Heimatlieder #3 – von Crystal F bis Yuppie Love

Tanz

Screenshot aus Die Zoologen – „Neukölln“

Im dritten Teil unserer Serie Heimatlieder servieren wir euch abermals schöne und grottige Songs über Neukölln oder von Neuköllnern. Virtuos, originell und teilweise richtig beschissen. Nachdem wir Euch bereits die Highlights von Bowie bis Stenzel und das Mittelfeld von Glass bis Hundekacke präsentiert haben, kommen hier unsere total subjektiven Chart-Schlusslichter von Platz 15 bis 23.

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Donnerstag, 26. November 2015

 

Platz 15: Crystal F & Serious Dan – Heroin

Um „justarandomgirl“ auf Youtube zu zitieren: „Geschmacklos aber finde ich geil.“ Genauso funktioniert der Gossen- und Fäkalhumor von Plattenbau-Rapper Crystal F aus der Gropiusstadt. Es wird gekotzt, gepisst, gekackt und gesnifft bis die Therapeutin einen Nervenzusammenbruch erleidet. Und derlei schamlose Offenheit beschert der Ruffiction-Crew regelmäßig Youtube-Klicks im sechsstelligen Bereich. Dabei sind die Texte eher ironisch denn ernst gemeint, wie es uns Kindergärtner Crystal F in einem Interview im Jahr 2011 verraten hat. Ob ein Großteil seiner Fans das begriffen hat?

 

Platz 16: S_W_Z_K – Neukolln mon amour

Hinter S_W_Z_K versteckt sich der Brite David Brown, der vormals mit Kollege James S. Taylor das DJ-Duo Swayzak gebildet hat. Der Track „Neukolln mon amour“ besticht durch raue Industrial-Deepness, die im Club vortrefflich funktioniert. Hier wurde ein ordentliches Bass-Pfund aufgelegt, von dem man förmlich angestachelt wird, sich Drogen zu kaufen, um sich dann in den nächsten Club zu schmeißen. Wer in die gesamte EP reinhören möchte, kann das hier tun.

 

Platz 17: Otto Kuhnle – Neukölln ist auf Scheiße gebaut

Lustiges Schunkeln mit dem Gewinner des Songwettbewerbs „Unser Lied für Neukölln“ aus dem Jahre 2011. Komiker Otto Kuhnle kennt offenbar die wichtigste Säule unseres Bezirks und überzeugt durch Humor und ein Video, das ganz bewusst auf Understatement setzt. Dabei ist Kuhnle so etwas wie ein zeitloses Meisterwerk gelungen, welches bis heute kein Stück Aktualität eingebüßt hat: „Wenn’s schief läuft in unserem Land wird immer Dein Name genannt, als Beispiel fürs Schlechte, dabei stehst Du fürs Echte – Neukölln Du wirst verkannt.“

 

Platz 18: Miss Kittin – Neukölln 2

Solider Housetrack von Miss Kittin. „Neukölln 2“ gehört jedoch nicht zu den Glanzlichtern der House-Produzentin, die bereits mit Felix da Housecat, The Hacker und Laurent Garnier zusammen gearbeitet hat. Und warum labert am Ende unentwegt ein männliche Stimme in den Track? Mutmaßung: Caroline Hervé aka Miss Kittin hatte mit diesem Herrn mal zwei tolle Nächte in Neukölln verbracht. Und da musste sie ihm (und dem Bezirk) unbedingt einen Track widmen. Wenigstens gut gemeint.

 

Platz 19: Zoologen – Neukölln

Für die Altrocker der Zoologen sind die Neuköllner Bewohner wahlweise Insekten, Nagetiere oder fiese Objekte. Hier trifft Rockröhre auf Sprechgesang, was extrem altbacken klingt. Immerhin ist das Video ganz charmant, auch wenn dabei ordentlich in die Klischee-Kiste gegriffen wird. Was leider fehlt, ist textliche und musikalische Relevanz.

 

Platz 20: Atzenkabarett – Neukölln Hipster Song

Hipsterbashing at its almost worst! Eine schlecht geklaute Hookline von Harry Belafonte (Banana Boat) gesellt sich zu mies zusammen gehäckselten Video-Schnipseln von Youtube. Der Song klingt wie ein Erpresseranruf eines Kleinkindes. Selbst in der Legastheniker-Klasse würde es für das Atzenkabarett aber nicht zur Versetzung reichen. Bei so viel musikalischem Elend wird die Message zur Farce. Schlimm nur, wenn Hipsterbashing sogar noch schlechter geht. Aber dazu später mehr.

 

Platz 21: Barock Projekt – Back to you (Album: Coffee in Neukölln)

Wer dachte, Prog-Rock sei 1985 ausgestorben, der hat die Rechnung ohne das Barock Projekt gemacht. Technisch kann man den vier Italienern nichts vorwerfen, dazu wirkt ihre Musik einfach zu fachmännisch. Doch leider verstrickt sich das über sieben minütige Rock-Gedudel allzu quälend in Übergänge und Rhythmuswechsel. Immerhin, so manches Mal erinnert das Gitarrensolo-Abgewichse an eine zu ernst gemeinte Imitation von Tenacious D. Nachdenklich stimmt, dass der Bezirk Neukölln diese progressiven Rocker offenbar zu einem kompletten Album inspiriert hat. Warum nur?

 

Platz 22: sUb_modU – Addis Neukölln

Jetzt wird’s experimentell. Gefühlt der Soundtrack fürs Verfassen von Verschwörungstheorien. Wer das gut findet, der glaubt auch an Chemtrails. Nerviger ist nur noch der Imagefilms der Jungen Union Neukölln – und tatsächlich auch der nächste „Song“.

 

Platz 23: Yuppie Love – Neukölln ist jetzt Nowkölln

Dieser Track ist das musikalische Äquivalent zum dreck-verkrusteten Bodensatz eines öffentlichen Mülleimers am Hermannplatz. Sicher ist das alles nur ironisch gemeint, oder aus einer Prosecco-Laune heraus entstanden, aber wer dumm dreist auf dem Spielplatz seine Hüften kreist, nebenbei die schlechteste Alicia Keys-Parodie aller Zeiten abliefert, der hat auch kein Recht auf Zynismus. Glaubt der Zuschauer nach unterirdischen zweieinhalb Minuten alles überstanden zu haben, muss er erschreckt feststellen, dass Yuppie Love auch vor tölpelhaftem Veganer-Bashing nicht zurückschrecken. Unterirdisch.

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