. Heute sagt man einfach „Mısır“, also „Ägypten“.
In Deutschland wurde er erst viiieeel später angebaut. Einige deutschsprachige Bezeichnungen könnten ein Hinweis darauf sein, dass er von den „Türken“ des Osmanischen Reichs nach Europa re-importiert wurde. So sind einige alte Trivialnamen für den Mais z.B. „Türkischer Weizen“, in Vorarlberg und Tirol oft auch kurz „[der] Türken“ genannt.
Auf kochdichtürkisch.de hat Deniz noch ein weiteres Rätsel für euch – das passt besonders gut in die Weihnachtszeit, wenn auch nicht unbedingt in Europa…
Der Neuköllner Wochenmarkt am Maybachufer ist jeden Dienstag und Freitag zwischen 11:00 und 18:30 Uhr geöffnet. Anfahrt mit der U8 (U-Bhf. Schönleinstraße) oder mit dem Bus 140.