Text, Video und Fotos: Simon Höhne
Eine Szene wie in einem Musical: Die Jamsession beginnt, Klarinette und Akkorden spielen im Duett, da erhebt sich eine Stimme aus dem Publikum und stimmt Lautstark mit ein. Ein Chanukka-Song. Solche Szenen wiederholen sich an diesem Dienstagabend immer wieder. Die Stimmung ist kommunikativ, Musiker und Publikum scheinen zuweilen zu einem Kollektiv zu verschmelzen. Und das nicht nur aus Platzgründen – denn die Bude ist voll. Seit knapp zwei Jahren beherbergt das Oblomov in der Lenaustraße die von Musikern selbst organisierte Klezmer-Session. Mitmachen kann jeder – Voraussetzung ist die Freude an der jiddischen Volksmusiktradition.
Menschen mit Musik zusammenbringen
Diese Freude teilt auch Till Schumann, Geschäftsführer des Plattenlabels „Oriente Musik“ und Vorstandsmitglied des in diesem Herbst neu gegründeten Vereins Tănase & Gebirtig e.V. Ziel des Vereins ist die Förderung ost- und südosteuropäischer Musik, zu der auch der Klezmer zählt. „Juden und Roma spielen für die Musik dieser Regionen eine wichtige Rolle, da sie häufig die Berufsmusiker stellten“, erklärt Schumann. An diesem Abend sitzt er im Oblomov gemütlich auf einem Sofa und wippt im Takt. Die Leidenschaft für die Musik ist ihm anzusehen. „Wir möchten Menschen zusammenbringen“, sagt Schhmann und erzählt von einer türkisch-jiddischen Tangoveranstaltung, welche sein Verein unlängst ausgerichtet hat. Die Organisation von Konzerten, Festivals und Workshops ist die Kernkompetenz vom Tănase & Gebirtig e.V. Für 2016 ist zum Beispiel ein Festival in Planung.
Es darf getanzt werden
Aber warum Neukölln? „Hier leben viele verschiedene Menschen, von denen etliche Musiker sind“, erklärt Schumann. „Daher ist Neukölln der ideale Ort für die Arbeit unseres Vereins. Auch das Publikum ist hier“. Mit dem Oblomov und der Villa Neukölln, als zusätzliche Spielstätte, habe man hier zudem eine gute Infrastruktur gefunden. Auch auf dem Tempelhofer Feld würden im Sommer regelmäßig Jamsessions stattfinden.
Neben der schon länger stattfindenen Klezmer-Session, hat Tănase & Gebirtig e.V. inzwischen auch eine eigene Veranstaltung etabliert: Die Reihe „Neukölln Tantshoys“. „Die Tantshoys sind quasi eine Verlängerung der Klezmer-Sessions“, so Schumann. Auf der Bühne steht die Oblomov-Hausband, aber eigentlich gilt: Wer spielen möchte, darf spielen. Und wer nicht gerade auf der Bühne steht, kann bei der zweiten Ausgabe am kommenden Dienstag in der Villa Neukölln ordentlich das Tanzbein schwingen – im Oblomov ist es dafür leider oft zu eng. Und wer sich bei seinen Klezmer-Moves nicht ganz sicher ist: der Verein verspricht eine „kundige Tanzanleitung“.