„Erst gab’s Sprüche, dann Haue“

Henrik Kürschner Unser Neuköllner Kiezkopf Henrik Kürschner ist gebürtig, wie kein Zweiter. Wir sprachen mit dem Grafiker und begeisterten Radfahrer über alte Verhaltensmuster und die große Anzahl neuer Cafés im Bezirk.

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Donnerstag, 1. Dezember 2011

Wie lange leben Sie schon in Neukölln?

Seit 41 Jahren lebe ich hier. Geboren bin ich zwar im Albrecht-Achilles Krankenhaus in Wilmersdorf, seitdem wohne ich aber in Neukölln, immer in der gleichen Wohnung. Die Eltern leben inzwischen außerhalb. Meine Mutter ist Ur-Berlinern und mein Vater kam mit drei Jahren aus Thüringen hierher.

Was hat sich aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren verändert?

Wenn dir früher in Neukölln nachts drei dunkle Gestalten über den Weg liefen, konntest du fast sicher sein, dass es erst blöde Sprüche gab und danach Haue. Neukölln war lange Zeit ein sehr finsterer Bezirk. So war das eben. Jetzt laufe ich von der U-Bahn nach Hause, mir kommen wieder drei Leute entgegen und ich denke: Shit, jetzt knallt’s gleich wie früher. Alles auf Alarm! Und dann fragt mich aufeinmal ein Typ in breitem Schwäbisch: ‚Schuldigung, können’sche mer sache, wo desch Ä sich?‘ Mal abgesehen von dem ganzen Studentenpartytrubel haben sich die Verhaltensmuster, die es in diesem Bezirk gab, total verändert.

Was stört Sie an Neukölln und was würden Sie konkret ändern, wenn Sie könnten?

Ich würde manches langsam mal stoppen. Die Welt, in der wir leben, die lebt nicht nur von Cafés. Manchmal frage ich mich: Wer repariert die Autos? Wer ist der neue Schlüsselmacher? Und wer backt die Brötchen wirklich hier, außer der Späti unten an der Ecke? Ich würde da langsam mal einen Riegel vorschieben und sagen: So, Cafés reichen jetzt! Wir müssen hier mal ein bisschen auf Nachhaltigkeit kucken, damit das was wird. Dass die Leute wieder ihren Kopf einschalten, das würde ich mir wünschen.

Was ist Ihr Lieblingsort in Neukölln?

Eigentlich haben meine Lieblingsorte immer mit Meer zu tun, mit Wasser. Deshalb würde ich sagen das Studentenbad. Im Landwehrkanal haben früher viele Studenten gebadet, deshalb wurde der auch so genannt. Dort mag ich es sehr gerne, da haben wir viel Quatsch gemacht. Direkt am Kanal war ja der Grenzstreifen, teilweise liefen wir hier 15 bis 20 Meter auf der Mauer herum, um schneller zu einem bestimmten Basketballplatz zu kommen. Die Vopos haben uns natürlich fotografiert, was uns dann bei der nächsten Einreise in die DDR bewusst wurde, als wir an der Grenze extrem auseinander genommen und durchsucht wurden.

Welche Sprachen sprechen Sie?

Wenn man so lange in Neukölln wohnt, versteht man natürlich einiges an Türkisch, obwohl ich es nicht sprechen kann. Ich spreche fließend Englisch und Französisch. Italienisch und Spanisch mit Abstrichen. Japanisch und Kantonesich kann ich auch ein bisschen, obwohl ich sagen muss, dass ich ein kleines Talent für Sprachen habe. Wenn ich irgendwo etwas länger Zeit verbringe, geht das schon sehr schnell mit dem Lernen.

Angenommen Sie hätten einen Wunsch frei…

Ich würde wohl die Steuern abschaffen. Nee keine Ahnung (überlegt)… ich hätte gerne eine Kreditkarte mit unbegrenztem Kredit und dann könnte ich Radfahren, um die ganze Welt, jeden Tag – okay, das mach ich ja eigentlich schon – aber dann müsste ich zwischendurch nicht mehr Arbeiten (lacht).

Was wünschen Sie Ihren Nachbarn?

Ich habe wirklich sehr patente Nachbarn, die mir auch wichtig sind. Neben mir wohnt eine Künstlerin und auch die anderen Nachbarn kenne und schätze ich sehr. Wenn man wirklich lange in einem Haus wohnt, dann kriegt man natürlich auch viel Menschliches mit. Ich hoffe, dass das so bleibt.

Kommentare:

  • Dabar sagt:

    Er ist doch nur Berliner des Monats geworden, weil er sich so über die schwäbische Antwort freut… Das finden die zugezogenen Macher dieser Seite natürlich ganz toll…

  • fero sagt:

    Also, in Bezug auf die Schwaben kann ich ihm nur Recht geben! Berlin war mal ein Lausebub, ein Strolch, mit Manieren und Humor. Man kannte die Nachbarn, den Hausmeister, den Bäcker und so viele mehr und hatte somit seine Wurzeln scheinbar tief geschlagen. Man hatte eine Identiät, die sich ja auch durch das Kollektiv manifestiert und quasi per Vererbung weitergegeben wird. Heute ist Berlin, die Kurfürstenstraße Europas und man fragt sich, ob man nicht doch fremd ist…

  • Michaela sagt:

    Schade das es das Rock it nicht mehr gibt oder Henne?
    Neukölln im Sommer ist schön alle lächeln und freuen sich nur die ganzen immer gleichen Geschäfte nerven .Und manchmal ist es wie Urlaub.

  • Micha sagt:

    Henne, früher hast Du immer gesagt, das Du aus Kreuzberg kommst. Plötzlich aus Neukölln oder wie jetzt? Der König der Popper, sorry Skater, NEIN Basketball oder doch Mod? Ach so, Radfahrer! Ho ho ho