Kein BVV-Rücktritt: #Bombergate mündet in Anti-Nazi-Protest
Am Ende protestieren 300 Bürger gegen eine erbärmliche NPD-Kundgebung: Piratin Anne Helm erklärt sich im Rathaus für #Bombergate, Bürgermeister Buschkowsky ruft zu Solidarität auf.
Wenn das das Ende von #Bombergate ist, so ist es ein Versöhnliches. Die vorläufige Bilanz:
Gegendemonstranten vs. Nazis: 300 zu 11
BVV vs. Anne Helm: Buschkowsky eint sie alle
Piratenpartei vs. Piratenpartei: ?
Dass Brüste – genauer die Botschaft,die sie verbreiten – Verhandlungsgegenstand im Neuköllner Rathaus sind, gehört in die Skurrilitätensammlung der Lokalpolitik: Am gestrigen Mittwoch erklärte sich die Bezirksverordnete Anne Helm (Piratenpartei) zu #Bombergate:
„Ich bedauere meine Aktion und wünsche, ich könnte sie ungeschehen machen. Es war nie meine Intention, die Gefühle von Menschen zu verletzen.“
Das war passiert: Helm protestierte in Dresden anlässlich des Gedenkens an die Bombardierung der Stadt, auf einem Foto sieht man sie mit nackten Oberkörper, darauf geschrieben: “Thanks Bomber Harris”. Ein Danke an den Mann, der den Angriff auf Dresden befohlen hatte. Der Vorwurf an Helm deshalb: die Verhöhnung von Todesopfern. Auf die Vorwürfe folgten harsche Kritik bis hin zu Vergewaltigungsaufrufen und Morddrohungen an die Politikerin. Die NPD meldete zur Bezirksverordnetenversammlung eine Demonstration gegen Anne Helm vor dem Rathaus Neukölln an.
300 Nazigegner gegen die NPD
Draußen vor dem Rathaus indes Verhaftungen, Demonstranten brüllen Nazis nieder, Tomaten und Eier fliegen, Kinder verballern die Reste ihrer Silvesterausstattung: 300 Gegendemonstranten – Piraten, Linke, Grüne, Antifa, ein bisschen Jusos und viele Anwohner – haben sich versammelt, um eine NPD-Kundgebung zu stören. Die elf Nazis, abgeschottet durch ein riesiges Polizeiaufgebot, mussten sich erst mit dem eigenen Transparent vor Tomatenwürfen schützen und wurden nach geschätzt 30 Minuten sprichwörtlich in die Flucht geschlagen (mit ihrem Transporter fuhren sie dabei auf der Karl-Marx-Straße beinahe noch einen Polizeibeamten an). Insgesamt verlief alles recht friedlich, bei der Auflösung der Veranstaltung kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, es gab sechs vorläufige Festnahmen, 10 Strafanzeigen wurden gestellt.
Fotos: Anne-Stephanie Wildermann, Felix Herzog (weitere Bilder der Geschehnisse gibts hier)
Demoschnipsel von oben:
(von @znEp82)
Kein „Thank you, Bomber Harris“
Dass die BVV-Abgeordnete Helm nun so massiv bedroht wurde, brachte für die Piratin politisch die Wende: Nachdem die Neuköllner CDU vergangene Woche von Helm noch die Mandatsniederlegung forderte (und sich mit der SPD zum Stichwortgeber für die Nazis machte), ergriff nun Buschkowsky das Wort:
„Es kann nicht sein, dass wenn ein Mitglied dieser Versammlung an einer politischen Aktion teilnimmt – über die man streiten kann – dieses Mitglied mit dem Tod bedroht wird. Allen, die hier sitzen, gehört der Schutz dieses Hauses.“
Und so stimmte die BVV in Beinahe-Eintracht unter Enthaltung der Grünen dem Schriftstück „Angemessenes Gedenken“ zu, Kerninhalt: Die BVV Neukölln unterstützt Proteste gegen Neonazis und missbilligt das Verhöhnen von Opfern und Aktionen, die als solches verstanden werden können, also inklusive der Aktion von Helm in Dresden.
Der Skandal mag damit beendet sein, der Richtungsstreit, der sich in #Bombergate entlud, und unter dem die Piratenpartei gerade zu zerreißen scheint, ist ungelöst.
Was bleibt: 300 Leute tun etwas richtiges. Sie protestieren gegen Menschenverachtung.
Eben am Rathaus #Neukölln. Kind: „Was machen die Leute da?“ Mama: „Die demonstrieren gegen schlechte Menschen.“ Kind: „Das ist gut.“ <3<3<3
— Zar von Neukölln (@Zar_NK) February 26, 2014
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