Der spießige Außenseiter

Jan_PyromanNächste Woche lädt Jan Pyroman zu einer weiteren Auflage seiner erfolgreichen Partyreihe „Kunterbunt im Untergrund“ im Neuköllner Club Ke//er. Warum ihr da gut aufgehoben seid? Der 32-Jährige DJ ist nebenberuflicher Babysitter und kennt sich mit Bällebädern aus. Wir haben mit ihm über das Leben als hauptberuflicher DJ, die Krankheiten der Szene und seine Außenseiterrolle als Nichtkonsument von Partydrogen gesprochen. Also: UzUzUz! (mehr …)

Donnerstag, 12. November 2015

neukoellner.net: Du bist ein sehr vielseitiger DJ, wie kommt es zu diesem wilden Mix aus den verschiedensten Musikstilen?
Jan Pyroman: Alles begann mit 16 Jahren bei einem Hip-Hop DJ-Workshop. Leider wurde mir die Stilrichtung irgendwann zu prollig. Die Szene gebar weniger Musik à la Freundeskreis, dafür ging es mehr in die Richtung Aggro Berlin. Ich hatte auch einfach mehr Lust auf Hüftenwackeln als auf Kopfnicken. Ich begann mit Reggae und Dancehall, feierte Balkan Beats, begeisterte mich für Electro-Swing und alles vermischte sich, sodass ich mich zu einem All-in-DJ entwickelte. Dazu kamen dann noch 11 prägende Jahre auf der Fusion. Dort bekam ich meinen Zugang zu Electro, Tech House und Techno. Für mich machen Genregrenzen nicht mehr unbedingt Sinn. Ich spiele gerne mit allem.

Ab und zu muss man sich ja auch mal zu einem Genre bekennen. In was für eine Schublade würdest du dich da am liebsten legen?
In Deutschland ist Schubladendenken ja ganz wichtig. Da dachte ich mir, ich passe mich mal an. Ich trenne seit einem Jahr meine unterschiedlichen Stile auch vom Künstlernamen her. „Four 2 the floor“, also Techno, House, Tech House usw., lege ich als „Jan Pyroman“ auf und alles andere wie Hip-Hop, Global Beats und Ghetto Funk läuft unter dem Namen „Pyromaniac“. Natürlich kann es zu Problemen kommen, weil Leute dann auch mal was Falsches erwarten. Da muss ich dann sagen: „Ich habe heute leider kein Techhouse für dich“.

Du bist seit Ende deiner Ausbildung zum Mediengestalter, also seit 2008, selbstständiger Vollzeit-DJ. Wie sieht dein Arbeitsalltag aus? Wie viel Zeit investierst du?
Das ist eigentlich ein ganz normaler Arbeitstag. Ich stehe morgens zusammen mit meiner Freundin auf. Sie fährt ins Büro und ich setze mich an meinen Rechner, um Musik zu sichten, zu sortieren und zu ordnen oder ich produziere selbst. Ich lege nur die Musik auf, die ich auch im Kopf habe. Das braucht seine Zeit. Wenn es gerade nicht so gut läuft, dann arbeite ich als Garderobier oder als Babysitter.

In Berlin gibt es eine Menge Menschen, die gerne ihren Lebensunterhalt mit Auflegen verdienen wollen. Was rätst du ihnen? Was braucht es, um vom Dasein als DJ leben zu können?
Also wenn ich eines in all den Jahren gelernt habe, ist es das: Alles läuft über Connections. So ernüchternd es auch immer wieder für mich ist. Ich würde sagen, dass Qualität überhaupt gar keinen Effekt auf deinen Werdegang hat. Es geht um Verbindungen, die gepflegt werden müssen. Ich habe alleine dadurch ’nen Wettbewerbsnachteil, dass ich keine chemischen Drogen nehme und mich nicht länger als nötig in Backstageräumen aufhalte. Das macht mich schon zum spießigen Außenseiter in der Branche. Man muss daher eigentlich jeden Tag in den Clubs anrufen: „Hallo ich bin der Jan. Ich bin ein guter DJ und habe auch schon vier Mal bei euch gespielt. Das Publikum hat‘s hart gefeiert, nur habt ihr das leider nicht mitbekommen, weil ihr schon breit wart oder zu Hause. Wollt ihr mich nicht nochmal buchen?“ Aber zurück zum Geheimrezept: Selbermachen! Selbst Veranstaltungen organisieren bringt einem viele Kontakte ein. Ich mache zum Beispiel die Partyreihe „Kunterbunt im Untergrund“ im Neuköllner Club Ke//er.

Was ist das Besondere an deiner „Kunterbunt im Untergrund“ Party?
Zunächst ganz klar: Wir haben ein Bällebad! Das befreit, das triggert das Kind in jedem von uns und ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Bei IKEA darfste ja nicht mehr rein als Erwachsener. Meiner Auffassung nach ist die der Ke//er selbst auch ein riesiger Pluspunkt. Es ist nicht zu groß dort und bleibt daher familiär. Die Stimmung war immer gut.

Was würdest du als Krankheit der DJ- und Booker-Szene bezeichnen?
Es gibt da leider einen sehr nervigen Istzustand: „Ich booke dich und du bookst mich.“ Mir fällt da ein Booker von einem bestimmten Club ein, den kennt in Berlin fast keine Sau. Er bucht immer Leute von Außerhalb, um dann im Gegenzug auch mal dort auflegen zu dürfen. Der bucht nicht nach Qualität, sondern weil er selber mal ganz gerne in Bayern oder Paris auflegen will. Dort weiß dann niemand, dass ihn hier eigentlich keiner kennt.

Wie siehst du deine Zukunft im DJ-Business?
Ich habe neulich gehört, dass die Jugend immer weniger Minimalgeplänkel und mehr Jazz hört. Es besteht also Hoffnung, dass der musikalische Anspruch der Crowd, der mich jahrelang ein wenig resignieren ließ, wieder steigt. Man sollte weiterhin jedes Genre pushen und auch Mut zu Crossover-Musik haben. Vielleicht läuft Electromusik gerade am besten, aber man sollte experimentierfreudig bleiben.

Kurz und knapp – dein Shoutout für „Kunterbunt im Untergrund“:
Kommt rum. Lasst uns miteinander feiern und nicht nebeneinander.

Kunterbunt im Untergrund findet am 20. November ab 23 Uhr im Club Ke//er statt. Facebook-Event

Mehr Musik von Jan Pyroman und seinem Alter Ego Pyromaniac kann man auf Soundcloud hören.

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