Der Rap-Designer

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Raphael Itten in seinem Atelier in der Flughafenstraße. Foto: Laurin Schmid

Aus dem Land der Almwiesen ins kotige Berlin. In Neukölln mausert sich der Schweizer Künstler Raphael Grischa aka IHAD zum Designer für Deutschlands neue Rap-Generation.

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Mittwoch, 27. Juli 2016

Fotos: Laurin Schmid

Raphael Ittens lästigste Schwäche kennt jeder von sich selbst. Ein Mangel an Selbstdisziplin hemmt seine Arbeit. Der junge Schweizer zeigt auf ein Blatt Papier an der Wand. „Der Strukturplan sollte helfen, hat er aber nicht“ meint Grischa. Mit seinem dicken Grinsen nebst Hut erinnert er an die Figur des Tramps aus den Charlie Chaplin Filmen. Ein Wanderarbeiter, offenherzig bis zum Anschlag, schnell begeisterungsfähig und ein wenig fahrig im Auftreten; kaum abgesprungen, ist er schon wieder auf Reisen.

Händchen für Inszenierungen

Als Künstler nennt sich Grischa IHAD, was für „I have a Dream“ steht. Träume hat der Mann jede Menge. Zum Beispiel die Schweiz bei der Biennale in Venedig vertreten oder mal ein Video für Kanye West drehen. Helfen könnte ihm dabei sein Händchen für Inszenierungen. Egal, ob er sich wie Goldfinger beim Katze streicheln selbst porträtiert oder Schaufensterpuppen mit russischen Knast-Tattoos schmückt. An den Arbeiten des 27-Jährigen bleibt der Blick hängen. Zu schätzen, weiß das eine Kundschaft, die eine gelungene Selbstdarstellung braucht wie die Luft zum Atmen – Deutschlands Hip Hopper greifen zunehmend auf IHADs Dienste zurück, um ihre Platten-Cover, Videos und T-Shirts zu designen.

„Durchbeißen und Euros ranschaffen“

Für die Erfolgsrapper von GENETIKK gestaltete er die Bühnenshow zur letzten Tour. Mit Prinz Pi arbeitet Itten schon länger zusammen. Auch das Album „Zodiak“ von RAF Camora, Chakuza und Joshi Mizu schmückt ein IHAD-Design. An einem Auftrag aus der Hip-Hop-Szene verdient er ganz gut. Aber nur an „runden Dingern“, wie IHAD größere Aufträge nennt. Diese bestehen meist aus einer „Limited-Edition CD-Box“ nebst T-Shirt-Beilage und Autogrammkarten. Für Chartplatzierungen zählen heutzutage nicht mehr nur die verkauften CD-Einheiten sondern der gesamte Umsatz. Musiker haben also ein hohes Interesse daran, aufwendige Deluxe-Editionen ihres Schaffens unter die Leute zu bringen, was gut für Künstler wie IHAD ist.

Bis jetzt sind solche Aufträge aber noch selten. Häufiger muss er „schnell, schnell“ kleine Entwürfe für Tattoos und Flyer liefern, die nicht viel einbringen. Zudem ist die Zahlungsmoral selbst bei Kleinstbeträgen gering. Gerade telefoniert er einem Rapper wegen 200 Euro hinterher. Grischa lebt im Modus „Durchbeißen und Euros ranschaffen“, wie er sagt.

Raphael Itten in seinem Atelier

Raphael Itten bei der Arbeit. Foto: Laurin Schmid

Außer Nacktwandern wenig zu bieten

In seinem Atelier in der Flughafenstraße brütet er gerade darüber, das Video eines Berliner Gangsterrappers aufzuhübschen. Vom ersten Vorschlag war der potenzielle Kunde nicht überzeugt. Dabei war dieser ausgeklügelt bis ins Letzte. Inspiriert von der zum Dreieck gefalteten US-Flagge auf den Särgen toter US-Soldaten, hatte Grischa eine Fahne mit Album-Infos entworfen, inklusive spezieller Falttechnik. Im Video sollte die Fahne peu à peu ihre Infos preisgeben und am Ende als Gangster-Bandana das Gesicht des Hip-Hoppers zieren. Doch der Rapper will jetzt lieber etwas „in der Art eines Brettspiels“. Berliner Künstlerleben können hart sein.

Seit 2007 ist Grischa in der Stadt, mit Unterbrechungen. Dazwischen liegt Abgebrochenes wie ein Studium in London und eine Ausbildung zum Grafiker. Gekommen ist Itten aus dem Dörfchen Rehetobel im Schweizer Kanton Appenzell Ausserrhoden. Googelt man ein bisschen, scheinen Konflikte um das Nacktwandern in der Region dort die spannendsten Aufreger zu sein. Für Raphael Itten, mit seinem Wunsch sich als Künstler zu beweisen, hatte die Ost-Schweiz wenig zu bieten. „Zeichnen und ein Gespür für Ästhetik habe ich mir über das Sprayen beigebracht“, meint er. Graffitis reizten ihn mehr als Fußballspiele mit der Dorfjugend.

Als Teenager reiste er immer öfter nach Berlin, der Heimat seiner Großeltern, um seine Leidenschaft auszuleben. Die Idee Künstler zu werden, entstand aus dem Competition Gedanken der Hip-Hop-Szene, deren Teil er in der Hauptstadt wurde. Inzwischen hat er sich hier eine Nische geschaffen und greift nach mehr.

Wer sich für die Arbeit von IHAD interessiert, besucht am besten seine Webseite. Der Artikel ist erstmals am 7. Juli 2014 auf neukoellner.net erschienen.

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