Auf der Fensterscheibe steht noch der Name der Securityfirma, die einst im Ladenlokal ansässig war. Das ist lange her. Jetzt ist hier der Jazz zu Hause. Es ist Donnerstagabend in der Donau115. Wie immer Konzertzeit. Die Finger fliegen über die Klaviertasten, der Kontrabass brummt die heftig gegriffenen, tiefen Töne hervor, alles ist unterlegt vom Rhythmus des Schlagzeugs. Kaum einen Meter vor der Band sitzen die Zuschauer. Gut 20 sind es an diesem Abend beim Konzert der Band Sophia & Olga. Genug um den kleinen, dunklen Barraum zu füllen, der keine 30 Quadratmeter groß ist.
Von den Wänden blättert die Farbe. Niklas Alt findet, das passe genau. „Es darf nicht zu glatt sein“, meint der Betreiber. „Auch in der Musik muss immer ein gewisser Bruch sein.“ So umreißt er den typischen Klang der Bar in der Neuköllner Donaustraße.
Einer der zehn besten Jazzclubs Europas
Es ist diese Art, die Enge und die Intimität, die die Donau115 auszeichnen und weit über Berlins Grenzen hinaus bekannt gemacht haben. Zwar lässt es der erste Eindruck des kleinen Raums nicht vermuten, doch bereits 2015 bekam das dreiköpfige Betreiberteam um Alt den Spielstättenprogrammpreis der Initiative Musik der Bundesregierung für die Donau115. Erst Anfang Februar kürte auch der britische Guardian die Bar zu einer der zehn besten Jazzclubs Europas.
Diese Entwicklung war bei der Gründung 2012 nicht abzusehen. „Am Anfang hatten wir hier noch kein Konzept“, sagt der 35-Jährige. „Es war nicht geplant, hier eine Jazzbar daraus zu machen.“ Eher zufällig kam die Spezialisierung auf das Genre. Kurz nach der Gründung traten mit Alt befreundete Jazzmusiker in der Bar auf. Zu Gast waren auch einige Musiker vom Jazz-Institut Berlin. „Dann war das wie ein Domino-Effekt“, sagt Alt.
Greg Cohen als Stammgast
Unter den Besuchern war auch die Sängerin Zola Mennenöh, die gerade eine Location für einen Auftritt mit Greg Cohen suchte. Cohen, einer der bekanntesten Jazz-Bassisten der Welt, spielte unter anderem in der Band von Tom Waits und Woody Allen und ist Professor am Berliner Jazz-Institut. Seit seinem ersten Auftritt in der Donau115 kommt er immer wieder in die Bar. „So hat sich das herumgesprochen und es kamen immer mehr Jazzbands auf uns zu“, erklärt Alt
Mit der Zeit nahmen so die Jazz-Konzerte im kleinen Neuköllner Laden zu. Am Anfang nur alle zwei Wochenenden, heute an vier Abenden in der Woche. „Aber wir hätten genug Anfragen, um jeden Tag Konzerte zu veranstalten“, sagt Alt. Dabei versammeln sie im Schnitt 30 Zuhörer. Manchmal quetschen sich aber auch 50 Gäste in den Raum. „Weil es so klein ist, entsteht häufig eine dichte Atmosphäre“, sagt der Betreiber. Oft springe dabei der Funke aufs Publikum über.
Hauptsache experimentell
Für ihn wie für die anderen beiden Betreiber war Jazz am Anfang Neuland. „Wir sind alle sehr musikaffin, aber hatten mit Jazz nicht wirklich was zu tun.“ Erst über die Auftritte lernte er das Genre richtig kennen. Heute weiß er beim Booking genau, welche Musik er hören möchte: Jazz, der mit anderen Stilen gemischt wird.
Doch egal ob mit Elektronik, Weltmusik oder Rock, Hauptsache er ist experimentell. „Der Jazz hier ist immer im Grenzbereich.“ Das zeichne auch generell den Sound der Jazzszene in Neukölln aus. „Er ist neu, wild, sehr lebendig und im Stil nicht festlegbar. Auf jeden Fall niemals etabliert und bürgerlich“, so Alt.
Genau das gefiel in ihrem Fall auch dem Guardian. Dessen Erwähnung und den Bundespreis im vergangenen Jahr empfindet er als „Riesen-Anerkennung“. Er sieht es aber auch als Bestätigung für das Konzept, dass sie verfolgen. „Es gibt einem das Gefühl, etwas richtig gemacht zu haben.“
Der Artikel ist in einer gekürzten Fassung am 24. Februar in der Berliner Zeitung erschienen. Das nächste Konzert in der Donau115 steigt am Mittwoch, 2. März, um 20:30 Uhr. Auf der Bühne stehen dann Aberratio Ictus.