Von Michalina Kowol
„Hier nehme ich Abschied, kehre
zurück in mein Haus, in meine Träume,
kehre nach Patagonien heim, wo
der Wind an die Ställe klopft
und der Ozean Eis sprüht“
… rezitierte der Schauspieler Gael García Bernal bei der Berliner Vorpremiere des Films „Neruda“ des chilenischen Regisseurs Pablo Larraín im Neuen Off. Es handelt sich um einen Ausschnitt aus Nerudas „Canto General“, einem Opus, das zu großen Teilen im Untergrund entstand und erst erschien, als Neruda sich bereits im Exil befand. Obwohl dieses Gedicht Nerudas in dem Biopic nicht vorkommt, betonte Gael García Bernal, es sei sein Lieblingsgedicht. „Neruda“ ist die zweite Kollaboration des Schauspielstars mit dem Regisseur Pablo Larraín. Der vorangegangene Film der beiden („No!“) war die erste chilenische Filmproduktion, die für den Oscar nominiert wurde.
Santiago de Chile, 1948. Drei Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs. Es wächst die Spannung zwischen dem Präsidenten Videla und den Kommunisten. Mit einem Dekret, bekannt als „Ley Maldita“ (Verdammtes Gesetz), wird die Kommunistische Partei Chiles verboten. Pablo Neruda (Luís Gnecco) und seine Frau Delia del Carril (Mercedes Morán) organisieren noch kurzerhand ein Fest für Chiles Künstler und Intellektuelle in Nerudas Haus.
Eine Stimme aus dem Off verkündet: „Eine fabelhafte Verfolgung fängt an.“
Die Stimme gehört dem jungen Kommissar Óscar Peluchonneau (Gael García Bernal). Ihm wurde der Auftrag erteilt, den kommunistischen Dichter, der lange Werke schreibt, zu fangen und festzunehmen. Der junge Pelouchenneau sieht es als seine ganz eigene Mission. Er kann sich und der Welt endlich seine Fähigkeiten beweisen und seinen Vater, der ihn nie anerkannt hat, nachträglich stolz machen.
„Ich will, daß
der Bergmann, das Kind,
der Anwalt, der Matrose,
der Puppenfabrikant mit mir kommen,
daß wir ins Kino gehen und herauskommen,
Wein trinken, den rotesten Wein“
… so las Gael García Bernal bei der Vorpremiere weiter vor. Die Gedichte des „Canto General“ wurden zum Oratorium der Arbeiterklasse Lateinamerikas und ziehen sich inhaltlich durch die Flucht Nerudas, der sein Leben in Chile verlassen und vor der Verfolgung fliehen muss.
Regisseur Pablo Larraín wirft im Film Fragen auf: Wer ist Peluchonneau? Ist er wirklich ein rauer Mensch, der keine Kultur hat und versteht, aber ein realer Mensch? Oder ist er nur eine tragikomische Frucht der Imagination Nerudas?
Und Pablo Neruda selbst? Wird er wirklich verfolgt, oder bringt er nur durch seine Spielerei die Kommunisten in Gefahr? Wenn er gefangen werden würde, würde er, wie andere Verfolgte, im Konzentrationslager, wo der künftige Diktator Pinochet herrscht, landen?
„Ich bin nur ein Dichter“
„Und wenn die Kommunisten gewinnen“, fragt der Dichter im Film eine Frau, die seit ihrer Kindheit für die Reichen geschuftet hat. „Werden wir dann alle gleich wie du… Oder wie ich?“
umherirrend gehe ich durch die Welt, die ich liebe.“
… heißt es im Gedicht. Aber Pablo Larraíns Neruda ist kein romantischer Wahrsager (nicht nur, zumindest), sondern egozentrisch und spießig. Bei ihm ist Neruda der Hauptcharakter eines Theaterstückes, das er selbst schreibt und dessen Regie er selbst führt. Oder vielleicht eines Krimis, in dem er sich alles ausgedacht hat. Der tragische Polizist, die absurde Frau, der bösartige Ausbrecher – sie alle entspringen seiner eigenen Fantasie.
Der ganze Film ist eine Show à la Neruda.
„Neruda“ ist ab dem 23. Februar in deutschen Kinos zu sehen.
Fotos: Piffl Medien via Arne Höhne PR