Salat neben der Landebahn

Es grünt so grün in Tempelhof: Auf dem ehemaligen Flughafengelände blühen und gedeihen Nachbarschafts- und Gemeinschaftsgärten. Ein Besuch bei Hobbygärtnern mit Improvisationstalent (mehr …)

Freitag, 23. September 2011

Eins der letzten Beete haben Lea, Nici und ihre Freunde ergattert. „Darum wächst bei uns noch nicht so viel,“ sagt Nici, während sie die zarten Blättchen in einem ihrer Hochbeete begutachtet. Seit etwa zwei Monaten gärtnern sie auf dem Tempelhofer Feld, genauer gesagt im „Allmende-Kontor“. Bei den Nachbarn quellen die bepflanzten Kisten vor lauter Grünzeug teilweise schon über. Seit April ist hier auf dem ehemaligen Flughafengelände ein großer Gemeinschaftsgarten entstanden, der mit spießigen Kleingartenanlagen nicht viel gemeinsam hat. 280 Beete gehören zum „Allmende-Kontor“, einem so genannten Pionierprojekt der Tempelhofer Freiheit. Die verschiedenen Pioniere haben sich das Ziel gesetzt, die riesige Parkfläche mit ihren Ideen zu beleben und spannende Projekte mit einem Mehrwert für die Gemeinschaft umzusetzen.

Kunst oder Trash? Auf jeden Fall findet hier so einiges eine neue BestimmungBeim „Allmende-Kontor“ konnten sich interessierte Hobbygärtner für eine Fläche bewerben, die sie nach ihren Vorstellungen bepflanzen und gestalten dürfen. Die Nachfrage war sehr groß, so dass im Moment keine Beete vergeben werden können. Im fließenden Übergang an den Kontor grenzen die Nachbarschaftsprojekte „Stadtteilgarten Schillerkiez“ und „Rübezahlgarten“ an, sowie der „Lernort Natur“, ein pädagogisches Projekt. Mit unterschiedlichen Ansätzen holen sich die Pioniere ein Stück Natur in die Stadt. Die zahlreichen Mitwirkenden haben dazu beigetragen, dass am Ende der Start-und Landebahn in den vergangenen Monaten eine blühende Gartenlandschaft entstanden ist.

Improvisieren und Recyceln

 

Nici und Lea in ihrem Freiluft-Wohnzimmer

Im „Allmende Kontor“ stellt die Projektleitung Holz, Erde und Wasser zur Verfügung, im Gegenzug rufen sie die Gärtner dazu auf, Geld zu spenden. Die meisten Beete sind aus Bau- und Sperrholzresten oder auch alten Fenstern zusammengezimmert. Viele haben wie Lea und Nici eine Sitzecke integriert und die Beete mit allerhand Schnickschnack verziert. An dem Beet der beiden Mädchen ist ein alter Türrahmen festgeschraubt, in dem ein Wasserkessel und eine Babuschka-Figur hängen. Lea hat vor kurzem eine Zimmerpflanze mitgebracht und Nici setzt heute Küchenkräuter ein, denen es im Blumenkasten auf dem Balkon zu eng geworden ist. Vieles haben sie geschenkt bekommen, etwa Erdbeerpflänzchen und Mangoldsaamen. Zusammen mit einigen Freunden kümmern sie sich um die drei Hochbeete, die sie selbst gebaut haben. Jeder trage dazu bei und kommt regelmäßig in den Garten, sagt Lea, „aber man braucht einen, der sich verantwortlich fühlt.“

Mit anderen Gärtnern komme man leicht ins Gespräch, so Lea und Nici, meistens wenn sie Werkzeug ausleihen möchten. „Man hat das Gefühl, dass man immer willkommen ist“, sagt Lea, „aber oft ist nicht klar, bis zu welcher Grenze.“ Darf man sich vom Nachbarn eine reife Tomate klauen oder eine Blume abschneiden? Sich auf seine Bank setzen, wenn er nicht da ist? Soll man seine Blumen mitgießen? Die Regeln der Gartengemeinschaft müssen sich erst festigen.
„Es herrscht noch kein großes Gemeinschaftsgefühl“, findet Malte, einer der Organisatoren des „Allmende-Kontors“. Er ist sich deshalb auch unsicher, ob sich das Projekt über Spenden finanzieren lässt. Malte hat selbst ein Beet beim „Allmende-Kontor“ und steht regelmäßig als Ansprechpartner für Interessenten und Beteiligte zur Verfügung. Viele der 13 Leute im Organisationsteam engagieren sich noch in anderen Garten- und Nachhaltigkeitsprojekten in Berlin, etwa der AG Kleinstlandwirtschaft der FU Berlin, Mundraub, Social Seeds oder Gartenstudio, an dem auch Malte beteiligt ist. Positiv findet er, dass mittlerweile die unterschiedlichsten Leute den Garten nutzen. Türkische Rentner, junge Familien und viele Studenten gärtnern nun Beet an Beet, fachsimpeln über die besten Gartentechniken und tauschen Samen oder Werkzeug. „Es ist jetzt ein realistischer Mix wie in Neukölln auch,“ so Malte. „Am Anfang waren es fast nur junge Akademiker.“

An sonnigen Tagen herrscht reges Treiben im Allmende-Kontor. Überall wird gehämmert, gebuddelt, Unkraut gejätet, gedüngt und gewässert. Neben dem tatsächlichen Gärtnern hat das Projekt auch das Ziel, die verschiedenen Urban Gardening-Projekte in Berlin zu vernetzen. Das Projektteam berät Interessenten über die verschiedenen Möglichkeiten in Berlin Gemüse, Obst und Blumen anzupflanzen. Der Kontor soll auch als Samenbörse genutzt werden, um eine möglichst große Vielfalt an Pflanzen in der Stadt zu erreichen. Mindestens bis 2013 wird sich hier in der Tempelhofer Freiheit also noch einiges tun – vorausgesetzt, es wird fleißig gespendet.

Mehr Infos über Urban Gardening Projekte in Berlin gibt’s auf Urbanacker.