Wasserklosetts als Statussymbole

Klosett mit Blumenmuster

99 Ausstellungsstücke, die exemplarisch die Geschichte des Bezirks widerspiegeln. Ein Besuch im Museum Neukölln auf dem Gutshof Britz.

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Freitag, 8. April 2011

Von außen erinnert das langgezogene, einstöckige Gemäuer mit dem großen Eingangsportal vielleicht noch an die ursprüngliche Nutzung als Pferde- und Ochsenstall. Innen überwiegt dann aber der sachlich kühle Modernismus: weiße Decken und Wände und klare Formen aus Glas und Edelstahl. Dazu jede Menge Beamer- und Touchscreen-Schnickschnack, der die historischen Ausstellungsstücke jäh in unsere Jetztzeit beamt. Beim Betreten des Museums Neukölln, das seit letztem Mai ein neues Zuhause auf dem ehemaligen Gutshof Britz gefunden hat, staunt man nicht schlecht über die elegante Mischung aus alt und neu.

Auf dem Gutshofgelände von Schloss Britz entsteht derzeit ein ganzes Kulturareal. Neben dem Museum soll hier bis September ein „Kulturstall“ genannter Veranstaltungssaal, eine Freilichtbühne und eine Musikschule entstehen. Auch die Musikschule gibt es bereits.

Von Rixdorf bis Britz

Vom Volksschullehrer Emil Fischer 1897 gegründet, war das „Naturhistorische Schulmuseum der Gemeinde Rixdorf“ eines der ersten Regionalmuseen Berlins. 1961 zog man in die Ganghoferstraße in ein Hinterhaus des Neuköllner Stadtbadgeländes und erst 2009 kam es zu einem erneuten Standortwechsel: dem Umzug nach Britz. Archiv und Depot sind nun als als „Geschichtsspeicher“ zusammengefasst und zum ersten Mal ist eine ständige Präsentation der historischen Schmuckstücke möglich.

Auf den ersten Blick wirken die 99 Objekte der Dauerausstellung „99 x Neukölln“ relativ übersichtlich, sie nehmen gerade einmal die Hälfte des Raumes in Anspruch. Wagt man sich nach der ersten oberflächlichen Betrachtung allerdings an das bereitgestellte technische Gerät, stellt man fest, dass man hier doch wesentlich tiefer in die Geschichte eintauchen kann, als anfangs vermutet.

Statussymbole aus einer anderen Zeit

Jene wunderschön, blümerant verzierte Kloschüssel (Titelfoto) beispielsweise wirkt nicht nur als Objekt äußerst skurril, sondern davon ausgehend hebt das Museum einen ganzen Schatz an nicht minder kuriosen Hintergrundinformationen über die Historie von Wasser- und Streuklosetts. Das patentierte „Metroclo“, wie einer eingescannten Anzeige aus dem „Teltower Heimatkalender“ von 1929 zu entnehmen ist, ist ein Streuexemplar der Firma „Gefinal GmbH“, das statt Wasser mit Trockenstreu funktionierte. Eine feine Sache für Haushalte, die noch nicht in der glückliche Lage waren, an die Kanalisation angeschlossen zu sein. „Metroclo ist geruchlos, hygienisch, wirtschaftlich“ – versprach ein Werbeslogan aus dieser Zeit.

Was dem Abort damals für eine statusprägende Rolle zukam, wird durch einen Auszug aus dem Roman „Brennholz für Kartoffelschalen“ des Neuköllner Autors Horst Bosetzky deutlich: „Am niedrigsten standen die, die ihr ‚Kackhaus‘ auf dem Hof oder auf halber Treppe hatten. Dann kamen die, die zwar eine Innentoilette besaßen, aber sich nur auf ein unförmiges Kasten- oder Plumsklo niederlassen konnten, und ganz oben in der Wertungstabelle waren jene einzuordnen, die ein freistehendes Klo aus Porzellan vorzuzeigen hatten. Die aber wiederum waren ein Nichts gegen alle Vorderhausbewohner, die ein Badezimmer ihr eigen nennen durften.“ Ein Klo als Statussymbol? Auch in Neukölln wurde es natürlich längst vom Auto überholt.

Entwicklung des Lokaljournalismus in Neukölln

Als Neuköllner Lokaljournalisten weckt noch ein anderes Ausstellungsstück die gesteigerte Aufmerksamkeit. Eine gelbe Armbinde mit blauen Streifen liegt da im Schaukasten, „Neuköllner Tageblatt“ steht darauf. Daneben ist die Geschichte des Lokaljournalismus in Neukölln in aller Ausführlichkeit dargestellt. Jene Armbinde trugen Ende der 1920er Jahre die Zeitungsverkäufer des besagten Blattes. Dreißig Jahre zuvor war erstmals dessen Vorgänger, das Rixdorfer Tageblatt, erschienen. Mit der Bezirksreform von 1912 und der Umbenennung von Rixdorf in Neukölln änderte sich auch der Name der Zeitung.

Auch Straßennamen wurden ausgetauscht. In der damaligen Bergstraße 35/36, heute Karl-Marx-Straße, gründeten die Verleger Mier und Glasemann im März 1892 das Tageblatt. Während des Zweiten Weltkrieges wurden alle Neuköllner Lokalzeitungen im Zuge der Gleichschaltung der Massenmedien entweder aufgelöst oder mit anderen Bezirksblättern zusammengefasst. Als die Amerikaner 1948 schließlich die Druckerei des Neuköllner Tageblatts demontierten und nach Zehlendorf brachten, war es mit der bezirkseigenen Lokalzeitung vorbei, auch wenn danach noch Versuche gestartet wurden. Der 1949 gegründete Neuköllner Anzeiger ging 1952 in der Berliner Morgenpost auf. Eine Neugründung des Tageblatts 1953 scheiterte noch im gleichen Jahr.

Ob Fernsehen und Internet tatsächlich die gedruckten Informationen verdrängen, wie auf den digitalen Schautafeln des Museums beschrieben, sei einmal dahingestellt. Die Behauptung, dass „die kostenlosen, werbefinanzierten Wochenzeitungen den Neuköllner Zeitungsmarkt“ beherrschen“ und „eine vertiefte oder kritische Berichterstattung“ kaum noch stattfindet, trifft jedoch größtenteils zu. Die Berliner Woche, eine jener werbefinanzierten Wochenzeitungen, publiziert lediglich Lokalausgaben für Neukölln Nord und Süd und wöchentlich verteilt. Dafür versuchen Lokalblätter wie Kiez und Kneipe und Reuter., die einmal bzw. zweimal pro Monat erscheinen, die Lücke wieder ein wenig zu füllen. So wie auch diese Seite hier.

Museum Neukölln. geöffnet Dientag – Sonntag 10 – 18 Uhr, auf dem Gutshof Britz Alt-Britz 81

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