neukoellner.net: Christoph, du bist eigentlich Architekt. Wie bist du zum Fotografieren gekommen?
Christoph Michael: Angefangen hat es beim Architekurstudium in London. Der Ansatz ist dort sehr viel freier und künstlerischer als hier, man rennt ständig rum und fotografiert oder dokumentiert irgendetwas, um daraus später noch ein Architekturprojekt zu destillieren. Als ich dann zum Hauptstudium hier an der HdK war, habe ich einen Fotokurs belegt. Später während meiner Zeit in Rotterdam hat sich die Fotografie dann als Gegenpol zum Arbeiten als Architekt entwickelt und mir geholfen die schönen Seiten einer an sich harten und eher unschönen Stadt zu suchen und kennenzulernen, das war sehr wichtig für mich. Zurück in Berlin ist die Foto-Leidenschaft dann mit der zu Berlin zusammengekommen und so zum geworden.
An welchen Stellen überschneiden sich diese beiden Bereiche für Dich?
Das Spannungsfeld zwischen Architektur und Fotografie ist ja sehr interessant. Ganz grob gesagt erschafft die Architektur meist neues, während die Fotografie in meinem Fall aufnimmt und bewahrt. Überschneidungen zwischen Fotografie und Architektur gibt es einige. Ich habe zum Beispiel bemerkt, daß ich oft mit einer Art architektonischem Auge fotografiere (das haben mir auch schon viele Leute gesagt), manchmal sehr grafisch und beinahe abstrakt mit einem besonderen Fokus auf Details. Klassische Architekturfotografie finde ich meistens langweilig, aber besondere Gebäude bieten eben meist auch besondere Situationen, die man aber vielleicht erst entdecken muss.
Was gefällt dir (als Fotograf) an Neukölln?
Die Atmosphäre der Möglichkeiten, ähnlich wie im Prenzlauer Berg oder in Mitte früher. Man merkt, dass das Besondere an Berlin, nämlich etwas aus nichts oder nicht viel zu machen, immer noch da ist. Inzwischen ist das alles aber viel internationaler geworden. An Neukölln gefällt mir da besonders, dass die eine Welt die andere nicht verdrängt, es bleibt trotz der neuen Kunst- und alternativen Szene ein (im positiven) normaler Bezirk mit Menschen aller Art, und das ist es ja letztendlich, was eine Stadt unter anderem ausmacht.
Als Fotograf beschäftigst du dich immer wieder mit dem Wandel der Stadt Berlin. Sind deine Bilder als neutrales Dokument der Veränderung, oder ist damit auch eine Wertung verbunden?
Wie der Name Berlinrekorder schon sagt ist es eigentlich eine neutrale Sichtweise, eine Art Aufzeichnen und Aufnehmen. Bei näherem Hinsehen wird es aber vielleicht hier und da ein bißchen nostalgisch, ob gewollt oder ungewollt weiß ich gar nicht. Diese zweite Sichtweise hat sich über die Zeit ergeben, unter anderem auch durch das Beobachten der Geschwindigkeit mit der sich alles verändert hat. Ich bin ja generell immer für Fortschritt und Entwicklung, gleichzeitig wünsche ich mir aber das eine oder andere von früher zurück. Ich liebe Berlin mit all seinen Seiten und hoffe, daß es seinen einzigartigen Charakter in der Zukunft behalten kann, auch wenn die ganze durch die Geschichte bedingte Sondersituation mit den vielen Freiräumen eines Tages nicht mehr so gegeben ist. Aber eigentlich macht ich mir das keine Sorgen.
Bei einigen deiner Bilder ist mir aufgefallen, dass die Aufnahmen noch gar nicht so alt sind, aber manches davon schon verschwunden ist – der Club der Republik zum Beispiel, oder das Tacheles. Würdest Du sagen, Berlin ist sowieso konstant im Wandel, oder kann man da gerade eine Beschleunigung beobachten?
Ich glaube nicht unbedingt, daß es da eine Beschleunigung gibt. Es ist wohl eher so, daß es einem besonders auffällt, wenn die letzten Zeitzeugen verschwinden, wie z.B. der Club der Republik, sich die Lücken schließen, und die Renovierung ihrer Vollendung entgegen geht. Es gibt da zwei sehr schöne Zitate, das eine lautet „Es gibt nichts oder fast nichts Altes mehr in Berlin“ (Jules Huret) und das andere „Berlin ist dazu verdammt, immerfort zu werden und niemals zu sein“ (Karl Scheffler). Das besondere an diesen Zitaten ist, daß sie beide von 1910 sind, das muss man sich mal vorstellen! Der Wandel ist also nicht erst seit gestern ein Thema hier. Und Berlin ist ja riesengroß, es gibt immer etwas zu entdecken, seien es Spuren aus einer anderen, vergangenen Zeit oder komplett neue Sachen. Beides geht übrigens sehr gut in Neukölln.
Eine deiner Fotoserien heißt „Dein Freund die U8“. Was macht diese U-Bahn-Linie so besonders?
Zuerst einmal ist es meine Linie. Ich fahre zwar meistens Fahrrad, aber wenn es wegen dem Wetter gar nicht geht, nehme ich eben die U8. Ich wohne sogar in einem Haus direkt über dem Tunnel, das heißt, ich spüre, wenn die Bahn unten vorbeifährt. Und wer könnte dem Look der Stationen widerstehen, oft gleich einem alten Badezimmer, was vielleicht auch mal wieder geputzt werden könnte. Und bei Ausbesserungen werden wieder die gleichen, alten Fliesen hervorgezaubert! Aber mal im Ernst, sie verbindet so viele Bezirke miteinander, von Neukölln bis Wedding, und bietet so einen ganz ordentlichen Querschnitt von Berlin. Man fährt mit ihr von einer Welt in die nächste, und das für nur 2,40€! Die Fahrt von einer Endstation zur anderen, die ich für die Fotoserie gemacht habe, war wirklich sehr interessant. Eigentlich war die Linie als Hängebahn wie in Wuppertal geplant, da hätte die U1 mit ihrer Hochbahn natürlich nicht schlecht geguckt!
Fotos von Christoph Michael sind bis 28.7. in seiner Ausstellung im Café Hudson“s Cakes zu sehen, das zwar gerade nicht mehr in Neukölln liegt, aber nur einen kleinen Fußmarsch entfernt ist.