Sie fordern das Wahlrecht ein

Nichtwaehler487.000 Berliner Bürger dürfen am 25. Mai beim Volksentscheid „Tempehlhofer Feld“ ihre Stimme nicht abgeben. Für das Bündnis „Wahlrecht für alle!“ ist das ein Skandal. Die Initiative  organisiert deshalb eine Scheinwahl für alle, die keinen deutschen Pass haben. (mehr …)

Montag, 19. Mai 2014

Ece Yildirim weiß, wo sie ihr Kreuz am 25. Mai bei dem Volksentscheid „Tempelhofer Feld“ setzen wird. „Ich bin für 100 Prozent Tempelhof“, sagt die 27-jährige energisch.

Der 22-jährige Berliner David Rizzi würde sich die Option auf die Wahl am kommenden Sonntag gerne offen halten. Kann er aber nicht, da er nicht wählen darf, obwohl er EU-Bürger ist. „Ich bin halber Italiener und halber Ghanaer. Ich habe einen italienischen Pass und darf deshalb nur an Kommunalwahlen teilnehmen“, erklärt der junge Mann.

Bis vor eineinhalb Jahren durfte Ece auch nicht an die Wahlurne treten und ihre Stimme abgegeben. „Ich hatte immer noch meinen türkischen Pass und es hat sehr lange gedauert, bis ich den deutschen bekommen habe“, erinnert sie sich. Nach langen Hin und Her, vielen Behördengängen, dem Ausfüllen von Anträgen, dem Einreichen von Dokumenten und 500 Euro weniger auf dem Konto, konnte die junge Frau ihren türkischen Pass abgeben. Aufgrund dieser Odyssee engagiert sich Ece für die Initiative „Wahlrecht für alle!“. Unterstützung bekommt sie von Bahar Sanali vom Verein Nachbarschaftshaus Urbanstraße in Neukölln und von Eva Welskop-Deffaa, Mitglied im Verdi-Bundesvorstand.

Nach dem Volksentscheid ist noch lange nicht Schluss

Etwa 487.000 Bürger Berlins dürfen ihr Stimme beim Volksentscheid nicht abgeben. Für Bahar Sanali eine Unverschämtheit. „Dieses Beispiel ist nur eines von vielen, das zeigt, dass viele Bürger dieser Stadt, die seit zig Jahren hier leben, integriert sind, arbeiten und ihre Steuern zahlen, völlig benachteiligt werden und ihre Umwelt nicht mit gestalten dürfen“, sagt sie entrüstet. Für die junge Frau steht fest, dass mit der Initiative nach dem Volksentscheid noch lange nicht Schluss ist. „Die Betroffenen wollen nicht warten, bis sie das Recht aufs Wählen haben. Sie fordern es ein!“

In der Vergangenheit gab es immer wieder Änderungen im Wahlrecht wie die Einführung des Frauenwahlrechts vor 95 Jahren in Deutschland. „Die fadenscheinigsten und verrücktesten Begründungen wurden damals aufgestellt, um Frauen den Gang zur Wahlurne zu verbieten“, sagt Eva Welskop-Deffaa und ergänzt: „Ich bin mir ganz sicher, in 100 Jahren lachen die Leute über die heutigen Argumente, warum das Wahlrecht in Deutschland nicht für Ausländer gilt.“ Die Länder allein können diese Entscheidung nicht fällen und brachen somit die Unterstützung vom Bund. „Und dafür braucht es auch die Stimmen von der CDU“, betont Eva Welskop-Deffaa. Doch bis es soweit ist, will das Bündnis nicht die Hände in den Schoss legen „und alle möglichen Kräfte mobilisieren“. „Wir wollen eine Gegenposition zur Politik aufstellen, erklärt Bahar Sanali vom Verein Nachbarschaftshaus Urbanstraße. „Der dauerhafte Aufenthaltsort der Betroffenen soll mehr zählen, als ihr Staatsbürgerschaft.“ Dieser Forderung geht ein Urteil vom Bundesverfassungsgericht am 4. Juli 2010 voraus. In dem konkreten Fall wollten zwei deutsche Frauen in Belgien 2009 an der Bundestagswahl teilnehmen, wurden aber nicht zugelassen, weil sie ihr ganzes Leben hinter der Belgischen Grenze verbracht und nie längere Zeit in Deutschland gelebt hatten. Sie klagten und bekamen letztlich Recht.

„Demokraten von Europa, schämt euch!“

Neben der Initiative „Wahlrecht für alle!“ engagiert sich der Türke Aydin Akin (genannt Tispjg) dafür, dass alle Ausländer in Deutschland ein kommunales Wahlrecht erhalten. Dafür strampelt er täglich auf seinem Fahrrad durch die Stadt und pustet durch eine Trillerpfeife. Auf seinem Rücken und seiner Brust kleben Pappschilder, auf denen in rot-schwarzer Schrift der Slogan „Demokraten von Europa, schämt euch!“ prangt.

Auch wenn David Rizzi seine Stimme beim Volksentscheid abgeben könnte, ist er zu skeptisch eingestellt. Beim Volksentscheid gegen Vattenfall habe es damals ja auch nicht geklappt, sagt er. David ist davon überzeugt, dass der Senat mit seinen Plänen das Rennen macht. „Politiker lassen sich doch nie gerne das Ruder aus der Hand nehmen. Die wollen ihre eigenen Ansichten verfolgen und dabei interessiert es sie gar nicht, was andere wollen“, sagt er.

Das Bündnis „Wahlrecht für alle!“ lädt für Samstag, 24. Mai. 13 bis 18 Uhr, Eingang Oderstraße/Herrfurthstraße, zum Aktionstag ein. Es gibt u.a. eine Scheinwahl für alle, die keinen deutschen Pass haben und deshalb ihre Stimme nicht am 25. abgeben dürfen. Als prominente Unterstützerin kommt die Schauspielerin Pegah Fereydoni („Türkisch für Anfänger“).

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