Die ersten Migranten in Neukölln waren protestantische Flüchtlinge aus Böhmen. Vor 275 Jahre kamen sie auf Einladung Friedrich Wilhelm I. nach Rixdorf, um den Glaubenskriegen in ihrer Heimat zu entgehen. Und heute? Neukölln findet mit seinem hohen Anteil muslimischer Einwohner immer wieder klischeereich Erwähnung in Debatten über Zuwanderung. Vor diesem Hintergrund wagt die Ausstellung „Das Leben ist anderswo“ in der Galerie im Körnerpark einen Blick hinaus in die Welt. Elf internationale Künstler untersuchen den aktuellen Stand von Religionen in einer globalisierten Welt.
Einen gelungenen Einstieg ermöglichen die Fotos und Texte von Nadin Reschke. Die Berliner Künstlerin bereiste für ihre Arbeit „So weit so gut“ 14 Länder entlang der Seidenstraße, im Gepäck ein Zelt, das sie an den jeweiligen Stationen gemeinsam mit Einheimischen bestickte. Ihre Berichte geben Eindrücke von dem jeweiligen Ort gut nachvollziehbar wieder. So fanden es im Iran Männer ungewöhnlich, dass eine Frau ein Zelt aufbaut, für die Istanbuler Teilnehmerinnen war es neu, keine überlieferten Muster, sondern nach eigenen Zeichnungen zu sticken.
Erscheinen Traditionen hier sehr intakt, sind sie in anderen Arbeiten ins Wanken geraten. Maja Schweizer kombiniert Handy-Videos von heimlich tanzenden muslimischen Mädchen mit dem Text einer Frau aus Teheran, die sich täglich mit gesellschaftlichen Erwartungen arrangieren muss. Und Chan Sook Choi befragte für ihre Multimedia-Arbeit ältere Leipzigerinnen zum christlichen Glauben.
Die philosophischen Fragmente setzen sich nur schwer zu einem aussagekräftigen Ganzen zusammen. Mit einigen Abstrichen will die Weltreise zunächst gelingen. Religion erscheint hier als Angelegenheit des Einzelnen, die die Möglichkeit offen lässt, gegen Benachteiligungen und Konflikte zu kämpfen. Doch angesichts all der Kriege, die im Namen des Glaubens geführt wurden und werden, wirkt diese Perspektive zu oberflächlich und kurzsichtig.
Galerie im Körnerpark
Schierker Str. 8
Di-So 10-20 Uhr
Kommentare:
Religion ist Gift.
Hi Micha,
Worte hintereinander zu setzen, sodass man glaubt, sie zu verstehen, oder sich mit diesen verständlich für andere zu machen, lernt man in der Grundschule.
Deren Bedeutung und Resonanz erfasst man erst mit der Zeit und den eigenen Erfahrungen mit den Worten und den Sätzen und wofür sie stehen, oder wofür man sie gebraucht: z. Bsp. was „Religion“ ist, und was „Gift“ ist, und wann „Gift“ Gift ist und wann nicht, und was „Religion“ mit „Gift“ zu tun hat, und was Worte mit Religion und/oder mit Gift zu tun haben. Soll ich weiter machen? Wer also Worte in die Öffentlichkeit setzt, wie Du, Micha, drei Worte, Subjekt Verb und Objekt, der scheint oftmals, wie Du mir zu zeigen scheinst, nicht so ganz klar darüber zu sein oder gewesen zu sein, was er da eigentlich in eine grammatikalische Beziehung zueinander gebracht und veröffentlicht hat und warum. Wo fängt Denken an und wann nieseln Worte nur so dahin?