1966 in Ostfriesland geboren, lebt Inox Kapell seit vielen Jahren in Berlin. Er ist Fluxus-Künstler, Musiker mit ellenlanger Diskografie, sowie Entomologe, also Insektenforscher. Einen Einblick in die Welt der Insekten gibt er am kommenden Freitag und Samstag bei der Ausstellung „Entomological figures and stories“ im Salon Renate.
neukoellner.net: Inox, was wirst du bei deiner Ausstellung im Salon Renate zeigen?
Inox Kapell: Kitsch, insektoide Zeichnungen und Malereien. Schaukästen und Spielzeuge zu Insekten, Trödelkram, alles was ich so im Laufe der Jahre gesammelt habe. Das wird auch eine kleine Verkaufsausstellung, weil ich so viel gefunden hab, was ich unbedingt los werden will. Das mach ich dann ganz billig, so ab einem Euro. Aber der Raum ist klein und das wird nicht wie im Insekteum sein, das ich mal in der Pflügerstraße hatte.
Wie sah das Insekteum aus?
Das war unten eine Bar, ganz insektoid eingerichtet, im Erdgeschoss ein Laden, für Insektenkunst und sowas, und oben ein Museum, wo ich auch gewohnt habe. Da konnte man sehen, wie einer arbeitet, wenn er Insekten präpariert, beobachtet oder skizziert. In einer anderen Ecke gab es Terrarien, aber nicht mit lebenden Tieren.
Lebende Insekten sammelst du also nicht?
Nein, gar nicht mehr, hatte ich früher mal. Ich geh lieber raus und mach Insektenführungen.
In deinen Zeichnungen sehen Insekten auch ein wenig wie Aliens aus.
Ja, die sind für mich auch ganz nah.
Was war zuerst da, Insekten oder Aliens?
Ich glaube die Aliens haben da eine Art Fußabdruck auf der Erde hinterlassen. Schau mal, eine Gottesanbeterin, die sieht genauso aus, wie man sich Aliens vorstellt. Es ist mittlerweile fast bewiesen, dass die Götter der Ägypter und Summerer Aliens waren. Da gibt es Darstellungen von Raumschiffen. Eines wird sogar in der Bibel beschrieben, bei Hesekiel. Ich kann mir vorstellen, dass vor vielen Millionen Jahren hier mal Aliens gelandet sind, und die haben angefangen, so kleine Insekten zu bauen. Und schauen jetzt jede Million Jahre mal, wie sich die entwickeln. Verändert haben sich Insekten aber auch durch die Umwelteinflüsse. Das ist ja das Schöne an denen, die können so schnell mutieren.
Was kann man von Insekten lernen?
Da gibt es ganz viel. Staatenbildende Insekten leben in einer absoluten Demokratie, das haben sie uns voraus. Die haben eine ausgeklügelte Sprache und kommunizieren über Düfte, über Pheromone. Und Düfte sind immer ehrlich. Bei Ameisen hat man festgestellt, die haben bis zu 50 Pheromone, die nicht nur sagen „Angst“ und „Feind“, sondern noch viel mehr. Was das ist, weiß man aber noch nicht. Was ich so toll finde, ist dieses ganze soziale System. Die kümmern sich sofort. Wenn einer Hunger hat, wird er gefüttert. Dadurch gibt’s keinen Mangel.
Am Freitag spielst du auch ein Konzert im Salon Renate. Wie kann man sich deine Auftritte vorstellen? Welche Instrumente und Gerätschaften hast du da auf der Bühne?
Das ist jedes Mal anders, da verrate ich auch gar nicht viel vorher. Das ist immer elektronisch, aber auch mal mit Schlagzeug, Bass oder Gitarre. Das ist immer ganz spontan und hängt immer davon ab, wer noch mitspielt.
Welche Rolle haben Insekten in deiner Musik?
Ich singe viel über Insekten. Auch sind die Sounds teilweise aus Insekten gebaut. Ich arbeite mit Geräuschen von Insekten, zum Beispiel Gezirpe, das kann man dann ja alles verändern und dann hört sich’s an wie ein Synthesizer. Oder ich ahme Insekten synthetisch nach. Insekten umgeben mich die ganze Zeit und deswegen sind sie auch immer zu hören.
