Der tägliche Kampf um den Körper

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Die Fotografin Sarah Seliman porträtierte junge Frauen in Kairo.

Wie gehen Frauen mit sexueller Belästigung im öffentlichen Raum um? 17 Frauen, 17 Geschichten – die Werkstatt der Kulturen zeigte für zwei Tage „Sidewalk Stories“, eine Fotoausstellung über Bewohnerinnen Kairos.

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Montag, 27. Juni 2016

Text: Leonie Schlick, Fotos: Sarah Seliman

Die Porträtreihe ist das Ergebnis von zwei Workshops, die im letzten Jahr in Ägyptens Hauptstadt stattfanden. Sie wurden von drei Studentinnen der Universität Marburg, die einen Teil ihres Studiums im Land verbrachten, ins Leben gerufen. Unter dem Eindruck persönlicher Erfahrungen mit sexueller Belästigung suchten die jungen Frauen den Austausch mit anderen Bewohnerinnen der Stadt – Ägypterinnen und Ausländerinnen gleichermaßen. Aus einem offenen Dialog über Geschlechterrollen, der eigenen Wahrnehmung als Frau und den Umgang mit sexueller Belästigung entstand anschließend die Idee zur Ausstellung, so die Mitbegründerin Anna-Theresa Bachmann.

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Die Frauen ließen sich mit einem Gegenstand ablichten, der ihnen das Gefühl von Sicherheit gibt.

Von 25 Teilnehmerinnen ließen sich 17 an ihren Lieblingsplätzen in Kairo fotografieren, zusammen mit einem Gegenstand, der ihnen Kraft und Sicherheit im öffentlichen Raum gibt. So benutzt eine Teilnehmerin auf ihrem Weg durch die Stadt beispielsweise das Fahrrad, eher eine Seltenheit in Kairo. Eine andere Frau präsentiert auf den Fotos ihre Sonnenbrille, für sie ein wichtiges Accessoire, um in der Öffentlichkeit Distanz zu wahren. Auch Musik im Ohr hilft vielen Frauen, sich vom Drumherum abzukapseln. Ob also Kopfhörer, Fahrrad oder Rucksack, als Symbol für „empowerment“ helfen die Gegenstände dabei, sich auf Kairos Straßen selbstbewusster zu fühlen.

Ägyptische Frauen behaupten ihren Platz in der Gesellschaft

So sind authentische Porträts von Frauen entstanden, die mal auf deutliche, mal auf subtile, aber stets auf kreative Weise versuchen, sich in der Öffentlichkeit zu behaupten. Frauen, die nicht schweigen wollen und den Dialog suchen. Das zeigten auch die selbst verfassten Statements, die die Fotos begleiteten. Während einige Teilnehmerinnen von konkreten Erfahrungen mit sexueller Belästigung berichteten, setzten andere das Thema in den gesellschaftlichen Kontext oder wählten eine lyrische Ausdrucksform. So kamen inhaltlich vielfältige Texte zustande, die jedoch stets sehr persönlich waren und den individuellen Charakter der Fotos unterstrichen.

Sidewalk-Stories-3Im Anschluss an die Ausstellungseröffnung folgte eine Podiumsdiskussion. Hier sprach man aus akademischer Perspektive über Frauenrechte und Geschlechterpolitik in Ägypten. Dabei gelang es den Referenten das sensible Thema zu diskutieren, ohne potentiellen Stigmatisierungen und rassistischen Erklärungsmustern Raum zu geben. Gleiches gilt für „Sidewalk Stories“ – eine Mischung aus Forschung, Kunst und Aktivismus, wie die Professorin Bettina Dennerlein die Ausstellung treffend bezeichnete. Indem es die betroffenen Frauen zu Wort kommen lässt, macht das Projekt auf das Thema sexuelle Belästigung aufmerksam, ohne anzuklagen. „Grassroot“-Aktivismus zum Angucken – nach Ägypten, Marburg und Berlin wird die Ausstellung nun auch in Hamburg und Leipzig zu sehen sein.

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