Hast du ein Lieblingsinsekt?
Jedes Jahr ein neues. Wenn ich zum Beispiel an einem Ort bin, an dem gerade die Zeit vom Hornissenschwärmer ist, den man sonst nie sieht, und auf einmal sind die dort ganz häufig, du siehst wie die sich paaren und da rumfliegen. Dann kann es passieren, dass ich das ganze Jahr darüber nachdenke und auch Texte drüber schreibe.
Wie kam das denn, dass dich Insekten so interessieren?
Das war schon immer so. Meine Mama erzählt immer, gleich nach „Mama“ wäre mein zweites Wort „Ameise“ gewesen. Man konnte mich nie wegkriegen von der Wiese. Ich hatte ganz früh schon kleine Terrarien, weil ich die Tiere immer bei mir haben wollte. Ich fühlte mich auch wohler bei denen als beim Menschen, als ich klein war. Das hat sich dann irgendwann zur Kunst entwickelt und gleichzeitig zur Biologie. Mich interessiert das Wissenschaftliche, aber auch das Verspielte. Über die Kunst erreiche ich einfach andere Menschen und das ist mir wichtig.
Hast du Lieblingsorte in Berlin, an denen man gut Insekten beobachten kann?
Der Britzer Garten, der Grunewald natürlich, oder am anderen Ende von Berlin die Seen bei Buch. Wenn ich Führungen mache, gehe ich am Ende irgendwo ins Grüne, aber am Anfang laufen wir die Straße lang. Was sich da alles finden lässt, ist schon Wahnsinn. Die Artenvielfalt ist in den Städten mittlerweile größer als auf dem Land, durch die Monokulturen. Hier gibt es mehr Rückzugsorte, kleine Brachflächen etwa, wo die Tiere überleben.
Wie oft machst du Insektenführungen?
Ganz regelmäßig mache ich die in Wiesbaden, da bin ich etwa ein Viertel meines Jahres. Hier nur vereinzelt, wenn mich Schulen einladen, bei Seminaren oder bei Festen.
Du hast auch mit der Rütli-Schule mal ein Projekt gemacht.
Eigentlich mit fast allen Schulen hier in Neukölln. Mit denen habe ich Insektenmusicals gemacht, also Naturerfahrung eingebaut in Theater und Musik. Ich bin mit den Schülern rausgegangen, hab Tiere erklärt, wir haben Tiere mitgenommen, Kostüme gebaut, Texte geschrieben, und dann war das ein richtiges Theaterstück. Das war immer toll. Und in der zweiten Phase haben wir Insektenhotels gebaut. Die werden jetzt von den Schülern betreut.
Wie lange wohnst du schon in Neukölln?
Seit Ende 2004, vorher hab ich in Kreuzberg gewohnt.
Wie nimmst du die Veränderung hier im Kiez wahr?
Ganz stark. Man merkt es an den Preisen, an den Clubs, alles wird teuer und die Freiräume drängen an die Seiten. Aber so ist wohl der Gang der Dinge. Dass ich das Insekteum schließen musste, das hatte auch andere Gründe, aber lag letzten Endes auch an der Gentrifizierung.
Wo hast du deine Sammlung nach dem Ende des Insekteums untergebracht?
Ich hab ein Lager, viel hab ich im Keller, und mein Studio ist immer noch in Wiesbaden. Da hab ich zehn Jahre lang gewohnt und dort hatte ich auch ein Museum. Mein Studio ist rein analog und das ist mir irgendwie wichtig, der analoge Charme. Ich arbeite viel in Duos, eines zum Beispiel mit Kaspar, der ist fast 80, und mein jüngster Partner ist 17. Mit Kaspar bringe ich eine bald CD-Box heraus mit neun CDs und da überrede ich ihn gerade, dass wir eine Tour dazu machen.
Ausstellung: 25.01.2013 ab 18 Uhr (Konzert & Painting um 21 Uhr)
26.01.2013 ab 15 Uhr (Performance & Lecture um 19 Uhr)
Salon Renate
Weichselstr. 65
Facebook-Event
Wir haben den Künstler bei seinem Konzert am 25.01. besucht.
Inox Kapell im Insekten Konzert from Katrin Friedmann on Vimeo.